Geschichten vom Breaken, Popping und Twerken - Teil I
„Du kannst dumm in der Ecke stehen, ich will lieber tanzen gehen“ krächzte schon Torsun von Egotronic im Song „Lustprinzip“ und bot somit den perfekten Soundtrack hedonistischer Indietronic-Kids des frühen Millenniums. Dass allerdings nicht nur im Rahmen einer ekstatischen Partynacht getanzt wird, sondern sich über verschiedenste Musikrichtungen und Kulturkreise diverse Absichten und Formen in Tanzstile einschreiben, ist hinlänglich bekannt. Tanzen als Ausdrucksform ist beispielsweise im Hip Hop mit gekonnt betonter Körperlichkeit verbunden. Die Assoziationskette kann sich dabei noch weiter knüpfen mit Schlagworten wie beispielsweise Zugehörigkeit (Dance Crews), Improvisationstalent (Dance Battles), Jugendlichkeit, Vielseitigkeit oder Rebellion. Weniger rebellisch als unnötig provokant zeigt sich hingegen das virale Phänomen des Twerkens, das wir im ersten Teil beleuchten wollen.Twerk til it hurts
Im Angesicht von Mileys Performance und dessen viraler Verbreitung könnte man Twerken ähnlich dem Macarena oder Las Ketchup Tanz als kurze (Internet)Plage abtun – doch da das Wörtchen „twerk“ nun sogar Eingang ins Oxford English Dictionary fand [twerk, v.: dance to popular music in a sexually provocative manner involving thrusting hip movements and a low, squatting stance], lohnt sich eine nähere Betrachtung. Bereits in den frühen 90ern sind die ruckartigen Hüftbewegungen in der Hip Hop Kultur zu beobachten. Mit der Verbreitung des Southern Hip Hop Anfang der 00er Jahre begann der Siegeszug des sexuell provokativen Tanzstils. Die körperliche Provokation fand schließlich auch Eingang in die Lyrics von Musikern wie den Ying Yang Twins „Whistle While You Twurk“ oder Bubba Sparxx „Twerk a Little”. Die genaue Namensherkunft ist bis heute ungewiss, da es vorranging in oraler Form Verbreitung fand. Allerdings klingt die geläufige Erklärung, dass sich „twerk“ von der Wortkombination aus „twist“ und „jerk” ableitet, durchaus plausibel. Obwohl die öffentlichen Reaktionen (neben Nachahmung auch breitflächige Empörung) ähnlich denen sind, die in den 60ern Chubby Checker's „The Twist“ und dessen gleichnamiger Tanzstil auslöste. Eine derartige Verbreitung diverser how to’s/fail/LOL-Videos einer einzigen Tanzbewegung über die Newsfeeds weltweit ist durch die jetzigen medialen Möglichkeiten allerdings neu.Mehr als Arschwackeln
Streetdance sowie Hip Hop Dance als eine Unterkategorie sind Spielarten eines Tanzstils in dem urbane Coolness und Körperbewusstsein eine Symbiose bilden. Diese Tanzarten sind nicht klar voneinander trennbar, da sich viele Bewegungen nicht eindeutig zuordnen lassen. Beide haben ihren Ursprung allerdings auf der Straße und wurden aus den dort vorgeführten Bewegungen und Einflüssen (Lambada, Capoeira, Samba, Cha-Cha, Jazz, Tecktonik u.a.) geboren. Streetdance kann dabei allerdings als Oberkategorie gefasst werden, während Hip Hop Dance meist immer eine Identifikation mit der Jugendkultur Hip Hop impliziert. Die Kommerzialisierung dessen erfolgte maßgeblich in den 90ern und 00er Jahren als amerikanische Filme wie Honey, Streetstyle oder Step Up vermehrt die hiesigen Kinos fluteten. Es schossen Hip Hop Tanzstudios nach amerikanischem Vorbild wie Pilze aus dem Boden und besserten die Urlaubskasse von selbsternannten Dancegurus auf. Die bekanntesten Styles, die dort gelehrt werden, heißen Breaking, Locking oder Popping und entstanden im Amerika der 70er Jahre, wo sie durch gegeneinander antretende Dance Crews populär gemacht wurden. Fernsehshows und Filme wie Breakin' oder Wild Style zeigen diese Crews und ließen deren Ausdrucksformen in den Mainstream fließen. Daraus entstand in den folgenden Jahren ein durch die Tanzstudios etablierter kommerziellerer Stil namens New Style sowie neue Spielarten des Jazz Dance. Elemente der Tanzstile, die vormals nur auf der Straße stattfanden, hielten Einzug in zunehmend komplizierte Choreografien etablierter Tanzlehrer – somit fand ein Tanzstil erstmals gleichermaßen innerhalb der Studios als auch außerhalb auf Raves, Block Partys oder eben der Straße statt. Die amerikanischen Großstädte, in den sich die unterschiedlichsten ethnische, kulturelle oder musikalische Einflüsse aufeinander treffen konnten, boten dabei den perfekten Nährboden für die Entwicklung verschiedener Stile, die im nächsten Teil ausführlicher erläutert werden sollen.Passend zum Thema:
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