Kaum eine Rockband spaltet so sehr die Gemüter wie Volbeat, kaum eine Rockband ist dabei aber auch noch so erfolgreich. Pünktlich zum neuen Album Rewind, Replay, Rebound legen wir den Finger auf den wunden Punkt zwischen Image und Sound, der bei den Dänen Fans von Kritikern unterscheidet.
von Victoria Schaffrath
Legen wir los mit der grundlegenden Frage, die Experten beschäftigt: Welchem Genre gehören Volbeat denn nun eigentlich an? Um das einkreisen zu können, muss man sich zunächst die Einflüsse von Volbeat ansehen. Allein darüber kann man ganze Artikel schreiben.
Hört euch hier das neue Album Rewind, Replay, Rebound an:
Sänger Michael Poulsen singt vor Volbeat bis 2000 in der Kopenhagener Death-Metal-Kombo Dominus. Nicht nur deren Einfluss nimmt er mit ins neue Projekt, auch der Bandname basiert auf dem dritten Album der Vorgänger. Der Anspruch an die neue Truppe: Rock’n’Roll spielen!
Elvis meets Hetfield
Poulsens Verehrung für Elvis Presley hört man dabei sowohl stimmlich als auch musikalisch, daher geben viele der Band scherzhaft das Etikett „Elvis-Metal“. Metallica sollten wir natürlich ebenfalls nicht vergessen, James Hetfields Intonation ist neben der des „Kings“ deutlich bei Poulsen zu vernehmen. Spätestens als 2013 Rob Caggiano von Anthrax zu Volbeat wechselt, kommt der Thrash noch einmal stärker zur Geltung. Die Band selbst bezeichnet ihren Stil meist schlicht als Metal.
So viele verschiedene Genres können zur Verwirrung führen, aber bringen immerhin einen entscheidenden Vorteil mit sich: Es ist buchstäblich für jeden etwas dabei. Ob Fans des harten Thrash-Sounds oder Gemüter, die für gewöhnlich dem Rockabilly zugeneigt sind: Sie alle feiern gemeinsam auf Konzerten von Volbeat und kaufen jede Veröffentlichung, als ob es kein Morgen gäbe. So wird es wohl auch beim neuen Album Rewind, Replay, Rebound laufen, das am 2. August erschienen ist und, ähnlich seiner unmittelbaren Vorgänger, extrem Hit-orientiert anmutet.
Gefällig in den Mainstream
Die Themenwahl kommt bei Volbeat nicht eben provokant daher, auch wenn es in den Songs der Band nur so von Gangstern und Tunichtguten wimmelt. Sie erzählen gefällige Geschichten von einsamen Reitern (Lonesome Rider auf Outlaw Gentlemen & Shady Ladies) und schönen Frauen (River Queen auf Rock The Rebel/Metal The Devil). Selbst Handlungsstränge, die sich über mehrere Lieder und Alben ziehen, gibt es.
Doch die Herren können auch sentimental: In Fallen aus dem Album Beyond Hell/Above Heaven setzt Poulsen, seines Zeichens Verantwortlicher für die meisten Titel der Gruppe, seinem verstorbenen Vater ein Denkmal. Der Druck auf die Tränendrüse funktioniert, Volbeat gelingen mit Fallen erstmals internationale Chartplatzierungen und damit der Durchbruch in den Mainstream. Sentimental klingt auch die neue Scheibe Rewind, geht es doch um Kindheitserinnerungen (mehr Identifikationspotenzial geht nicht) und die letzten Tage im Leben.
Der Frontmann handelt dabei nach einem einfachen Prinzip: Was nicht im Ohr bleibt, kommt weg. Hörer sollen die Lieder nach kurzer Zeit mitsingen können. Mehr als 15 Minuten Zeit pro Songentwurf gibt er sich nicht, um ihn eingängig zu gestalten; dauert es länger, wird die Idee schlicht verworfen.
Thematisch geht die Rechnung der Dänen voll auf, und nicht wenige Fans bedanken sich in den Kommentarbereichen gängiger Online-Portale für Songs, die wichtige Momente ihres Lebens begleiten. Solange man bei Volbeat in puncto Satzbau und Sinnzusammenhang ein Auge zudrückt, ist im Grunde alles gut. Wenn wir ehrlich sind, muss das Rad nicht mit jeder Scheibe neu erfunden werden.
Das große Kommen und Gehen
Neuerung findet man bei den Kopenhagenern ohnehin eher im Line-Up, das mittlerweile nur noch Poulsen und Schlagzeuger Jon Larsen als Gründungsmitglieder vorweisen kann. Nach Ausstieg von Gitarrist Teddy Vang Anfang der Nullerjahre suchen Volbeat lange nach einem Lead-Gitarristen, den sie dauerhaft erst nach mehreren Anläufen (Franz Gottschalk von 2002-2006, dann Thomas Bredahl von 2006-2011) in Form von Anthrax-Mitglied Rob Caggiano finden, der 2013 einsteigt. Auch am Bass herrscht Unruhe, seit Seal The Deal And Let’s Boogie 2016 zupft Kaspar Boye Larsen den Viersaiter.
Die häufigen Wechsel legen nahe, dass Volbeat im Kern das Baby von Michael Poulsen bleibt. Er schreibt beinahe alle Songs, die Kapelle gründet sich 2001 auf sein Geheiß. Seine markante Stimme gibt dem Sound von Volbeat ohnehin seinen Charakter, und schaut man sich andere Rockprojekte wie Uriah Heep, Guns N’ Roses oder Blue Öyster Cult an, sind Line-Up-Wechsel ja bei Weitem keine Seltenheit.
In der aktuellen Aufstellung scheint sich die Band allerdings besonders wohl zu fühlen, zumindest sieht der Terminkalender der Herren eine fast absurde Menge an Shows für 2019 vor, auf denen sie gemeinsam die neue Platte vorstellen können.
Ein feuchter Live-Traum
Und ja, reden wir überhaupt mal über Touren und Live-Shows. Häufig touren sie im Multipack mit anderen Rockgrößen wie Metallica, Motörhead oder eben Anthrax. Das ehrt und ist für viele Fans ein wahr gewordener feuchter Traum. Abliefern und unterhalten können sie, das machen sie jedenfalls aktuell auf der Knotfest Roadshow mit Slipknot, Gojira und Behemoth, im Herbst touren sie dann mit Danko Jones durch Europa.
Mit der Live-DVD Let’s Boogie! Live From Telia Parken setzen sie ihren Shows Ende 2018 ein mit Gästen wie Lars Ulrich gespicktes Denkmal. Hier wird deutlich, was das Publikum mitreißt, denn auf der Bühne stehen Musiker, die durchaus Laune machen. Die hymnenartigen Songs kommen besonders vor großer Kulisse und mit 50.000 Stimmen-starkem Chor zur Geltung. Lola Montez verursacht live eine brauchbare Gänsehaut.
All das passiert zu nicht geringen Anteilen dank Michael Poulsens Röhre. Die ist im Metal sicherlich ungewöhnlich und der Bandleader macht aus seiner stimmlichen Anlehnung an den „King“ und der zusätzlichen Inspiration durch Hetfield keinen Hehl. Besonders live sind Poulsens Modulationen kraftvoll und energiegeladen und tragen dadurch selbst unterschiedlichste Songstrukturen und -stile.
Grund zum Feiern
Auf der neuen Platte Rewind, Replay, Rebound gibt es in Bezug auf besagte Stilrichtungen die ein oder andere angenehme Überraschung: In Last Day Under The Sun singt Poulsen vor einer fetzigen Achtziger-Kulisse, während ihm Pelvis On Fire die passende Bühne für eine Achtung-einflößende Elvis-Party liefert. Interessante Kollaborationen mit Gary Holt von Exodus und Slayer sowie Neil Fallon von Clutch machen den Langspieler zusätzlich schmackhaft. Besonders viel Bock bringt aber der Vierzigsekünder Parasite, der wohl in Bierlaune zwischen zwei Takes im Studio entstand. Er ist praktisch dazu vorbestimmt, auf den Festivalgeländen dieser Welt geschmettert zu werden, wenn die Moskitos mal wieder besonders aggressiv schwirren.
Womöglich lässt sich die Frage, ob Volbeat nun Rock-Schlager oder Retro-Hymnen schreiben, nur mit einem Zucken der lederbejackten und tätowierten Schultern beantworten. Vielleicht reicht es, wenn wir mit ihnen eine ziemlich fette Rock-Party feiern.