Liebe – ein schwieriges Thema. Das dachte bisher auch Ruel und schrieb in den ersten Jahren seiner Karriere vor allem über die negativen Seiten des Lebens. Mit seinem zweiten Album Kicking My Feet wagt er den Ausflug auf Wolke sieben. Die Inspiration dafür lieferte niemand Geringeres als Tom Cruise.
23. Mai 2005 – die Oprah Winfrey Show. Tom Cruise ist zu Gast. Die ganze Welt kennt ihn, zum Beispiel aus Top Gun (1986), Mission: Impossible (1996) und ganz frisch aus Krieg der Welten (2005). Doch die Seite, von der er sich heute in Oprahs Show zeigt, hat noch niemand gesehen. Cruise geht vor der Moderatorin in die Knie, schlägt mit ihr ein, kommt aus dem Grinsen nicht heraus. Dann hüpft er plötzlich auf die Couch und jubelt, dann gleich noch einmal. Was ist es nur, das Cruise in solche Begeisterungsstürme ausbrechen lässt? Ganz einfach: Er ist verliebt. Seit einigen Wochen ist er mit Schauspielerin Katie Holmes liiert und kann seine Freude nicht zurückhalten. Was das mit Ruel zu tun hat? Rund 20 Jahre später liefert Cruises TV-Auftritt dem australischen Musiker die Inspiration für den Titeltrack seines zweiten Albums Kicking My Feet.
Kicking My Feet: Ruel und seine Ode an die Liebe
Dass sich Cruise bei Oprah verhält wie ein kleines Kind, nur weil er verliebt ist, fasziniert Ruel. „Er war wie ein frisch verknallter Sechsjähriger“, verrät uns der Musiker im Interview. „Und ich dachte, das sei eine sehr interessante Perspektive für einen Song. Wenn man so verliebt ist, dass man die Kontrolle verliert und sich verhält, als wäre man völlig unreif.“ Daraus sei das Stück Kicking My Feet entstanden, quasi als Sinnbild für den verliebten Teenie, der telefonierend auf dem Bett liegt und dabei mit den Beinen baumelt. Weil viele Songs auf Ruels zweiter Platte von Liebe handeln, habe es nur nahe gelegen, den Titel gleich für das ganze Album zu verwenden. Was manche überraschen dürfte: Sich mit in seinen Songs mit Liebe zu befassen, fällt Ruel nicht unbedingt leicht.
„Als ich über das Schlimme im Leben geschrieben habe, wie Trennungen, war das immer viel einfacher für mich“, erklärt er im Interview. Er habe sich Sorgen darüber gemacht, dass niemand ein Album hören wolle, auf dem alles nur super und toll sei. Zwar sei das auf Kicking My Feet nicht der Fall. „Doch ich habe festgestellt, dass ich auch über Liebe schreiben und trotzdem tiefgründig sein kann.“ Das ist auch in Even Angels Won’t zu hören, wo es nicht um romantische Liebe geht, sondern um Ruels Mutter. Das sei ihm zuerst gar nicht aufgefallen, wie er berichtet: „Ich habe meinen Eltern das Stück vorgespielt und meine Mutter hat mich gefragt, ob es darin um sie gehe. Dadurch ist mir überhaupt erst klar geworden, dass ich unbewusst über sie geschrieben habe.“
Ruel: Von Sydney auf die Weltbühne
Obwohl Ruel Vincent van Dijk am 29. Oktober 2002 in London zur Welt kam, ist er Australier. Schon als er vier Jahre alt war, wanderte seine Familie nach „Down Under“ aus, wo er fortan aufwuchs. Die musikalische Karriere wurde ihm ein Stück weit in die Wiege gelegt. So gründete sein Vater Ralph eine Radio-Promoagentur und Papa van Dijk war es auch, der 2015 eine Demo seines Sohnes an Produzent M-Phazes verschickte, zu dessen Referenzen Künstler:innen wie Madonna und Eminem zählen. Zwei Jahre später erschien Ruels Debütsingle Golden Years mit, genau, M-Phazes am Mischpult. Seitdem geht Ruel einen Schritt nach dem anderen, wurde von Elton John auf BBC Radio 1 empfohlen und brachte 2023 sein Debütalbum 4th Wall raus.
Mit seinem zweiten Album Kicking My Feet verlässt Ruel nun seine Komfortzone, arbeitete für die Platte mit anderen und deutlich mehr kreativen Köpfen zusammen als sonst. Das passt zu seiner generellen Herangehensweise, denn einen Ratschlag hat Ruel bisher gekonnt ignoriert: den, dass man Musik schreiben soll, die vor allem einem selbst gefällt. Dass man nichts auf das geben soll, was das Publikum sagt. Tatsächlich, die ersten Reaktionen auf seine Veröffentlichungen blendet der Australier am liebsten aus, wie er berichtet. Aber nicht etwa, weil er sich nicht in seine Songs reinreden lassen möchte, sondern weil er sich die Rückmeldungen zu sehr zu Herzen nimmt. Erst einige Zeit nach dem Release könne er sich auf das Feedback einlassen – und daraus lernen. Seine neuesten Learnings werden wir schon bald zu hören bekommen.