von Christof Leim
Black Sabbath haben nicht nur Geschichte geschrieben, sondern es auch immer ordentlich krachen lassen: Vier Kumpels aus der Industriestadt Birmingham, die die Welt betouren und mit Mitte Zwanzig schon zu Stars werden – da sind Drogen, Streitereien und gelegentlicher Wahnsinn nicht weit. Das hat Folgen…
Hört hier in die besten Sabbath-Songs mit Ozzy rein:
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Einen Heiligenschein verdient sich keiner der vier in den wilden Jahren nach dem Einstand Anfang der Siebziger. Im Booklet der vierten Platte Vol. 4 von 1972 danken sie sogar explizit der „großartigen Company COKE-Cola“, und dabei geht es nicht um Erfrischungsgetränke. Genauso wenig hat der zwischenzeitlich angedachte Albumtitel Snowblind irgendetwas mit Wintersport zu tun. Den Vogel schießt aber immer Sänger Ozzy Osbourne ab. Er zündet die Kerze an beiden Enden an, wie die englische Sprache es so schön umschreibt, mit Alkohol, Koks, Pillen und dem ganzen Programm. Seiner allgemeinen Arbeitshaltung und Kreativität tut das natürlich nicht gut – und führt zum (vorläufigen) Ende seiner Zeit bei Black Sabbath. Am 27. April 1979 werfen ihn seine Kollegen raus…
In der Zeit davor knarzt es bereits einige Male recht heftig im Bandgefüge: Schon 1976, als die Band gerade an Technical Ecstasy arbeitet, verliert der Sänger zum ersten Mal die Lust an Black Sabbath. Die Aufnahmen laufen zäh, und als die Platte endlich fertig ist, muss er sich laut seiner Autobiografie I Am Ozzy sogar kurz ins Stafford County Asylum im heimischen England einweisen lassen. Im November des Jahres geht es allerdings schon wieder auf Welttour (unter anderem mit Boston und AC/DC im Vorprogramm), Ende 1977 soll dann das nächste Album entstehen. Doch kurz bevor die „Sabb Four“ sich im Studio einrichten, verlässt Ozzy Hals über Kopf die Band.
Er will ein Soloprojekt starten und arbeitet drei Monate mit Musikern von Necromandus daran, einer Entdeckung von Sabbath-Chef Tony Iommi, später noch mit den Instrumentalisten einer Band namens Dirty Tricks. Seine Ex-Kollegen verpflichten derweil Dave Walker, der mal bei Fleetwood Mac und Savoy Brown gesungen hatte, und schreiben mit ihm neue Songs. Auf der Bühne steht dieses Line-up von Black Sabbath nur ein einziges Mal, am 8. Januar 1978 für die britische TV-Sendung Look! Hear! mit einer frühen Version des Stückes Junior’s Eyes. Doch als der Neue seinem Vorgänger zufällig in einer Birminghamer Kneipe über den Weg läuft (wo auch sonst), gewinnt er den Eindruck, dass Ozzy mit seiner Stammband noch nicht abgeschlossen hat. Und in der Tat meldet Agent Doppel-O im Januar 1978 an, zurückkehren zu wollen. Die Dave-Walker-Ära bleibt damit eine Fußnote in der Sabbath-Geschichte. Aufnahmen existieren außer besagter TV-Show nach allgemeinem Wissensstand keine; die von ihm verfassten Texte wurden nicht benutzt.
Doch damit herrscht keines falls eitel Sonnenschein im Land der Düsterriffs, wie Iommi erzählt: „Drei Tage, bevor wir ins Studio gehen wollten, ist Ozzy wieder aufgetaucht. Allerdings wollte er nichts von den Sachen singen, die wir mit dem anderen komponieren hatten. Also mussten wir morgens neue Lieder schreiben, um sie abends aufzunehmen.“ Dieses Hauruck-Verfahren funktioniert nicht. Als Never Say Die! (1978) nach fünf Monaten fertig ist, hört man den unfokussierten Songs den desolaten Zustand der weiter hart feiernden Truppe an. Die Tour läuft nicht besser, zumal die blutjunge Vorgruppe Van Halen die kampfesmüden Headliner regelmäßig von der Bühne pustet.
Aber die Maschine rollt weiter: Nach den Konzerten mieten Black Sabbath ein Haus in Los Angeles und arbeiten mehrere Monate an neuem Material. Doch vor allem arbeiten die Herren an ihren schlechten Angewohnheiten: „Wir haben eine Menge Drogen eingeworfen, haufenweise Koks, eigentlich alles“, erinnert sich Iommi in seiner Autobiografie Iron Man. „Wir sollten proben, aber es kam rein gar nichts dabei raus.“ Ozzy treibt es dabei erneut am Schlimmsten. „Ich war voll drauf“, schreibt er selbst in seinem Buch, „und zwar die ganze Zeit.“ Neue Ideen will er gar nicht erst singen, und dass Perfektionist Iommi im Studio ständig neue Takes von ihm verlangt, sorgt für noch mehr Streit zwischen den beiden.
Muss irgendwann handeln, um seine Band Tony Iommi zusammenzuhalten: Tony Iommi - Pic: Carl Lender/Wiki CommonsIrgendwann reicht es. Black Sabbath entscheiden sich vor allem auf Drängen Iommis, ihren Sänger rauszuwerfen. Drummer Bill Ward, der Ozzy am nächsten steht, wird mit dieser Aufgabe betraut. „Es war offensichtlich, dass die anderen Bill vorgeschickt haben“, erinnert sich der Sänger. „Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, was er genau gesagt hat. Aber im Wesentlichen ging es darum, dass Tony der Meinung war, ich sei ein versoffener, zugekokster Verlierer, mit dem sie nur ihre Zeit verschwenden würden.“ Gitarrist Iommi verteidigt sich: „Ozzy denkt, vor allem ich habe diese Entscheidung zu verantworten, aber jemand musste eben handeln. Ansonsten würden wir alle noch da sitzen.“ Oder kurz gesagt: Entweder machen Sabbath ihren Laden dicht oder Ozzy fliegt raus… Damit sind die Würfel gefallen.
Natürlich wissen wir heute, wie es weitergeht: Ozzy gründet höchst erfolgreich eine Soloband, Black Sabbath veröffentlichten mit Ronnie James Dio feinsten Edelstahl (und stehen mit ihm ausgerechnet in Ostfriesland zum ersten Mal auf der Bühne). 1997 finden die originalen „Sabb Four“ zum ersten Mal wieder zusammen, 2013 erscheint mit 13 sogar ein neues Album (allerdings ohne Bill Ward), am 4. Februar 2017 spielen sie ihre letzte Show.
Ende der Neunziger wiedervereint: Die original „Sabb Four“ - Pic: Epic/Promo