Am 29. September 2009 veröffentlichen Paramore ihr drittes Studioalbum Brand New Eyes. Statt die Welle des Pop-Punk und Emo in die seichten Gewässer mitzusurfen, macht sich die Band um Hayley Williams mit der Platte auf zu neuen Ufern – eine Reise, die sich noch heute auszahlt. Paramore betrachten auf Brand New Eyes die Welt mit neuen Augen.
2009: Popkulturell schreiben wir das Jahr von Avatar, Obama und „Kanye vs. Taylor“. Vor allem aber hallt die Veröffentlichung des ersten Twilight-Films im November 2008 nach, und Boulevardblätter wie Blogs sezieren dessen Stars und Stories. Mit dabei sind Paramore, deren Song Decode sich auf dem Soundtrack des Vampir-Streifens findet. Man kennt die Gruppe bis dato durch Pop-Punk- und Emo-Nummern wie Misery Business, Crushcrushcrush oder Hallelujah, die auch in Games wie Guitar Hero World Tour oder Rock Band auftauchen.
Nach Decode steht nun das dritte Album der Band an. Neue wie alte Fans erwarten weitere Genre-Klassiker, stattdessen wagen Paramore mit Brand New Eyes den Aufbruch in neue Sound-Welten. Wie kommt es dazu?
Paramore-Drama: Hayley Williams & die Farro-Brüder
Innerhalb der Band gibt es schon lange vor dem Release von Brand New Eyes Spannungen – speziell zwischen Sängerin Hayley Williams und den Brüdern Josh und Zac Farro, die damals Leadgitarre beziehungsweise Schlagzeug besetzen. Aus dem späteren öffentlichen Schlagabtausch lässt sich rekonstruieren: Es geht einerseits um religiöse Überzeugung, so soll sich Josh Farro gegen Homosexualität positioniert haben, während der Rest der Band und insbesondere Williams sich für LGBTQIA+-Rechte einsetzen. Andererseits dürfte das Ende der Liebesbeziehung zwischen Hayley und Josh das Zerwürfnis zusätzlich verschärft haben. Ende 2010 – über ein Jahr nach Veröffentlichung des Albums – verlassen die Geschwister die Gruppe. Drummer Zac soll einige Jahre später zurück in den Schoß der Band kehren und sich von seinem Bruder distanzieren.
Diese ungemütliche Stimmung scheint die Kreativität der Kombo jedoch zu fördern: Brand New Eyes zeigt eine Weiterentwicklung hin zu komplexeren Arrangements und einer nuancierten Klanglandschaft, die gleichzeitig die volle Pop-Power von Williams’ Stimme entfalten. Produzent Rob Cavallo (Green Day) trägt dazu bei, den Sound der Band zu verfeinern und neue, radiotauglichere Facetten zu erkunden.
Brand New Eyes: Paramore in der Selbstfindungsphase
Das hört man selbst bei Tracks wie Ignorance oder Brick By Boring Brick, die an den typischen Paramore-Sound erinnern, aber besonders bei balladesken Nummern wie All I Wanted und The Only Exception. Inhaltlich zeigen sich passend zur Konfliktsituation Motive wie Selbstfindung und das Überwinden von Herausforderungen. Die Fans lieben diese tiefe, aber dennoch eingängige Version von Paramore und feiern die Songs von Brand New Eyes bis heute lautstark mit.
Auch kommerziell darf sich die Band etwas auf Brand New Eyes einbilden: 32 Wochen in den US-Charts inklusive Debüt auf Platz 2, eine noch bessere Performance in den Rock- und Alternative-Charts; auch in den deutschen Albumcharts startet die Dritte von Paramore in den Top Ten. Die Gruppe legt damit den Grundstein für etwas, das nur wenigen Pop-Punk-Acts gelingt: eine langlebige Karriere im Alternative-Bereich, samt Ausflügen in New-Wave- und Math-Rock-Gefilde. 2024 krönt diese Karriere der Grammy für das beste Rock-Album. Brand New Eyes machte aus Paramore womöglich „the only exception“.