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Zeitsprung: Am 31.8.1999 gehen Megadeth mit „Risk“ ein Risiko ein.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.8.1999.

von Maximilian Blom und Christof Leim

Wie viele Metal-Kollegen Mitte der Neunziger versucht sich auch Megadeth-Chef Dave Mustaine an einer stilistischen Neuausrichtung seiner Band. Und ähnlich zur Load-/Reload-Phase von Branchenprimus Metallica scheiden sich an Risk bis heute die Geister. Dass während des Albumzyklus’ die halbe Band ausgetauscht wird und ausgerechnet Lars Ulrich entscheidenden Anteil am Plattentitel hat, passt da nur ins Bild einer verwirrten Phase. Am 31. August 1999 erscheint die Scheibe.

Hier könnt ihr Risk in der Remastered-Version von 2004 anhören:

In den Neunzigern haben klassischer Heavy Metal und besonders Thrash einen schweren Stand: Pantera und Machine Head haben das Genre mit mehr Groove versorgt, vor allem aber sind Grunge, Nu-Metal und Crossover die Sounds der Stunde. Die Helden der Achtziger backen indes kleinere Brötchen und/oder experimentieren mit neuen Klängen. Megadeth gelingt letzteres zu Anfang des Jahrzehnts noch sehr gut: Eingängigere Songstrukturen und Einflüsse aus melodischeren Metal-Gefilden lassen Countdown To Extinction 1992 zur kommerziell erfolgreichsten Platte avancieren. Auch Youthanasia (1994) beschreiten diesen Weg konsequent und durchaus erfolgreich weiter. Für den Nachfolger Cryptic Writings (1997) heuert Mustaine sogar Country-Produzent Dann Huff an.

Besetzungswechsel

Mit ihm gehen Megadeth im Januar 1999 wieder ins The Tracking Room-Studio in Nashville, um Risk einzuspielen, allerdings erstmals seit Rust In Peace (1990) in veränderter Besetzung. Alice Cooper-Taktgeber Jimmy DeGrasso hat im Vorjahr während der laufenden Ozzfest-Tour den Platz hinter den Kesseln übernommen, weil sich Stammdrummer Nick Menza wegen eines gutartigen Tumors am Knie einer OP unterziehen musste – eine Geschichte, die der notorisch schwierige und suchtkranke Mustaine schlicht nicht glaubt. DeGrasso wird deshalb kurzerhand zum festen Bandmitglied ernannt.

Ordentlich frisiert: Megadeth zu „Risk“-Zeiten

Die musikalische Ausrichtung der Platte zeichnet das Bild einer zerrissenen Band. Besonders Gitarrist Marty Friedman will rockigere Elemente in die Songs einbauen, und die beiden Daves – also Bassist Ellefson und Frontmann Mustaine – haben einfach Lust auf Veränderung. Nur DeGrasso will eigentlich eher eine harte Scheibe einspielen. Auch Bandmanager Bud Prager mischt sich ein und fordert laut Ellefson eine Platte, bei der die anderen Gruppen ihrer Generation denken sollen: „Warum sind wir nicht darauf gekommen?“ Das letzte Zünglein an der Waage gibt aber Metallica-Trommler Lars Ulrich ab, der in einem Interview der Band den Ratschlag gibt, musikalisch ein größeres Risiko einzugehen. Für Mustaine bedeutet der Einwurf seines langjährigen Lieblingsfeindes Ansporn und Titelinspiration zugleich.

Van Damme im Video

Vier Monate arbeitet die Band im Studio an den Songs. Als im Juli die erste Single Crush ‘Em, eine eingängige Radio-Rock-Nummer, veröffentlicht wird, reagieren Teile der notorisch konservativen Metal-Szene mit „Ausverkauf!“-Rufen. Der Track passt allerdings hervorragend in Sportstadien, läuft vor allem bei Wrestling-Veranstaltungen und findet im Film Universal Soldier: The Return mit Jean-Claude Van Damme Verwendung. Der spielt dann auch gleich im Video mit.

Auch die späteren Singles Breadline, dessen Chorus ein wenig an Thin Lizzy erinnert, und der Industrial-angehauchte Stampfer Insomnia stoßen eher im Rock-Radio als bei der alten Metal-Garde auf Gegenliebe. Statt Thrash dominieren auf der Platte rockige Elemente und viel Melodie – ein Experiment, das definitiv seine spannenden Momente besitzt, aber für die Band kommerziell in die Hose geht. Mustaine konstatiert später: „Es war ein Fehler, Risk unter dem Megadeth-Banner herauszubringen. Hätte ein anderer Name auf dem Cover gestanden, hätte sich das Album verkauft.“ 

Funktioniert alles nicht so richtig

Mit der neuen Platte im Gepäck geht es im September 1999 wieder auf die Straße. So reisen Megadeth im Vorprogramm der gerade mit Bruce Dickinson wiedervereinigten Iron Maiden durch Europa. Unter dem Eindruck der Resonanzen auf das Album und möglicherweise auch durch das Tourerlebnis will der Bandboss musikalisch wieder in angestammtere Gewässer zurück, was wiederum sein Gitarrenpartner Marty Friedman zum Anlass nimmt, sich aus der Band zu verabschieden. Als Ersatz stößt der ehemalige Alice Cooper- und Savatage-Musiker Al Pitrelli dazu, der nicht nur die kommende Scheibe The World Needs A Hero (2001) einspielt, sondern laut Dave Mustaine auch einen Anteil an der zwischenzeitlichen Bandauflösung drei Jahre später trägt. Aber das ist, ihr ahnt es schon, eine andere Geschichte…

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