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Foto: Michael Putland/Getty Images

„Zeit“: Tangerine Dreams Ambient-Monumentalwerk wird 50 Jahre alt

Visionäres aus der Berliner Schule: Mit Zeit (Untertitel: „Largo in four movements“) veröffentlichte die legendäre und prägende Berliner Band Tangerine Dream im August 1972 nicht nur eines der wichtigsten Ambient-Alben aller Zeiten – sondern auch eines der ersten.

von Markus Brandstetter

Hier könnt ihr euch Zeit von Tangerine Dream anhören:

Das Cover zeigt eine totale Sonnenfinsternis, das Album ist in vier Stücke aufgeteilt, die jeweils eine ganze Seite einer LP füllen. Als Tangerine Dreams 1972 Zeit veröffentlichten, hatte sich ihre Musik von den jazzigen Musique-Concrete-Anfängen bereits hin in Richtung Fokus auf Elektronik verlagert. Dabei gibt es mehrere Faktoren, die Zeit so (gleichermaßen biografisch als auch musikalisch) denkwürdig und wichtig machen. Einerseits für Tangerine Dream selbst, denn der Longplayer war das erste Mal, dass man das prägende Line-up Edgar Froese (Sound Generator, Glissando-Gitarre) , Chris Franke Keyboards, Cymbals, VCS3-Synthesizer) und Baumann (Sound Generator, Orgel, VCS3-Synthesizer) gemeinsam auf Platte hörte.

Es war auch das erste Mal, dass Tangerine Dream auf Langstrecke den Moog-Synthesizer einsetzten. Eingespielt wurde dieser von Florian Fricke von Popol Vuh. Neben Fricke waren als Gastmusiker auch das Cologne Cello Quartett — bestehend aus Christian Vallbracht, Joachim von Grumbkow, Hans Joachim Brüne und Johannes Lücke – vertreten. Das Orgel-Outro auf Birth of Liquid Plejades spielt Ex-Tangerine-Dream-Mitglied Steve Schroyder.  Und, das hatten wir ja bereits angeschnitten: Zeit war ein Vorreiter in puncto Ambient. Zeit erschien ein Jahr vor No Pussyfooting von Robert Fripp und Brian Eno — dem ersten Ambient-Werk Enos. Zeit wurde im Studio von Dieter Dierks in Köln aufgenommen, erschienen ist es auf dem Label Ohr von Rolf-Ulrich Kaiser.

Ein wunderschönes, sperriges Album

Zeit ist ein wunderbar sperriges Album. Endlose Drones, die in ihrer Intensität schwanken, Sphärenklänge, Leere, Zwischenräume. Zeit dehnt die Zeit aus, komprimiert sie, verdichtet sie, hinterfragt sie als Konzept. Birth of Liquid Plejades heißt das erste Stück, irgendwann kommen zu dem endlosen Drone Cello-Linien… kratzende Celli, mäandernde Celli. Eine interstellare Etüde, die immer wieder in die Leere gleitet und sich neu aufbäumt, ganz langsam. Nebolous Dawn ist dann noch um ein ganzes Stück geräuschhafter, ist schwer, düster, beinahe bedrohlich. Kein Stück dauert unter 17 Minuten, das längste dauert knappe Zwanzig. Zeit ist wahrlich kein Wohlfühl-Ambient, Zeit ist eine Meditation auf die Leere, das Universum. Kosmische Musik, wie Band selbst meinte. Alle Stücke verschmelzen ineinander, gegen nahtlos ineinander über.

Es gibt aber innerhalb der Tangerine-Dreams-Fanschar offenbar durchaus gespaltene Meinungen über das Werk. Während die einen von einem zeitlosen Meisterwerk sprechen, halten es andere tatsächlich für ein schwächeres Album der Band. „Was für eine Schande! Die Musik besteht aus 2-3 brummenden Kühlschränken gleichzeitig, dazu ein tragbarer Ventilator, der sich hin und her dreht, um den ohnehin nicht vorhandenen Rhythmus zu erzeugen, und schließlich ein kommender Schwarm von bedrohlichen Killerbienen!“, schreibt etwa ein Rezensent durchaus humorvoll auf der Website „Progarchives“.

Pioniere der Berliner Schule

Zeit beweist, warum Tangerine Dream völlig zurecht als die wichtigsten Elektro-Pioniere Deutschlands — neben Kraftwerk natürlich — gelten. Mit dem Longplayer schufen Edgar Froese, Chris Franke und Peter Baumann einen ersten Meilenstein der Ambient-Musik – ein Zeugnis dessen, was für ein visionäres Musik-Biotop Berlin und die „Berliner Schule“ in den frühen 1970er-Jahren waren. Egal, ob man das jetzt Krautrock (Froese hasste das), kosmische Musik, Dark Ambient oder sonst wie nennen möchte.

Sehr empfehlenswert ist übrigens auch eine 2011 erschienene Limited Edition des Albums, bei der eine zweite CD dabei ist. Darauf zu hören ist die Klangwald Performance, die im November 1972 im Großen Sendesaal des Rundfunkhauses Köln aufgenommen wurde. Zwei Teile, der eine 37:23, der andere 40:41 lassen einen noch tiefer in die düstere Ambientwelt eintauchen.

Ein großes Album einer großen Band.

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