von Christof Leim
Metallica gelten 1989 als unbestrittene Favoriten für den Metal-Grammy. Doch bei der Verleihung am 22. Februar fällt eine sonderbare Entscheidung...Hört hier zur Lektüre ...And Justice For All:
Ende der Achtziger hält die Krachmusik endlich Einzug bei den Grammys: Zum ersten Mal gibt es eine Kategorie „Best Hard Rock/Metal Performance“. Und jeder, wirklich jeder sieht in Metallica die großen Favoriten. Denn die vier Thrasher haben im Vorjahr gerade …And Justice For All rausgebracht und sich mit Nachdruck in den US-Top-Ten platziert. Mit ihrem ersten Videoclip One konnte die Band sogar MTV erobern.
Klare Sache, eigentlich...
Neben Metallica sind 1989 noch nominiert: Blow Up Your Video von AC/DC, der Song Cold Metal von Iggy Pop, Nothing’s Shocking von Jane’s Addiction und Crest Of A Knave von Jethro Tull. Keine große Konkurrenz eigentlich, alle Welt rechnet mit einem Start-Ziel-Sieg für Hetfield/Ulrich/Hammett/Newsted. Bei der Grammy-Gala in Los Angeles am 22. Februar 1989 spielt die Band sogar live und wartet anschließend neben der Bühne auf die Verkündung.
Doch dann kommt es ganz anders: Der erste Grammy für „Best Hard Rock/Heavy Metal Performance“ geht an… Jethro Tull. Sogar die Laudatoren Lita Ford und Alice Cooper sind baff, denn die britischen Progressive-Rocker passen so gar nicht in die Kategorie. Sicher, Jethro Tull haben seit den Sechzigern eine Menge cooler Songs veröffentlicht (Locomotive Breath zum Beispiel), und Crest Of A Knave ist kein schlechtes Album, aber Metal? Oder zumindest Hard Rock? Kein Stück. Das sehen die Musiker von Jethro Tull offenbar ähnlich, denn sie sind nicht mal zur Preisverleihung angereist. Ian Anderson, der Flöte (!) spielende Chef, hatte bereits im Vorfeld Verwunderung über die Nominierung geäußert.
Und alle so: Hä?
In der Musikwelt und insbesondere der Metalszene klappen einige Kinnladen herunter. Denn wenn schon mal die harte Musik, die Ende der Achtziger ja keinesfalls mehr nur als Nischenthema gesehen werden kann, im großen Business gewürdigt werden soll, dann doch bitte vernünftig. Doch die Grammy-Jury macht sich mit dieser Entscheidung zur Lachnummer. Ian Anderson gibt später zu Protokoll, er hätte den Preis „unter diesen Umständen keinesfalls akzeptiert.“
Immerhin beweisen die Beteiligten Humor: Die Plattenfirma von Jethro Tull schaltet eine ironische Glückwunschanzeige im einflussreichen Branchenmagazin Billboard (siehe oben). Metallica packen eine Zeitlang einen Aufkleber auf ihre Justice-Alben: „Grammy Award Losers“.
Versuch der Wiedergutmachung
Vielleicht überrascht es angesichts dieser Fehlentscheidung nicht sehr, dass Metallica bei nächster Gelegenheit drei Jahre in Folge mit der Trophäe für „Best Metal Performance“ bedacht werden: zunächst für One (1990), dann für das Queen-Cover Stone Cold Crazy (1991) und 1992 endlich für ein „richtiges“ Album, nämlich für ihr Jahrhundertwerk Metallica aka „Die Schwarze“. Lars Ulrich kann sich bei seiner kurzen Ansprache dazu einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen: „Als erstes müssen wir wohl Jethro Tull danken, dass sie dieses Jahr kein Album rausgebracht haben…“ Interessanterweise stimmt das nicht mal, denn Jethro Tull hatten 1991 Catfish Rising veröffentlicht. Geschenkt.
Beschweren werden sich Metallica heute ohnehin nicht: Mittlerweile wurden sie 23 Mal nominiert, neun Grammys konnten sie sich schon ins Regal stellen (Stand 2021). Aber auch da sind die Wege der Entscheider mitunter unergründlich. So gab es die Auszeichnung 1999 für den Song Better Than You, einen eher unscheinbaren Track von Reload. Den haben Metallica seit dem noch nie (!) live gespielt.
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