Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.2.1964.
von Christof Leim
Beim Abflug konnten sie höchstens ahnen, was sie erwarten würde: Am 7. Februar 1964 landen die Beatles in New York City und werden von Horden hysterisch kreischender Fans empfangen. Das hat auch mit geschickter PR vor Ort zu tun. In den nächsten Tagen brechen in den USA alle Dämme: Die Beatlemania hat Amerika erreicht.
Hört euch die besten Songs der frühen Beatles an und lest weiter:
Die Reise der Beatles in die USA passiert zum besten Zeitpunkt: I Want To Hold Your Hand steht auf Platz eins der Charts, über anderthalb Millionen Mal hat sich die Single in nur drei Wochen verkauft. Deshalb besteigen die „Fab Four“ am Morgen des 7. Februar den Pan Am-Flug 101 von London nach New York. Schon bei der Abreise am Flughafen Heathrow gibt es Euphorie und Geschrei von unzähligen Fans. An Bord der Boeing 707 befinden sich neben John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr unter anderem noch Manager Brian Epstein, Johns Frau Cynthia mit dem gemeinsamen Sohn Julian, ein Filmteam und etliche Menschen von der Presse. Die Musiker freuen sich auf die USA: „Das war alles so aufregend!“, erklärt Ringo später. „Amerika ist das Beste, für uns aus Liverpool ein Traum.“
Unfassbares Geschrei
Amerika freut sich ebenfalls, wie bei der Landung sehr schnell deutlich wird: „Da standen Millionen Kids am Flughafen, was keiner erwartet hatte“, wird Paul zitiert. „Davon haben wir erst auf dem Flug gehört. Der Pilot hatte einen Funkspruch bekommen und uns mitgeteilt, dass da eine große Menge auf uns warten würde. Wir dachten uns: ‘Wow! Oh Gott, wir haben es echt geschafft!’“ In der Tat drängeln sich bei der Ankunft um 13:20 Uhr mehrere Tausend Fans am Flughafen, vor allem junge Mädchen, dazu 200 Journalisten und Journalistinnen sowie Kameraleute. Ein unfassbares Geschrei bricht los. Amerika hat die Beatles erwartet…
Im Vorfeld hat der Radiomoderator Murray The K die Details zur Ankunft der Beatles „on air“ verkündet, was mehrere andere Sender prompt aufgriffen. In der ganzen Stadt ließ die Plattenfirma Poster und Aufkleber mit dem Slogan „The Beatles are coming!“ verteilen, sogar die Telefonzentrale soll sich gemeldet haben mit: „Capitol Records. Die Beatles kommen!“ Und nicht zuletzt funktioniert ein cleverer PR-Schachzug hervorragend: Die US-Merchandise-Firma der Band hat mit Hilfe zweier Radiostationen jedem Fan, der am Terminal auftaucht, einen Dollar und ein Beatles-Shirt versprochen.
Noch am Flughafen geben die Musiker ihre erste Pressekonferenz und parieren mit viel Charme auch einige dämliche Fragen nach ihren so unverschämt langen Haaren:
Reporter: Ist es ihnen peinlich, wie viel Wahnsinn sie hier hervorrufen? George: Nein, das finden wir großartig. John: Wir lieben Wahnsinnige.
Reporter: In Detroit werden Autoaufkleber verteilt, auf denen steht: „Zerstampft die Beatles“! Paul: Nun ja. Als erstes werden wir wohl eine „Zerstampft Detroit“-Kampagne starten.
Reporter: Kürzlich hat ein Psychiater verkündet, sie seien nichts anderes als ein Haufen englischer Elvis Presleys. John: Der Mann muss blind sein. Ringo (tanzt wie Elvis): Stimmt gar nicht! Stimmt gar nicht!
Reporter: Es gibt Zweifel daran, dass sie überhaupt singen können. John: Nein, wir brauchen zuerst Geld.
Reporter: Was erwarten sie von diesem Land? Ringo: Zehn Dollar.
Reporter: Hilft ihnen das lange Haar beim Singen? John: Ganz bestimmt.
Reporter: Wieviele von ihnen haben eine Glatze und müssen deshalb diese Perücke tragen? Ringo: Wir alle. Paul: Aber bitte sagen sie es nicht weiter. John: Ich bin auch taub und blöd.
Reporter: Machen sie sich keine Sorgen darüber, was die amerikanische Friseurvereinigung von ihnen denken könnte? Ringo: Wir laufen schneller als die englischen Friseure, also versuchen wir es hier auch mal.
Nach der Pressekonferenz geht es ins Hotel, wo sich ähnliche Szenen abspielen: überall Kameras, überall schreiende Fans und die Polizei, die den Wahnsinn unter Kontrolle zu halten versucht. Im Radio läuft sogar eine Art Liveticker, wie Paul auf der Fahrt feststellt: „Die Beatles haben gerade den Flughafen verlassen, sie sitzen in ihren Limousinen Richtung Manhattan…“ In den zehn Zimmern der Präsidentensuite im zwölften Stock des Plaza Hotel empfangen die Beatles in den nächsten Tagen Gäste, geben Interviews und starten zur Eroberung der USA.
Ein prägender TV-Auftritt
Es geht Schlag auf Schlag: Am 9. Februar spielen sie in der Ed Sullivan-Show. Der Auftritt wird zur Legende: 73 Millionen menschen sehen zu, etwa 40% der gesamten Bevölkerung. Das hat eine nachhaltige Wirkung auf unzählige zukünftige Rockstars, die genau hier ihre Initialzündung erhalten. Zu den noch Jugendlichen vor den Fernsehern gehören unter anderem Tom Petty, Gene Simmons, Billy Joel, Joe Perry, Nancy Wilson, Rick Nielsen und Richie Sambora, die allesamt zum ersten Mal „angefixt“ werden und fortan nichts anderes machen und sein wollen als einer von den Beatles. Am 11. Februar schließlich findet erneut unter unfassbarem Geschrei in Washington das erste US-Konzert statt.
Neun Tage bleiben die „Fab Four“ in den Staaten, was ausführlich dokumentiert und gefilmt wird. Und alle drehen sie durch: In der kurzen Zeit kauft die US-Bevölkerung mehr als zwei Millionen (!) Beatles-Tonträger und Merchandise für mehr als 2,5 Millionen Dollar, darunter Shirts, Mützen, Hosen, Pyjamas und sogar Kekse. Für den Rest des Jahres 1964 dominieren die Beatles die US-Charts, als Can’t Buy Me Love, A Hard Day’s Night, I Feel Fine, She Loves You, und Love Me Do allesamt Platz eins erreichen.
Diese Liebe hat Bestand: In den sechseinhalb Jahren zwischen I Want To Hold Your Hand und der letzten LP Let It Be (1970) steht im Schnitt in jeder sechsten Wochen eine Beatles-Single und in jeder dritten Woche ein Beatles-Album an der Spitze der Charts. Los ging alles mit diesem ersten Besuch ab 7. Februar 1964, der die Welt der populären Musik in den USA nachhaltig veränderte.
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