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Zeitsprung: Am 8.1.1991 tötet sich ein Teenager selbst. Pearl Jam schreiben den Song „Jeremy“ darüber.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 8.1.1991.

von Christof Leim

Die Nachricht ist tieftraurig: Am 8. Januar 1991 nimmt sich der 16-jährige Jeremy Wade Delle aus Texas das Leben. Er erschießt sich während einer Englischstunde vor den Augen der gesamten Klasse und der Lehrerin. Pearl Jam schreiben den ergreifenden Song Jeremy darüber.

Hört hier das Album Ten:

Eddie ist geschockt

Das schockt und bewegt Pearl Jam-Sänger Eddie Vedder sehr: „Du bringst so ein großes Opfer, um dich zu rächen. Aber alles, was du bekommst, ist ein kleiner Artikel in der Zeitung. Und nichts ändert sich, nichts. Die beste Rache liegt immer noch darin, weiterzuleben und stärker zu sein als diese Leute.“ Vedder schreibt daraufhin einen Songtext, weil er „das Bedürfnis verspürt, etwas Größeres aus diesem kleinen Artikel zu machen, ihm mehr Bedeutung zu verschaffen.“ Die Musik steuert Bassist Jeff Ament bei, und Pearl Jam nehmen das Stück für ihr Debütalbum Ten (1991) auf.

Das Video des Jahres

Jeremy wird als dritte Single ausgekoppelt und ein Hit. Sogar zwei Grammy-Nominierungen heimst die Nummer ein. Das liegt unter anderem an dem Video von Regisseur Mark Pellington, das ebenfalls mit Preisen überhäuft wird, darunter „Video des Jahres“ bei den MTV Awards 1993. (Pearl Jam reagieren darauf, indem sie bis 1998 keine weiteren Videos drehen.) Der Clip zum Song gipfelt in einer beklemmenden Szene, in der sich die Figur des Jeremy selbst tötet. Das kann und will MTV nicht zeigen, also sehen wir nur das Ende und die blutüberströmten, geschockten Schüler und Schülerinnen. Das wiederum wird vielfach falsch verstanden, als habe Jeremy seine Klasse angegriffen. Es existiert außerdem eine frühere, unveröffentlichte Version des Videos, bei der Chris Cuffaro Regie geführt hatte, die jedoch von Epic Records und MTV abgelehnt worden war.

Eine Tragödie, die sich angekündigt hat

Angeblich soll der für das Musikfernsehen entschärfte und damit missverständliche Clip Jahre später zur Vorlage bei drei schlimmen Morden gewesen sein: Im September 1997 erschießt der 14-jährige Barry Loukaitis im US-Bundesstaat Washington zwei Mitschüler und seine Mathelehrerin vor den Augen seiner Klasse. Ein Sportlehrer überwältigt den Jungen, Loukaitis wird den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Seine Verteidigung hatte unter anderem damit argumentiert, dass er den Pearl-Jam-Clip nachgeahmt hatte. Nach eigenen Angaben wurde Loukaitis schwer gemobbt, seine Eltern hatten sich getrennt, und seine Mutter war selbstmordgefährdet. Vor allem aber gab es in der Familie viele Fälle von Depression. Hilfe bekam er nicht, stattdessen wählte er sich eine Figur aus dem Stephen-King-Roman Amok zum Vorbild, die ein ähnliches Verbrechen in einer Schule begeht. Traurig und erschreckend. Wir wünschen uns, dass alle mit solchen Problemen wie Jeremy und Barry die nötige Behandlung bekommen und sich helfen lassen.

Verschiedene Cover der Jeremy-Single

Noch eine Geschichte

Hinter Eddie Vedders Songtext steckt übrigens noch eine zweite, weniger bekannte Geschichte, wie der Sänger damals in einem Interview ausführt: „Es gab da jemanden auf meiner High School in San Diego, der in einem Klassenzimmer um sich geschossen hatte. Mit dem Typen hatte ich vorher ein paar Mal Streit. Der Song handelt also von einem Jungen namens Jeremy und einem Jungen namens Brian, den ich kannte und gleichzeitig nicht kannte. Aber glaubt mir, ich denke an Jeremy, wenn ich das Stück singe.“

Depressiv? Hier bekommst du Hilfe: Wenn du selbst depressiv bist oder Selbstmordgedanken hast, kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du Hilfe von Beratern, die dir Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.