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Zeitsprung: Am 15.8.1983 wollen AC/DC es härter mit „Flick Of The Switch“.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 15.8.1983.

von Christof Leim

Flick Of The Switch muss in große Fußstapfen treten: 1980 hatten AC/DC mit Back In Black ein makelloses Jahrhundertwerk vorgelegt und ein Jahr später mit dem würdigen Nachfolger For Those About To Rock ihre erste Nummer eins in den USA erreicht. Die Karriere der australischen Boogie-Brigade befindet sich auf einem Höhepunkt, doch als die Band im Dezember 1982 nach fast zwei Jahren ununterbrochenen Tourens wieder zu Hause ankommt, sind die Batterien leer. Das sollte Folgen haben.

Hört hier in Flick Of The Switch rein:

Denn die Maschine steht nicht still: Schon im April 1983 ziehen sich AC/DC in die Compass Point Studios auf den Bahamas zurück, wo sie bereits Back In Black geschaffen hatten. Doch diesmal packen die Brüder Angus und Malcolm Young mit ihrem nicht mehr ganz so neuen Sänger Brian Johnson, Bassist Cliff Williams und Groovemonster Phil Rudd die Sache anders an.

So unverfälscht wie möglich

Zurück zu den Wurzeln soll gehen, erinnert sich Toningenieur Tony Platt im Buch AC/DC: Maximum Rock & Roll. „Es gibt da diesen Song Mannish Boy von Muddy Waters in einer Version von Johnny Winter. Da schreien alle im Hintergrund herum. Malcolm wollte diese Atmosphäre einfangen – als befände man sich in dem Raum, in dem es gerade basiert.“ Angus formuliert den Plan so: „Die Platte sollte so roh wie möglich klingen. Wir wollten einen natürlichen, aber großen Sound für die Gitarren, ohne Hall, Echos und irgendwelche Noise-Unterdrücker.“

Um das zu erreichen, machen AC/DC einen gewagten Schnitt: Sie trennen sich von Hitproduzent und Studioperfektionist Robert John „Mutt“ Lange, mit dem sie neben den beiden Vorgängern auch schon an Highway To Hell (1979) gearbeitet hatten. Stattdessen erledigen sie die Produktion selbst, genauer: die beiden Chefs Malcolm und Angus übernehmen das Ruder. Die Konsequenz: Flick Of The Switch klingt tatsächlich roher, ein gutes Stück trockener und für AC/DC-Verhältnisse ziemlich hart. Der Wumms ist der Gleiche, der Swing jedoch weniger leichtfüßig. In der Kommentarspur der Live At Donington-DVD von 1992 zeigen sich die Bandmitglieder zufrieden mit dem Ergebnis, Toningenieur Tony Platt urteilt anders: „Ich glaube nicht, dass der Ansatz wirklich funktioniert hat.“

Es gibt Streit

Auch sonst laufen die Aufnahmen nicht rund, denn die Nerven liegen blank. Gegenüber Bandbiograf Jesse Fink berichtet Platt, die Musiker seinen „alle ziemlich durch“ gewesen. Das führt schließlich dazu, dass Drummer Phil Rudd vor die Tür gesetzt wird – allerdings nachdem er seine Tracks eingespielt hat. Der Grund dafür liegt nicht nur in seinem zunehmenden Alkohol- und Drogenkonsum, sondern auch in einer handfesten Auseinandersetzung mit Malcolm, dem unangefochtenen Häuptling. In AC/DC: Maximum Rock & Roll steht zu lesen, dass Rudd zwei Stunden zu spät zu einer Show in Long Island erschienen sei und Malcolm ihm deshalb, nun ja, eine reingehauen habe. Doch diese Auseinandersetzung markiert nur den Schlussstrich, die Diskrepanzen und Probleme köcheln laut Tourmanager Ian Jeffrey schon eine ganze Weile unter der Oberfläche. Damit verliert die Band für elf Jahre ihre beste Rhythmusmaschine.

AC/DC mit neuem Drummer Simon Wright (Mitte)

AC/DC heuern zunächst den ehemaligen Procol-Harum-Schlagwerker B.J. Wilson an, um die Aufnahmen wenn nötig zu beenden, doch seine Beiträge finden keine Verwendung. Später hält die Truppe über 700 Auditions in den USA und in Großbritannien ab, um einen festen Nachfolger für Rudd zu finden. Sogar Simon Kirke von Free und Bad Company und Paul Thompson von Roxy Music spielen vor. Die Wahl fällt jedoch auf den nicht mal 20-jährigen Engländer Simon Wright von der Band AIIZ.

Rock'n'Roll-Texte eben

Die Songs des Albums stammen erneut alle von Malcolm und Angus sowie Brian Johnson. Sie drehen sich um Macho-Brustgeklopfe (Badlands, Guns For Hire) und fröhlich-ferkelige Zweideutigkeiten (Rising Power, Deep In The Hole) – also all die tollen Sachen fernab des Feuilleton, aber ganz nah am ursprünglichen Geist des Rock’n’Roll. In Badlands spielt Angus sogar Slide-Gitarre, ein äußerst seltenes Ereignis, das er erst Jahre später auf Stormy May Day von Black Ice (2008) wiederholt. Zu Bedlam In Belgium geistern zwei Interpretationen durch die Welt: Nach einer bezieht sich Brian Johnson auf seine erste Show mit der Band am 29. Juni 1980 im belgischen Namur, bei der die Fans vollkommen durchdrehen; nach der anderen singt er über ein Konzert in Kontich, bei dem die Polizei anrückt, weil AC/DC sich nicht an die vorgeschriebene Schlusszeit halten. Letztere stimmt.

Für das Cover greift die Truppe auf eine Zeichnung von Angus zurück, die den simplizistischen Ansatz der Platte auch grafisch umsetzt: Wir sehen den kurzbehosten Rocker mit seiner Gibson SG, wie er einen riesigen Schalter umlegt, alles in schwarz-weißen Bleistiftstrichen gehalten. Die Plattenfirma Atlantic findet das fürchterlich, will aber kein Geld für eine Alternative ausgeben, weil sie ohnehin keine Hits unter den Songs gefunden hat. Angeblich soll die Platte sogar zeitweilig I Like Rock heißen, doch daraus wird glücklicherweise nichts.

In einem Tag muss es fertig sein

Flick Of The Switch erscheint am 15. August 1983, erreicht Platz vier in Großbritannien, Platz sechs in Deutschland und Rang 15 in den USA. Zur Bewerbung filmen AC/DC Videos zu Guns For Hire, Nervous Shakedown und zum Titelstück, die auch in dieser Reihenfolge als Singles ausgekoppelt werden. Für die Filmchen stellen sich die Rocker in einer riesigen Halle in einen Kreis von Roadcases und Verstärker und tun das, was sie nun mal tun: rocken. Auch hier verzichten sie auf jedweden Schnickschnack. Es gibt keine Nebenszenen, keine Handlung, keine Effekte – die komplette Gegenthese zu dem Glitzerstil also, der gerade mit und auf MTV entsteht. Angus hat nicht mal seine Schuluniform an, dreht aber natürlich durch, als wäre bei ihm jeder Schalter umgelegt worden. Malcolm sagt dazu später: „Wir haben der Crew erklärt, dass wir spielen und sie filmen. Fertig. Sie konnten um die Band rumlaufen oder machen, was auch immer ihnen einfiel. Wir wollten nur am gleichen Tag fertig werden.“ Für Nervous Shakedown entsteht später noch ein zweites Video in einer noch natürlicheren Umgebung für AC/DC, nämlich auf einer Bühne in Detroit während einer Produktionsprobe. An den Drums sitzt in allen Clips Simon Wright.

Die drei Singles von „Flick Of The Switch“

Natürlich gehen AC/DC im Anschluss erstmal auf Tour, wie sie es immer machen, und spielen ab Oktober 1983 erstmal zwei Monate in Nordamerika, dabei in New York zum Beispiel im renommierten und ziemlich großen Madison Square Garden. Im Sommer 1984 reisen sie für die Monsters Of Rock-Festivals mit Mötley Crüe, Accept, Gary Moore, Dio, Ozzy Osbourne und Van Halen für ein paar Wochen durch Europa, im Januar 1985 geht’s abschließend zum riesigen Rock In Rio-Open Air in Brasilien (alles dazu hier). Guns For Hire eröffnet regelmäßig die Show, taucht aber auf keiner späteren AC/DC-Tour wieder auf. Meist stehen drei Stücke des aktuellen Albums auf der Setlist, ansonsten werden die Stücke kaum live gespielt: Das Album Flick Of The Switch kommt laut der Statistik auf setlist.fm vom ganzen AC/DC-Katalog am seltensten auf die Bühne, sogar noch weniger als das allgemein ungeliebte Fly On The Wall (1985).

Aufräumen mit harter Hand

Auf der Konzertreise kommt es zu weiteren Zerwürfnissen im inneren Zirkel, zumal durchwachsene Kritiken und sinkende Zuschauerzahlen für Frust sorgen. So feuert Malcolm den langjährigen Tourmanager Ian Jeffrey, und auch sonst räumen die Young-Brüder mit harter Hand auf. Sie setzen etliche wichtigen Figuren vor die Tür, nach Mutt Lange und Phil Rudd noch Manager Peter Mensch und Fotograf Robert Ellis.

Heute gehört Flick Of The Switch zu den AC/DC-Alben der zweiten Reihe. Zwar hat die Scheibe 35 Jahre später einen Platinüberzug erreicht, verkaufte sich aber längst nicht in dem Maße wie die anderen Glanztaten. Die Songs hört man heute nur selten, dabei finden sich hier durchaus einige Schätzchen, die wir alle eben nicht rund- und totgehört haben. Auch in den folgenden Jahren müssen AC/DC mit Fly On The Wall (1985) eine Dürrephase überstehen, können sich aber spätestens mit The Razors Edge (1991) wieder an die Spitze setzen. Malcolm Young höchstselbst urteilt später über Flick Of The Switch: „Wir haben die Scheibe sehr schnell zusammengeschustert. Ein großartiges Album würde ich das nicht nennen…“

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