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Foto: WikiCommons/Jim Summaria

Zeitsprung: Am 2.12.1973 landen The Who im Gefängnis.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.12.1973.

von Timon Menge und Christof Leim

Hotelzimmer zu zerstören, gehört in der Musikgeschichte zeitweilig zur Arbeitsplatzbeschreibung von Rockstars. Meist vorne mit dabei: The Who. Vor allem Schlagzeuger Keith Moon genießt den Ruf, Spuren der Verwüstung zu hinterlassen. Am 2. Dezember 1973 treiben die Briten es im Rahmen der Quadrophenia-Tour so weit, dass sie verhaftet werden. Immerhin: Später inspiriert der Vorfall den Song Cell Number Seven von Bassist John Entwistle.


Hört hier in Quadrophenia von The Who rein:

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Ob Izzy Stradlin von Guns N’ Roses, der in ein Flugzeug pinkelt, oder die Eagles, die sich beinahe von der Bühne prügeln: Dass Rockstars schon einmal die Kontrolle verlieren, dürfte die wenigsten überraschen. Vor allem die Briten von The Who sind als Unruhestifter bekannt, lassen hinter der Bühne die Fäuste fliegen und verlieren sich in Drogenexzessen.

Als ein Mitarbeiter ihres Labels RCA 1973 die „Hospitality Suite“ des Bonaventure Hotels in Montreal bucht, schwebt ihm ein netter Aftershow-Empfang vor. Was sich dort am 2. Dezember 1973 tatsächlich abspielt, beschreibt ein Augenzeuge später als „Hiroshima“. Denn The Who befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Quadrophenia-Tour, und sie wollen feiern.

An jenem 2. Dezember 1973 eröffnet Schlagzeuger Keith Moon das Spektakel, indem er eine Flasche Ketchup an die Wand pfeffert. Gitarrist Pete Townshend gefällt das Ergebnis, und er regt an, den Fleck einzurahmen. Also Moon schnappt sich eins der Kunstwerke von der Wand, tritt es aus dem Rahmen und setzt seine Tomatenkunst angemessen in Szene. Townshend soll sich außerdem mit einem Messer die Hand aufgeschnitten haben, um dem Ketchup ein wenig Blut hinzuzufügen.

Machen gerne mal Sachen kaputt: The Who

Was anschließend genau passiert, lässt sich im Nachhinein bloß erahnen. Die Legende besagt, dass ein Sofa aus dem Fenster fliegt und dass ein Fernseher im Schwimmbecken des Hotels landet – die Klassiker also. Der Boden des Hotelzimmers jedenfalls soll mit Glasscherben und Möbelresten bedeckt gewesen sein. Zu guter Letzt beschließen Moon und Townshend, dass die Suite eine Vergrößerung nötig hat, und beginnen damit, die störenden Wände einzureißen. Dafür funktionieren sie kurzerhand einen Marmortisch zum Rammbock um.

„Der Letzte macht das Licht aus“, heißt es ja. Bei The Who kennt den Spruch leider niemand. Als ein Nachtwächter seine Runde dreht, läuft er auch an dem Schlachtfeld vorbei, das die Briten hinterlassen haben — bei offener Tür. Er alarmiert die Polizei und lässt die Gruppe und 14 Crewmitglieder verhaften. Den späteren Aufenthalt in der Zelle findet Keith Moon gar nicht lustig und soll zu den Polizisten gesagt haben: „Ich war der Ansicht, dass ich eine Suite gebucht habe!“ Laut Pete Townshend bleibt sogar Sänger Roger Daltrey nicht verschont, obwohl er gar nicht an der Zerstörung beteiligt war. Wie üblich hatte er sich früh verabschiedet, um seine Stimme zu schonen.



Bassist John Entwistle verarbeitet den Abend in seinem Song Cell Number Seven, der 1975 auf seinem Soloalbum Mad Dog erscheint. Dort heißt es:

Six thirty in the morning, I’d just got to sleep
I felt so tired didn’t even count sheep
I woke up with six policemen standing by the bed
The voice of doom was ringing in my head
Get up fella, and don’t make no fuss / Put your clothes on, you gotta come with us

Später wird deutlich, wie der Song zu seinem Namen kam: „Cell number seven / Me and Moonie were in cell number seven“.

Am Tag nach der wilden Nacht taucht der lokale Veranstalter mit knapp 6.000 US-Dollar in der Polizeiwache auf und kauft The Who frei. Die Band verpasst zwar ihren geplanten Flug nach Boston, erwischt aber eine spätere Maschine und schafft es rechtzeitig zum nächsten Termin der Tour. Denn die Show muss ja weitergehen.


Headerbild Credit: Jim Summaria
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