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Foto: TV Times via Getty Images

„Wuthering Heights“: Vor 45 Jahren gelingt Kate Bush eine Sensation

Mit 18 Jahren schreibt Kate Bush die gotische Gespenster-Serenade Wuthering Heights. Gegen den Willen ihrer Plattenfirma wird die Nummer ihre Debütsingle – und erklimmt vor 45 Jahren die Spitze der britischen Charts. Eine Popgeschichte aus einer anderen Welt.

von Björn Springorum

Heute kennen wir Kate Bush vor allem als die große Eremitin der Popwelt. Sie meidet das Rampenlicht, gibt kaum Interviews, lebt für sich in ihrer eigenen englischen Landwelt. Dafür kann sie nichts: Es liegt ihr sozusagen im Blut. Wer auf einem 350 Jahre alten Anwesen im Süden Englands aufwächst, wird dieses gewisse Emily-Brontë-Ding nicht wieder los.

Karate-Kate

Catherine „Kate“ Bush wächst in einer sehr inspirierenden Umgebung auf. Ihr Vater malt, ihre Mutter tanzt, Orgelspielen bringt sie sich in einer Scheune hinter dem Haus selbst bei. Auch ihr ungewöhnlicher, hoher, beizeiten kieksender Gesang hat seine Ursprünge in ihrer Kindheit: Schon im Karatekurs ist sie für ihre hohen und spitzen Schreie bekannt. Später macht sie einfach eine Tugend und ein Markenzeichen daraus. Mit elf lernt sie als Autodidaktin das Pianospiel, später kommt noch die Geige dazu.

Erste eigene Songs entstehen, da ist sie gerade mal elf Jahre jung. Natürlich besucht sie auch eine Schule, widmet sich in ihrer Freizeit aber mehr und mehr Zeit der Musik. Mit ihrer Familie nimmt sie ein Demotape auf, auf dem sich unglaubliche 50 ihrer Kompositionen befinden. Plattenfirmen beißen keine an, dafür wird David Gilmour von Pink Floyd auf die Teenagerin mit der außergewöhnlichen Stimme aufmerksam. Er nimmt sie unter seine Fittiche, produziert ein professionelles Demotape mit ihr und übernimmt sogar die Kosten. Das Tape geht an EMI, die nehmen Kate Bush sofort unter Vertrag. Damals ist sie 16.

Ausdruckstanz und Pantomime

Und hat schon damals ihren eigenen Kopf. Mit dem dicken EMI-Vorschuss besucht sie die Ausdruckstanzklassen von Lindsay Kemp, die zuvor David Bowie unterrichtete. Außerdem nahm sie Pantomime-Unterricht und konzentrierte sich erst mal auf ihren Schulabschluss. Songs schreibt sie dennoch. Und wie. Irgendwann türmen sich ihre Kompositionen haushoch, fast 200 Songs liegen bereit.

Gotische Gutenachtgeschichte

Einer davon entsteht in den späten Abendstunden des 5. März 1977: Wuthering Heights, inspiriert vom gleichnamigen Emily-Brontë-Roman, der viktorianischen Schriftstellerin, mit der Kate Bush sich den Geburtstag teilt. Das Lied ist mehr Kunst als Pop, ein Gothic Novel in Musikform, erzählt aus Sicht des Geistes Catherine Earnshaw: dramatisch wallend, geisterhaft, getragen von ihrer glockenhellen Stimme. Ebenso schnell wie das Lied fertig ist, ist auch der Gesang im Kasten: Sie nimmt ihn in einem unglaublichen Take auf. Gemixt wird das Ding, passend zum gotischen Inhalt, die ganze Nacht.

Im Herbst 1977 nimmt sie ihr Debüt The Kick Inside auf, das am 17. März 1978 erscheint. Die Lead-Single daraus kommt früher – am 20. Januar 1978. EMI will James And The Cold Gun als erste Single, ein flotter Pop-Song mit markanter Gitarre. Doch Kate Bush hat andere Pläne: Wuthering Heights soll die erste Single werden. Es kommt zu einem ersten Kräftemessen zwischen einem kaum volljährigen Mädchen und einem Raum voller Männer aus der Musikindustrie. Verblüffenderweise geht Kate Bush aus Siegerin aus der Sache hervor. Ein Präzedenzfall, der ihre spätere Karriere definieren wird.

Neue Zeitrechnung in den Charts

Wuthering Heights – und die beiden gotischen Videos, die Kate Bush dazu dreht – macht die Sängerin selbst zu Catherine, zu dieser geisterhaften Erscheinung der Popmusik. Und ganz nebenbei zum Popstar: Ihr Gespür ist goldrichtig, am 11. März stößt der Song ABBAs Take A Chance On Me vom Thron und steht ganz oben an der Spitze der UK-Charts. Und mehr noch: Wuthering Heights ist die erste Eigenkomposition einer Künstlerin, die in Großbritannien jemals an der Spitze der Charts stand. Und das mit einer viktorianischen Geistergeschichte! „Plötzlich war dieser Song überall“, so erinnerte sich Kate Bush mal an den großen Erfolg ihrer allerersten Single und ihre starke Medienpräsenz mit Wuthering Heights. „Nach 16 Monaten sagte ich dann aber: Seht mal, ich muss aufhören damit oder ich werde nie wieder einen Song schreiben können.“

Natürlich wird auch ihr Debüt The Kick Inside zum großen Erfolg, doch sie lässt sich entgegen ihrer starken eigenen Meinung noch im selben Jahr zum Nachfolger Lionheart drängen. Das, in Kombination mit EMIs wenig rühmlicher Art und Weise, Kate Bush auf ihre Körperlichkeit reduzieren zu wollen, führt dazu, dass die Künstlerin ihren eigenen Verlag und gleich auch ihr eigenes Management gründet. Und fortan vollkommene künstlerische Kontrolle innehat. Kate Bush – das unabhängige Geisterwesen des Art Pop.

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