Lester Bangs, Stillwater, Band Aids, Elton John und LSD: Kein Film porträtiert das musikalische Geschehen der Siebziger so liebevoll, so warmherzig, so romantisch und dennoch so ungeschminkt wie Almost Famous. Hier kommen sechs unanfechtbare Argumente für die Unerreichbarkeit des Films.
von Björn Springorum
Hört hier den Soundtrack von Almost Famous:
Es gibt Musikfilme. Und es gibt Almost Famous. Wo andere Streifen nur an der Oberfläche der Musik kratzen, ist Almost Famous selbst ein Stück Musik. Auch 21 Jahre nach seinem Kinostart hat der Oscar-prämierte Film nichts von seinem Zauber verloren – ebenso wenig natürlich der makellose Soundtrack, der einen Grammy abräumen konnte. Hier kommen sechs gute und unanfechtbare Gründe, warum Almost Famous der beste Musikfilm aller Zeiten ist.
1. Der Regisseur
Im grassierenden Biopic-Wahn merkt man immer sehr deutlich, welcher Regisseur musikaffin ist oder zumindest eine Begeisterung für das Thema mitbringt. Almost Famous kann in dieser Hinsicht als Präzedenzfall gelten, als Paradebeispiel und Referenz für alle Zeit: Mit Cameron Crowe ist ein alter Hase, eine Koryphäe des Musikjournalismus, zugleich für Regie und Drehbuch zuständig – ein Typ, der im Film einfach seine eigene Lebensgeschichte aufrollt. Einen „Liebesbrief an die Musik“ hat er den Film genannt – und damit nicht untertrieben.
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Almost Famous folgt dem Weg des Teenagers und Nachwuchsjournalisten William Miller in die Welt, ist eine wunderbar feinfühlige, warmherzige Coming-Of-Age-Geschichte. Wie William im Film, beginnt auch Crowe schon in jungen Jahren, für den Rolling Stone zu schreiben, ist mit den Allman Brothers auf Tour, interviewt Led Zeppelin, David Bowie und die Eagles. Der Lohn: ein Oscar für das beste Drehbuch.
2. Die Filmband Stillwater
Einer der Stars des Films ist die fiktive Band Stillwater, die als Support für Black Sabbath in den Vereinigten Staaten unterwegs ist und um jeden Preis den großen Durchbruch schaffen will. Mit ihnen reist William Miller durch die Gegend, durch ihre Sicht lernt er das Musikbusiness, Vorbehalte gegen die Presse, das Leben on the road, die Probleme, die Exzesse, kurz: den Rock’n’Roll-Lifestyle kennen. Doch obwohl Cameron Crowe die Band eigens und nur für den Film gecastet hat, entstehen insgesamt fünf Stillwater-Songs – mit prominenter Unterstützung: Zwei Songs schreibt Peter Frampton, die anderen beiden komponiert Crowe mit seiner damaligen Frau Nancy Wilson (Heart). Der Song Fever Dog, geschrieben von Wilson, schaffte es sogar auf den Soundtrack.
3. Der Soundtrack
Ein guter Soundtrack akzentuiert den Film, macht bestimmte Szenen einprägsamer, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf gewisse Details oder Personen. Auch in dieser Hinsicht ist Almost Famous das Werk von Genies: Obwohl die meisten Songs Klassiker der Musikgeschichte sind, erfolgt ihr Einsatz so bedacht und effektiv, dass man viele der Stücke längst als erstes mit dem Film in Verbindung bringt – und damit meinen wir jetzt nicht nur Tiny Dancer, um den es noch gehen wird. Angefangen bei America von Simon & Garfunkel über Sparks von The Who, Simple Man von Lynyrd Skynyrd oder The Wind von Cat Stevens: Jede ikonische Szene im Film wird durch den perfekten Einsatz von Musik noch ikonischer.
Und das Allerbeste ist: Am 9. Juli 2021 wird der Soundtrack neu aufgelegt. Mit jeder Menge Zusatzmaterial von Stillwater und der von Nancy Wilson komponierten Filmmusik. Dann wird es ganz so, wie es zu Anfang des Films heißt, als Williams ältere Schwester ihm ihre Plattensammlung mit den Worten vermacht: Look under your bed, it'll set you free.
4. Die Tiny-Dancer-Szene
Die schönste Szene im Film verschlang zwei glatte Drehtage: Der Stillwater-Tourbus ist unterwegs im amerikanischen Nirgendwo, die Stimmung ist am Boden, die Band kurz vor dem Auseinanderbrechen. Tiny Dancer beginnt – und nach und nach stimmen alle mit ein, Band, Crew, William. Eine Parabel auf die Kraft der Musik, eine Mahnung, eine Erinnerung an das, was wirklich zählt. Cameron Crowe erzählte anlässlich des 20. Geburtstag des Films vergangenes Jahr, dass alle sofort instinktiv spürten, dass diese Szene das Herz des Films ist. Selbst Elton John: Er liebte die Verwendung des Stückes und begann daraufhin, es wieder vermehrt bei seinen Konzerten zu spielen. „I have to go home“, sagt William und Penny Lane antwortet nur: „You are home!“ Wer da keine Gänsehaut bekommt, der mag Musik nicht!
5. Die Zeitzeug*innen
Obwohl überwiegend ein Werk der Fiktion, ist Almost Famous bevölkert mit Persönlichkeiten der Siebziger. Der große, leider verschiedene Philip Seymor Hoffman gibt den legendären Musikjournalisten Lester Bangs, der William seinen ersten großen Auftrag besorgt, Terry Chen schlüpft in die Rolle von Journalist und Dylan-Intimus Beng-Fon Torres. Zach Ward schließlich spielt den Legendary Red Dog, der jahrelang der Roadie der Allman Brothers Band war und mehr zu erzählen hatte als die meisten Rockstars.
6. Die Figur Penny Lane
Und dann ist da natürlich noch die ewig bezaubernde, begeisternde, beflügelnde Penny Lane, unvergessen und inspirierend gespielt von Kate Hudson. Gleich zu Beginn macht sie William den wichtigen Unterschied zwischen dem stereotypen, erniedrigenden Begriff Groupies und den sogenannten Band Aids klar, Fans also, denen es eher um die Musik als um die Rockstars geht. Sie basiert auf der echten Pennie Lane, die in den Siebzigern mit den Flying Garter Girls durch die Lande zog und Promotion für die großen Rockbands machte. Benannt hat sie sich, klar, nach dem Beatles-Song.
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