von Victoria Schaffrath und Christof Leim
Trauer lässt Menschen merkwürdige Dinge tun. Da bilden auch Rockstars keine Ausnahme: Am 29. Januar 1982 heiratet Stevie Nicks den Witwer ihrer kürzlich verschiedenen besten Freundin und sorgt für enorm hoch gezogene Augenbrauen. Als Teil der für Drogeneskapaden bekannten Band Fleetwood Mac gar nicht so einfach…
Hört euch hier Bella Donna an, Stevies erstes Soloalbum von 1981:
Nun ist es nicht gerade so, dass Stevie Nicks in ihrer Karriere keine Skandale vorweisen kann. Als Mitglied von Fleetwood Mac gibt sie laut eigenen Angaben zwischen 1977 und 1986 mehrere Millionen für Kokain aus, begibt sich in einen Beziehungsreigen mit Lindsey Buckingham, Mick Fleetwood und einem nicht geringen Anteil der Eagles und wechselt schließlich auf das Beruhigungsmittel Clonazepam.Kosmisches Gleichgewicht
Währenddessen zeigt sich die ätherische Meisterin des Rock mitverantwortlich für Werke wie das Album Rumours von Fleetwood Mac, das das genannte Liebeswirrwarr schmerzhaft aufarbeitet, oder das zeitlose Landslide. Der Entzug gelingt ihr beide Male, viele Musikerinnen nennen sie heute als wichtigen Einfluss, und nebenher engagiert sich Nicks ehrenamtlich. Eigentlich hält sich in ihrem Kosmos also alles die Waage.
Doch 1982 gerät das Gleichgewicht ins Schwanken. Kurz nach der Veröffentlichung ihres Solodebüts Bella Donna erhält die Musikerin die traurige Nachricht, dass ihre beste Freundin Robin Anderson an Leukämie erkrankt ist und nur noch wenige Monate zu leben hat. Ein heftiger Schicksalsschlag für alle Beteiligten, der durch Andersons Schwangerschaft noch mehr Schwere erhält. Nicks, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur noch benebelt durchs Leben schwebt, kann die Situation kaum ertragen: „Ich war so auf Koks. Ich trank auf dem Weg (ins Krankenhaus) eine halbe Flasche Brandy, weil ich es nicht aushalten konnte.“
Kurzschlussreaktion Ehe
Anderson bringt mit letzter Kraft ihren Sohn Matthew zur Welt, verstirbt jedoch nur drei Tage später. „Ich hatte diese verrückte, wahnsinnige Vorstellung, Robin würde wollen, dass ich mich um Matthew kümmere“, erinnert sich Nicks. Weit hergeholt erscheint das nicht, immerhin ernennt man sie zur Patentante. Ihre Interpretation der Aufgabe fällt jedoch etwas besorgniserregend aus: In ihrer Trauer überzeugt sie Andersons Witwer Kim, dass eine Hochzeit die beste Option darstelle. Drei Monate später findet die Eheschließung statt.
„Komplett irre“, weiß die Sängerin heute. „Wir steckten alle knietief in der Trauer, standen völlig neben uns. Die Familien waren außer sich, als sie davon erfuhren; für viele war das Blasphemie. Aber das war mir egal. Mir war nur Matthew wichtig.“ Nicks merkt jedoch recht schnell, dass ihr Urteilsvermögen gerade nicht den besten Job macht. Die seit jeher spirituelle Künstlerin betritt eines Tages das Zimmer des Jungen und spürt die Gegenwart der Verstorbenen: „Es war dunkel, und das Baby war sehr still. Robin wollte, dass das sofort endet. Das habe ich so deutlich gespürt wie eine Hand auf der Schulter.“
„Go your own way“
Keine drei Monate später beendet die „Reigning Queen of Rock and Roll“ die Ehe. Es bleibt ihre einzige: „Die zählt nicht.“ Um den kleinen Matthew aber kümmert sich Nicks wie versprochen. Zwar bleibt der Kontakt zunächst aus, später finanziert sie dem Jungen jedoch das College. Kosmisches Gleichgewicht, eben.
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