Lässt Sabrina Carpenter sich, wie das kontroverse Albumcover es vermuten lässt, zum erniedrigten „Man’s Best Friend“ machen? Nein, tatsächlich hält sie hier meist der Männerwelt – und sich selbst – den Spiegel vor.
Viel Diskussion ums Artwork
Was war der Aufruhr groß, als Sabrina Carpenter vor ein paar Monaten ihr Albumcover zu Man’s Best Friend präsentierte! Eine kniende Sängerin, die von einer Person an den Haaren gezogen wird – das wirkte in Kombination mit der Hunde-Anspielung im Albumtitel nicht nur provokant, weil sexuell-submissiv, sondern erniedrigend. Manche warfen ihr vor, häusliche Gewalt zu verharmlosen, unter dem Deckmantel des Feminismus. Andere sahen darin Carpenters typische Selbstironie und Sexpositivität.
Nun, da wir auch die Songs auf Man’s Best Friend hören können, kann man dazu zumindest sagen: Ironisch und sexpositiv ist Carpenter immer noch, das unterstreicht dieses Album nur noch mehr – und sie lässt sich hier überhaupt nichts von Männern befehlen. Meistens zeigt sie sich eher als die Person, die die Männer an der metaphorischen Leine führt, also quasi eine Umkehr dessen, was das Albumcover suggeriert. Diese Erklärung hier soll aber natürlich nicht infrage stellen, weshalb manche Betroffene von häuslicher Gewalt durch das Bild auf dem Cover irritiert wurden.
Man’s Best Friend fürs Plattenregal:
Charmante Mittelfinger
Aber ja: Sabrina Carpenter ist hier die dominante Person, die mit Männern spielt. Entweder macht sie sich über unreife Typen lustig (Manchild), wickelt sie um den Finger (House Tour) oder wirft sie mit charmanten Mittelfingern aus ihrem Leben (Never Getting Laid, Goodbye).
Einer der wohl amüsantesten Songs ist Tears. Darin zeigt sich Carpenter ironisch extrem beeindruckt von einem Mann, der auch nur minimal verantwortungsbewusst und selbständig ist, mit Zeilen wie „A little communication, yes, that’s my ideal foreplay / Assemble a chair from IKEA, I’m like, ‚Uh‘“. Im Refrain nimmt das ganze aber eine interessante doppelte Ebene an. „I get wet at the thought of you being a responsible guy / […] Tears run down my thighs“, singt sie, was zum einen zeigt: Der Gedanke eines vernünftigen Mannes ist für sie unwiderstehlich attraktiv; gleichzeitig aber beweint sie diese Vorstellung eines anständigen Typens – weil sie so unwahrscheinlich und selten ist.
Und natürlich macht sie sich nicht nur über ihre Partner lustig, sondern auch über sich selbst. Ihre eigenen Niederlagen im Dating-Leben muss sie sich eingestehen, ohne in Selbstmitleid zu versinken, sondern indem sie das zelebriert. Auf Instagram beschreibt sie Man’s Best Friend als „eine Party für Herzschmerz, eine Feier der Enttäuschung! Es bedeutet, über sich selbst und seine schlechten Entscheidungen zu lachen, während alles auseinanderfällt, und sich zu fragen, wie Loyalität und Liebe einen immer wieder auf das dritte Rad zurückbringen können – sarkastisch gesprochen wie eine echte 25-Jährige!“
Gelungene Hommagen
Ihre ironische Persönlichkeit wird durch die Musik unterstrichen. Die Arrangements sind teilweise so prunkvoll und übertrieben, dass man gar nicht auf die Idee kommt, Carpenters Texte allzu ernst zu nehmen. Das streicherdominierte Ende in Never Getting Laid klingt, als wäre die Abfuhr an ihren lügenden Ex ein märchenhaftes Erlebnis. Die plötzlich langsame Bridge in Go Go Juice klingt so betrunken, wie der Text es beschreibt. Und die ABBA- und Mariachi-Anleihen in Goodbye klingen nach einer fulminanten, tragischen Abschiedszeremonie, obwohl sie sinngemäß sagt: „Verpiss dich!“
Die Genres, die auf Man’s Best Friend mit dem modernem R&B-Stil vermischt werden, sind noch diverser als zuvor: Country, Disco, Soul… immer mit einem gewissen Retro-Touch und klaren Erinnerungen an andere Künstler:innen. Das Instrumental in House Tour schreit nach der Dangerous-Ära von Michael Jackson; das Gitarrensolo in Sugar Talking lässt das Glam-Rock-Herz aufflammen. Das hat zum einen einen parodisierenden Charakter, der die Songs augenzwinkernder macht; zum anderen sind diese Hommagen auch sehr gut gelungen – Produzent:innen wie Jack Antonoff wissen schließlich, was sie tun.
Den Status manifestieren
Dem erwarteten Status als eines der Pop-Alben des Jahres wird Man’s Best Friend auch dadurch gerecht, dass es genug Ohrwürmer gibt. Vorab wurde zwar nur eine einzige Single releast, was ungewöhnlich ist, aber signalisiert: Sabrina Carpenter hat so einen Star-Status, dass sie sich das erlauben kann. Denn an potenziellen Hits mangelt es hier definitiv nicht, da könnte man noch einige Singles auskoppeln. Die Melodien und Grooves in Tears, My Man On Willpower oder Nobody’s Son sind besonders catchy. Die zweite Hälfte des Albums wirkt etwas schwächer als die erste. Aber insgesamt präsentiert Sabrina Carpenter sich als verdiente Pop-Queen, die ihre Rolle und Persönlichkeit hier nur noch klarer manifestiert.