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Zeitsprung: Am 4.2.1998 erklärt Rob Halford von Judas Priest, dass er schwul ist.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 4.2.1998.

von Christof Leim

Ob Rob Halford nun gerne Briefmarken sammelt, schwul ist oder schlecht in Mathe war: Spielt alles keine Rolle angesichts seiner einzigartigen Stimme, die bei Judas Priest Geschichte geschrieben hat. Als der „Metal God“ am 4. Februar 1998 zum ersten Mal erklärt, homosexuell zu sein, ist das allerdings tatsächlich ein bisschen ein Thema.


Hört hier in Voyeurs von Two rein:

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Halford befindet sich 1998 in einer Phase musikalischer Experimente. Er ist 46 Jahre alt, sieben Jahre zuvor hat er die Hartmusik-Institution Judas Priest verlassen, gerade macht er Industrial-Metal mit dem Gitarristen John 5, der später bei David Lee Roth, Marilyn Manson und Rob Zombie auftauchen sollte. Die gemeinsame Band heißt Two, das anstehende Debüt Voyeurs produzierte Trent Reznor von Nine Inch Nails – was man deutlich hört.

Bei einem Interview auf MTV am 4. Februar erklärt der Sänger: „Die meisten Leute dürften wissen, dass ich mein ganzes Leben lang schon ein schwuler Mann bin. Aber erst in letzter Zeit fühle ich mich wohl dabei, darüber zu sprechen. Ich lebe gut damit, seit ich meine eigene Sexualität erkannt habe. Es gibt für alles einen richtigen Moment, und das hier ist er.“


Für Kenner der Szene stellt diese Eröffnung kein Geheimnis dar, die Fanscharen und die Welt im Allgemeinen wissen das aber nicht. Vor allem passiert das im Metal-Universum verdammt selten, obwohl es da natürlich nicht statistisch weniger Homosexuelle geben kann als anderswo. Was bedeutet: Es redet keiner darüber. Der erste Krachmusiker, der sein Privatleben diesbezüglich öffentlich thematisiert, ist Faith No More-Keyboarder Roddy Bottum fünf Jahre zuvor. Im Rocks-Magazin sagt er Dekaden später: „Die Welt um uns herum war sehr hetero, Schwules gab es gar nicht. Überhaupt nicht. Rob Halford hatte sich noch nicht geoutet, Bob Mould von Hüsker Dü auch nicht. Es gab keinerlei Vorbilder, niemanden. Das hat sich ziemlich beängstigend angefühlt. Man kann sich heutzutage nicht vorstellen, was daran so problematisch gewesen sein soll, aber das war es.“


Im MTV-Gespräch gibt Halford zu Protokoll, dass es ihm vorher nicht möglich war, mit seiner Homosexualität offen umzugehen. Er weist darauf hin, dass Priest-Songs allerdings schon immer Metaphern, Anspielungen und auch deutliche Zeilen in diese Richtung enthalten haben, etwa in Raw Deal vom dritten Album Sin After Sin 1977: „steely leather guys were foolin’ with the denim dudes“.

Nun gibt es im Metal nicht nur genauso viele Schwule wie anderswo, es gibt damit auch genauso viele Homophobe, womöglich wegen der intrinsischen Machohaftigkeit der Kunstform sogar mehr. Doch die Szene reagiert größtenteils positiv, genaugenommen schert sie sich nicht groß um dieses Outing. Die meisten Fans des Sängers interessiert viel eher, wann er endlich, endlich wieder bei den mächtigen Judas Priest singt. Der Metal Hammer überschreibt die Meldung damals mit „God is gay!“ - einmal Metal-Gott, immer Metal-Gott. Fertig.



So egal die geschlechtliche Orientierung eines großartigen Sängers für seine Musik auch ist: Es dauert noch eine Weile, bis die Zahl der öffentlich homosexuell lebenden Kollegen zunimmt. Doug Pinnick, Frontmann der großartigen King’s X, muss etwa Anfeindungen von Seiten christlicher Organisationen hinnehmen, ein Vertrieb kündigt die Zusammenarbeit. Heute stehen Halford, Pinnick und Bottum nicht mehr alleine da, bekannte schwule Musiker sind zum Beispiel Paul Masvidal und Sean Reinert von den Tech-Deathern Cynic, Skin von Skunk Anansie und der ehemalige Gorgoroth-Satansbraten Gaahl. Im Vergleich zur demografischen Häufigkeit von Homosexualität fallen diese Zahlen trotzdem gering aus.

Es tauchen auch lustige Geschichten aus Halfords wilden Zeiten mit Priest auf: So gibt es ein Interview mit weiblichen Fans, die am liebsten über den Sänger „herfallen“ würden – was der natürlich nur mit einem amüsierten Lachen quittieren kann. Ein andermal gibt er zu Protokoll, dass seine Kollegen sich nach der Show gerne auf Partys rumgetrieben und Mädels aufgerissen haben, während er oft nur im Hotelzimmer gesessen hat.



Lustig mutet in Rückschau auch der Gedanke an, dass vor allem die frühe Metal-Szene latent schwulenfeindlich gewesen sein dürfte, ihr Stil aber maßgeblich von Outfit eines schwulen Musikers geprägt wurde. Das heißt: Leder, Nieten, Lack, Referenzen an die S&M-Kultur. Vor allem ab 1978 und Killing Machine ist bei Priest und insbesondere Halford nämlich Schluss mit Hippieklamotten.

Heutzutage spielen die Themen Homosexualität und Transgender in der harten Musik (hoffentlich) keine Rolle mehr; ob unser Mann schlecht in Mathe war, schwul ist oder Briefmarken sammelt, interessiert niemanden. Hauptsache, Rob Halford singt wieder bei Judas Priest. Metal rules.



Titelfoto: Kevin Winter/Getty Images