Zeitsprung: Am 2.11.1990 erscheint der Film „Graffiti Bridge“ mit Prince – und floppt.
popkultur02.11.20
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.11.1990.
von Jana Böhm und Christof Leim
Als Graffiti Bridge am 2. November 1990 in den Kinos anläuft, soll der Film die Karriere von Prince in seinem Heimatland USA wieder ordentlich vorantreiben. Denn gut läuft es für den Multiinstrumentalisten seit Ende der Achtziger nicht mehr. Die Verkaufszahlen sinken, und sein Soundtrack zum Kassenschlager Batman bringt auch nur einen kurzen Aufwind mit sich. In cineastischer Hinsicht geht das Comeback ziemlich schief, aber immerhin kann das dazugehörige Album punkten.
Hört euch hier das Album Graffiti Bridge an:
Graffiti Bridge bildet die Fortsetzung des erfolgreichen Films Purple Rain von 1984, in dem Prince den jungen Musiker Kid spielt, der sich im First Avenue Club in Minneapolis einen erbitterten musikalischen Wettkampf mit Morris Day und dessen Band The Time liefert. In Graffiti Bridge treffen wir wieder auf Kid und Day, letzterer erneut gespielt vom echten Morris Day, einem alten Freund und Kollegen von Prince. Den beiden gehört in der Erzählung mittlerweile gemeinsam der Nachtclub Glam Slam, verfeindet sind sie immer noch.
Das FilmplakatRivalen, Engel und Poesie
Morris Day hat es zudem auf weitere Clubs im sogenannten Seven Corners Viertel abgesehen. Er versucht, Kid zu erpressen und macht ihm das Leben schwer, um an Geld zu kommen und den Laden Glam Slam komplett zu übernehmen. Kid lenkt sich ab und verbringt seine Zeit damit, Lieder zu komponieren und Briefe an seinen verstorbenen Vater zu schreiben, bis er auf die bezaubernde Aura trifft und sich verliebt. Selbstredend hat Morris Day ebenfalls ein Auge auf sie geworfen.
Doch was beide nicht ahnen: Die Traumfrau ist ein gesandter Engel, der die Erzrivalen zu einem gerechteren Leben führen soll. Wenn sie sich nicht gerade ohne Sinn in verschiedenen Nachtclubs materialisiert und dann auf wundersame Weise wieder verschwindet, wirkt Aura wie eine Art Beatnik. Sie schreibt Gedichte und sitzt an der Graffiti Bridge, einem Ort, den das Drehbuch mit dem Himmel gleichsetzt. Während Kid vollends dem schönen Engel verfällt, nimmt Morris Day mit seiner Band den alten Wettstreit wieder auf. Er versucht, Kid den Rang abzulaufen, um letztendlich den Club allein zu führen. Fast zu spät fordert Kid Day und The Time zu einem musikalischen Kampf um das Glam Slam heraus und gewinnt am Schluss mit einer schmalzigen Ballade.
In der Luft zerrissen
Als der Film im November 1970 erscheint, kann die gesammelte Filmkritik kaum fassen, was man da zu sehen bekommt. Graffiti Bridge wird auf ganzer Linie zerrissen und in fünf Kategorien für die Goldene Himbeere nominiert, den amerikanische Negativ-Filmpreis, darunter schlechtester Film, schlechtester Schauspieler (Prince), schlechtester Regisseur (Prince), schlechtestes Drehbuch (Prince) und schlechtester neuer Star (Ingrid Chavez). Autsch.
Die New York Times vergleicht Princes Filmregie und Schauspielkunst mit seiner ebenso wenig vorhandenen Eignung zum Präsidenten. Richard Harrington von der Washington Post setzt noch einen drauf: „Wir sprechen hier von einer großen Katastrophe, dem Dynamit, das wahrscheinlich Prince zunehmend wackeligen Ruf als Pop-Genie zerstören wird. Jemand halte ihn auf, bevor er wieder filmt!“ Die Los Angeles Times nennt den Streifen ebenfalls „schrecklich“, verteidigt aber seine Existenz mit der Qualität der Musik. An diesem Punkt scheint man sich dann doch einig und positiv gestimmt zu sein.
Miese Handlung, aber große Musik
Das gleichnamige Album Graffiti Bridge bildet quasi den Soundtrack, die 17 Songs ertönen in gleicher Reihenfolge auch im Film. Laut LA Times ist die Platte voll von „Rock’n’Roll der Klasse A, mitreißend gut gespielt. Es bewegt sich, es schwingt, es springt und vibriert. Es ist ein Musical.“ (LA Times). Die Platte landet auf Platz sechs (USA) bzw. vier (Deutschland) und verkauft sich hochgelobt knapp zwei Millionen Mal.
Prince bei der Filmpremiere am 1. November 1990 in New York . Foto: Ron Galella, Ltd./Ron Galella Collection via Getty ImagesFünf Titel singen Mavis Staples, Tevin Campbell und The Time. Bei weiteren Stücken sind illustre Gäste wie Candy Dulfer, Clare Fischer, George Clinton, Junior Vasquez, Rosie Gaines und Sheila E. vertreten. Ganz nebenbei schließt Prince mit diesem Soundtrack ein musikalisches Kapitel in seiner Karriere ab, denn kurz nach der Veröffentlichung stellt er seine neue Begleitband namens The New Power Generation zusammen, mit der er bis zu seinem Tod spielt.
Zu viel Ego
The-Time-Bassist Terry Lewis erzählt später in einem Interview, dass Graffiti Bridge eigentlich seine Band weiterbringen sollte. Doch irgendwie verliert sich die ganze Geschichte, irgendwann geht es doch nur um Prince. The Time stellen im Film sich selbst dar, treten allerdings als Gangster-Pack auf, für das wenig Sympathie aufkommen will. Stattdessen wirkt Prince am Ende wie der traurige Held, mit dem das Publikum mitfühlt.
Ähnlich wie sein Vorgänger Purple Rain könnte auch Graffiti Bridge autobiografische Züge tragen. So ist Prince im wahren Leben tatsächlich Mitbesitzer des Clubs Glam Slam. Sein Verhältnis zu Morris Day ist zwar freundschaftlich, aber auch kompliziert.
Am Ende erweist sich der Film als kommerzieller Misserfolg, der an den Klassiker Purple Rain nicht anknüpfen kann. Prince sagt später: „Das war eines der reinsten, spirituellsten und erhebendsten Dinge, die ich je getan habe. Es war gewaltfrei, positiv und hatte keine offensichtlichen Sexszenen. Vielleicht dauert es 30 Jahre.“ So manch ein Film mag erst viele Dekaden später ein Publikum erreicht haben, doch Graffiti Bridge bleibt weiterhin wohl eher etwas für wirkliche Die-hard-Fans des Künstlers.
Der Titel Graffiti Bridge stammt übrigens von einer Brücke in Eden Prairie, Minnesota, die einst für den Minneapolis & Saint Louis Railway gebaut wurde und mehrere Generationen lang als ein lokales und kulturelles Wahrzeichen galt. Die Brücke wurde Anfang der neunziger Jahre abgerissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen.
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