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Zeitsprung: Am 28.7.79 schmeißt Joe Perry bei Aerosmith hin.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.07.1979.

von Andrea Leim und Christof Leim

Nach einem Konzert in Cleveland geraten die beiden Aerosmith-Chefs Joe Perry und Steven Tyler am 28. Juli 1979 so dermaßen aneinander, dass der Gitarrist schließlich die Band verlässt. Eine turbulente Nacht, in der Milchgläser fliegen und fast auch Fäuste…

Zur Lektüre könnt ihr euch hier das damals aktuelle Album Live Bootleg anhören:

Seit den Anfangstagen sind Sänger Tyler und Gitarrist Perry die Alphamännchen bei Aerosmith und enge Vertraute. Die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft gepaart mit jeder Menge Explosivität. Sprich: Immer wieder wird auch ordentlich gestritten. Ihr Hang zu Alkohol und Drogen macht diese Verbindung nicht weniger entflammbar, und so handeln sich beide schnell den Spitznamen „Toxic Twins“ ein. Fast die gesamten Siebziger durchlebt und durchfeiert die Band mithilfe chemischer Substanzen, doch zum Ende des Jahrzehnts hinterlässt dieser Lebenswandel deutliche Spuren – vor allem im Innenverhältnis der fünf Musiker. Joe Perry erinnert sich: „Wir hätten alle einen Urlaub voneinander gebraucht. Stattdessen ist die Band implodiert.“

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Auslöser ist ein verhängnisvoller Abend im Juli 1979 in Cleveland, Ohio. Beim legendären Konzert World Series of Rock im Municipal Stadion sollen Aerosmith gemeinsam mit Journey, AC/DC, Ted Nugent und Thin Lizzy auftreten. Doch zuvor gibt es im Backstage-Bereich eine ganz andere Show: die unterschwellige Aggressivität zwischen den Bandmitgliedern lässt nicht nur deutlich spüren, sondern schwappt auch auf ihre Frauen über. Das gilt ganz besonders für Terry Hamilton, die Frau von Bassist Tom Hamilton, und Perrys Ehefrau Elyssa.

Die beiden Damen geraten in einen wenig damenhaften Streit. „Terry war sehr gut darin, Menschen den Finger in die Wunde zu legen“, erinnert sich Tom Hamilton Jahre später in Steven Tylers Biographie Walk This Way. „Offenbar sagte sie etwas zu Elyssa – und die schmiss daraufhin ein Glas Milch nach ihr. Die beiden schrien sich an, es war wirklich laut, und das kurz vor unserem Auftritt. Niemand wurde verletzt, doch diese Auseinandersetzung war symptomatisch für das, was sich in der Band abspielte.“ Schon die gesamte Tour über habe es immer wieder Streit gegeben, erinnert sich der Bassist. „Steven machte Dinge, um Joe zu provozieren, und der strafte ihn dann auf der Bühne mit Missachtung ab. So lief es immer, und man konnte es nicht mehr verbergen.“ An diesem speziellen Abend sei Steven vor Wut irgendwann durch die Decke gegangen.

Joe Perry und Elyssa Jerret 1978 in New York - Pic: Ron Galella Collection/Getty Images

Tyler erinnert sich ebenfalls: „Ich kam in unsere Kabine, da schrien Terri und Elyssa sich an. Also habe ich zurückgebrüllt, dass sie gefälligst verschwinden sollen.“ Dann erfährt der Frontmann, was vorgefallen ist und auch vom Glaswurf. „Ich habe mich dann richtig mit Joe gestritten und ihn gefragt, ob er seine Frau nicht mal zurückhalten könne. Aber er war der Meinung, es sei ihr gutes Recht, sich so zu verhalten“, schreibt Tyler in seiner Biografie.

Elyssa Perry berichtet von einem daraus resultierenden Streit der Bandmitglieder: „Erst hat Tom was gesagt, dann Joe, und dann haben alle gestritten. Danach auf der Bühne haben sie aber die beste Show der ganzen Tour gespielt. Wenn sie wollten, konnten sie die großartigste Rockband der Welt sein.“

Doch selbst der gute Auftritt kann nicht mehr helfen: Tyler ist nach der Show nicht nur total betrunken, sondern auch auf 180. „Ich erinnere noch, wie ich auf Joe zugegangen bin und ihn anbrüllt habe: ‚Du bist gefeuert!’ Wir waren eine Gang, eine Einheit, aber ich war so verdammt wütend. Ich hätte auch einfach sagen können, ‚Ich hau ab!‘. Stattdessen habe ich ihm entgegengeschleudert, dass er gefeuert ist. Genau mit diesen Worten. Ich habe Joe nie eine reingehauen, an diesem Abend war ich aber sehr nah dran.“

Streithähne und manchmal auch die großartigste Rockband der Welt: Aerosmith

Und tatsächlich: Perry verlässt Aerosmith. „Das war eine harte Zeit“, erinnert er sich. „Für eine kurze Zeit hatte ich weder eine Band noch einen Plattenvertrag noch ein Management. Elyssa und ich saßen ganz allein in Boston rum. Ich hatte lediglich das Vorhaben, neue Musik machen zu wollen. Auf der anderen Seite habe ich Aerosmith ungemein vermisst, da fehlte plötzlich ein Teil von mir. Aber das habe ich mir nicht eingestanden.“

Kurz nach Perry steigt 1981 dann auch noch der zweite Gitarrist der Band, Brad Whitford, aus. Für sie rücken Jimmy Crespo and Rick Dufay nach. „Als der Staub sich gelegt hatte, mussten wir uns als Band erst einmal neu sortieren. Dafür war die Pause gut“, meint Perry später. „Und auch im Privatleben gab es viel zu klären.“Der Musiker trennt sich von seiner Frau Elyssa und lernt 1983 das Model Billie Montgomery kennen. Die schöne Blondine sieht Perry bei einem seiner Soloauftritte, weiß aber nicht, wer da vor ihr steht. „Billie mochte tatsächlich nur mich als Menschen, nicht den Rockstar.“ Eine offenbar neue Erfahrung für den Gitarristen. „Ich habe zum ersten Mal wahre Liebe gespürt.“ Mittlerweile ist das Paar 34 Jahre verheiratet, hat zwei Kinder und ist glücklich. „Als wir zu einer Familie wurden, war uns klar, dass wir nicht andauernd getrennt sein wollten. Ich habe sie deshalb einfach mit auf Tour genommen.“

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Und zwar auf Aerosmith-Tour! Denn kurz vor seiner zweiten Hochzeit bandelt Perry auch wieder mit seinen alten Bandkollegen an. Am 14. Februar 1984 besuchen er und Brad Whitford nämlich ein Konzert ihrer ehemaligen Gruppe im Orpheum Theater in Boston. Nach der Show gibt es ein Wiedersehen im Backstage-Bereich, friedlich und produktiv. Denn kurz darauf finden erste Gespräche statt, die beiden Originalmitglieder der Band wieder aufzunehmen – was schließlich auch passiert.

„Du hättest mal mitbekommen sollen, wie es zwischen uns vibrierte, als wir uns plötzlich wieder gegenüberstanden. Alle fünf zum ersten Mal nach all der Zeit. Wir fingen total an zu lachen, und es war, als hätte es die fünf Jahre dazwischen gar nicht gegeben. Uns war klar, dass es der richtige Schritt war“, sagt Steven Tyler.