Die Jazzsängerin und der Techno-Pionier: Vor zehn Jahren erscheint das faszinierende Duettalbum Convergence von Malia und Boris Blank. Die Freiheit des Jazz tropft durch kosmische Klangwelten – auch ein Jahrzehnt später ein Erlebnis. Eine neue durchsichtige Vinyl-Sonderauflage würdigt den modernen Klassiker.
Boris Blank ist ein Sucher. Ein Forscher. In seinem Studio hoch über dem Zürichsee, mitten in einem Zauberwald gelegen, tüftelt und feilt er wie ein Alchemist an neuen Klanglegierungen, Geräuschen, Tönen, Melodien und Sounds. Gern und häufig für die Elektro-Pioniere Yello; aber eben längst nicht nur. Blank macht Musik für sich, erschafft Klangwelten, um den Kosmos zu durchmessen und idealerweise Erleuchtung zu erlangen. Das führt ihn regelmäßig raus aus seiner Komfortzone – und in die Arme spannender Projekte.
Zu feminin für Yello
Wie das mit der Jazzsängerin Malia. 2010 lernen die beiden sich kennen, verstehen sich auf Anhieb als Kinder im Geiste. Sie möchte sich der elektronischen Musik annähern, er ist eh immer auf der Suche nach neuen Stimmen, neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Sofort denkt Blank an diese Stücke, die er eigentlich für Yello geschrieben, aber nie mit seinem jahrzehntelangen Partner Dieter Meier aufgenommen hatte. „Es gibt immer mal wieder Stücke, wo er sagt: ‚Ach Boris, das ist Musik, in der ich mich nicht wohlfühle‘“, so Blank 2014 im Spiegel. „Damit meint er Songs, die mehr zu einer femininen Stimme passen, und die dann ausgemustert werden. Als mich Malia vor längerer Zeit fragte, ob wir etwas zusammen machen wollen, dachte ich an diese Stücke.“ Und wie es der Zufall so will, passen diese Stücke ganz wunderbar zu Malias Texten.
Malia & Boris Blank im Circle Store:
Shirley Bassey trifft Nina Simone
Mit Convergence erschaffen die beiden ein Album irgendwo zwischen der kühnen Bond-Stilistik einer Shirley Bassey (mit der Blank übrigens auch schon gearbeitet hat!) und der profunden Tiefe von Nina Simone. Die Musik ist sinnlich, aber auch schmerzerfüllt, ein Werk direkt aus dem Innersten gerupft. Verpackt in eine intensive, nahbare Produktion, besteht das Album aus tragischen, dramatischen Hymnen über Geister, Prostituierte, Sklaven, Krankheit, Spiritualität und natürlich Liebe. „Vielleicht ist es Soul, in dem Sinne, dass diese Musik aus der Seele kommt“, so sagt Malia damals zum Album. „Für mich gehen die Wurzeln dieser Stücke sogar noch weiter zurück, zu Gospel und Blues – sie sind ebenso direkt wie ehrlich.“
„Musik hat mir schon immer Kraft gegeben“
Die 1978 in Malawi geborene Sängerin schüttet ihr Herz in den Stücken aus, singt sprichwörtlich um ihr Leben: Am Anfang ihrer Zusammenarbeit mit Boris Blank erhält sie die niederschmetternde Diagnose Brustkrebs, verarbeitet ihren Kampf gegen das Monster in ihrem Körper in den berührenden Songs Embraceable Moon oder Touching Ghosts. „Als ich anfing mit Boris zu arbeiten, hatte ich gerade die Diagnose Brustkrebs bekommen. Inzwischen habe ich ständig und immer wieder Behandlungen gehabt. Beide Brüste wurden amputiert. Das Schlimmste war allerdings der Gedanke, nicht für meine inzwischen sechsjährige Tochter da sein zu können“, so die Sängerin. „Sie hat mir viel Kraft gegeben und mir in gewissem Sinne auch keine Wahl gelassen: Sie brauchte mich, also konnte ich unmöglich sterben. Musik hat mir schon immer Kraft gegeben, also habe ich mich nach der Diagnose umso mehr in meine Musik gestürzt.“ Und nahm mitten in der Zusammenarbeit mit Boris Blank auch noch ihr der großen Nina Simone gewidmetes Album Black Orchid auf. Pure Willenskraft.
Cool Jazz trifft wabernde Elektronik – bei seiner Veröffentlichung 2014 wird Convergence zum Erfolg und Kritikerliebling. Es kommt damals auf schwarzem Vinyl, das sich noch heute auf vielen Plattentellern dreht. Zum zehnten Geburtstag dieser außergewöhnlichen Kollaboration erscheint das Album aber auch neu auf transparentem Clear Vinyl, was fast noch besser zu dieser zeitlosen Coolness des Albums passt. 2024 wie 2014 ist klar: Diese beiden wären das perfekte Paar für einen Bond-Song.