Featured Image
Foto: Brian Ziff

„EVERYONE’S A STAR!“ von 5 Seconds Of Summer: Wenn Selbstironie und Reife auf Pop-Glanz treffen

Bitte Zählermarke einfügen

Drei Jahre nach ihrem letzten Studioalbum 5SOS5 melden sich 5 Seconds Of Summer mit einem lauten, glitzernden und erstaunlich reflektierten Statement zurück. EVERYONE’S STAR!: Der Titel klingt nach einer ironischen Übertreibung, nach Scheinwerferlicht und Glamour, nach einer Band, die ihr eigenes Image einmal kräftig durch den Pop-Schredder dreht. Doch dahinter steckt mehr: ein selbstbewusstes, facettenreiches Werk, das den Spagat zwischen augenzwinkernder Selbstinszenierung und ehrlicher Emotion meisterhaft hinbekommt.

Zwischen Boyband-Mythos und musikalischer Emanzipation

Als 5 Seconds Of Summer vor über zehn Jahren als jugendliche Pop-Punk-Hoffnung aus Sydney auf die Weltbühne traten, galten sie für viele als typisches Boyband-Phänomen. Heute, mit Ende 20 und einem halben Dutzend Alben im Gepäck, definieren Luke Hemmings, Calum Hood, Ashton Irwin und Michael Clifford, was es heißt, „Star“ zu sein, völlig neu. „Dieses Album spiegelt mehr unseren ursprünglichen Geist wider – allerdings mit 15 Jahren Weisheit und einer Prise rücksichtsloser Unbekümmertheit“, sagt Luke Hemmings über das Projekt. Und genau das hört man.

Während EVERYONE’S A STAR! formal aus zwölf sehr unterschiedlichen Songs besteht, funktioniert das Album weniger als lose Aneinanderreihung einzelner Momente, sondern vielmehr als dramaturgische Reise. 5 Seconds Of Summer nutzen die Tracklist wie ein Spannungsbogen: Die ersten Songs preschen mit humorvoller Selbstironie und clubtauglicher Energie voran, bevor das Album in seiner Mitte aufbricht und emotionaler, verletzlicher und textlich introspektiver wird. Synth-getränkte Dancefloor-Momente, nostalgischer Boyband-Pop und überraschend indie-geprägte Balladen stehen hier nicht nebeneinander, sondern kommentieren sich gegenseitig. Das Ergebnis ist ein Werk, das bewusst mit Erwartungshaltungen spielt: Mal feiern 5SOS den Mythos „Boyband“, mal reißen sie ihn ironisch ein, nur um ihn später in neuen, erwachseneren Formen wieder aufzubauen. So entsteht ein Album, das seine Vielseitigkeit nicht versteckt, sondern stolz ausstellt.

Everyone’s A Star im Circle Store:

Ein lauter, selbstbewusster Auftakt

Der Titeltrack Everyone’s A Star! eröffnet das Album mit einem selbstironischen Knall. Der Refrain, wie auch das gesamte Sounddesign, wirkt groß, hymnisch und mit einer Portion Pop-Theatralik versetzt. 5SOS inszenieren sich als Headliner ihrer eigenen Show und laden dazu ein, zwischen Glitzer und Kritik mitzutanzen. Mit NOT OK folgt gleich ein frühes Highlight. Der Song schiebt sich mit seinem energiegeladenen Beat und einem funkigen Gitarrensolo in den Vordergrund und wirkt wie ein Update des typischen 5SOS-Sounds, vertraut, aber kantiger. „Die Single hat die Energie der älteren 5 Seconds Of Summer, aber sie ist anders“, beschreibt Luke den Song selbst und trifft damit den Kern der neuen Ära.

Die Nacht gehört den Gefühlen

Spätestens mit dem Track I’m Scared I’ll Never Sleep Again kippt die Stimmung, und das im besten Sinne. Der Song ist ein stiller, melancholischer Höhepunkt des Albums. Eine nächtliche Autofahrt durch Einsamkeit und Sehnsucht. „Every bed is cold without your body in it“, singt Luke. Eine Zeile, die die sonst so grelle Popwelt plötzlich intim und verletzlich macht. Ghost nimmt das Tempo weiter heraus. Weiche Melodien, eine schwebende Bridge und die Zeile „I don’t want to go to sleep ‘cause I’m afraid of what I’ll see“ zeigen eine Band, die keine Angst mehr hat, Schwäche zuzulassen. Spätesten hier offenbart sich die wohl größte Stärke von EVERYONE’S A STAR!. Nämlich seine Fähigkeit, zwischen Euphorie und Melancholie nahtlos zu wechseln, ohne den Hörfluss dabei zu unterbrechen. 

Pop, der sich selbst versteht

Nach der emotionalen Mitte kehrt mit Sick Of Myself das Licht zurück. Trotz des selbstkritischen Textes („Wish I was somebody else“) ist der Song ein sommerlicher Gitarrenpop-Moment, der unbeschwert und tanzbar klingt. Es ist, als würde die Band ihre eigene Müdigkeit vertreiben. Evolve führt diesen Impuls fort, diesmal mit elektronischen Einflüssen, die fast schon clubtauglich sind. Mit The Rocks folgt einer der lyrisch stärksten Tracks. Zwischen Selbstzweifel und philosophischer Müdigkeit („You said that life’s one hell of a ride / So why’s it passing me by?“) formulieren 5SOS ein ehrliches Porträt des Erwachsenseins im Rampenlicht.

Sanfter Abschied mit Nachhall

Jawbreaker schließt das Album, wie es sich für ein gutes Pop-Drama gehört, mit Gefühl. Sanfte Synths, weicher Gesang und eine schwebende Melancholie lassen EVERYONE’S A STAR! leise ausklingen. Es ist ein Ende, das offen bleibt, aber zufrieden macht.

Glitzer mit Substanz

Mit EVERYONE’S A STAR! beweisen 5 Seconds of Summer, dass Popmusik klug, selbstreflektiert und gleichzeitig verdammt unterhaltsam sein kann. Das Album balanciert zwischen Stadionhymnen und intimen Momenten, zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit, zwischen jugendlichem Überschwang und erwachsener Klarheit.

Die „Boyband“ sind heute Artists, die sich selbst verstehen, sich gereift präsentieren und mit einem Lächeln im Gesicht weiterentwickelt. 

Weiter stöbern im Circle Mag: