Interview mit Dean Lewis: „Ich war überzeugt, dass meine Karriere war zu Ende war“
popkultur18.10.24
Mit Be Alright katapultierte sich Dean Lewis in die Champions League der Singer/Songwriter. Vor seiner bislang größten Welttournee begeistert er mit seinem herbstlich-folkigen Album The Epilogue. Im Interview verrät der Australier, wie der Erfolg sein Leben verändert hat und was er manchmal vermisst.
Wer an Dean Lewis denkt, denkt zuerst an den Megahit Be Alright. Bald zwei Milliarden Mal wurde die gefühlvolle Ballade gestreamt und hat das Leben des australischen Songwriters gehörig durcheinandergewirbelt. Nach vielen Hochs und manchem Tief ist er mit The Epilogue zurück – einem folkig-herbstlichen Album, das nichts will und doch alles kann.
Dean, dein neues Album heißt The Epilogue. In einem Roman markiert der Epilog ja immer das Ende einer Geschichte. Bei dir ist es aber hoffentlich nur ein Titel?
Ja, es ist nur ein Titel. (lacht) Weißt du, ich lese sehr viel und sehr gern, und ich bin ein großer Fan von einem Epilog. Du hast natürlich recht, er steht immer am Ende eines Buches. Aber für mich ist der Epilog auch immer ein kleiner Blick in die Zukunft.
Du schaust also positiv auf alles, was vor dir liegt?
Das war nicht immer so, aber: ja. Mittlerweile tue ich das. Ich habe in den letzten Jahren viel gelernt. Die wichtigste Lektion war wahrscheinlich, dass man die Dinge nicht in der Hand hat. Dass man loslassen muss. Wirklich kontrollieren können wir eh nichts. Also können wir die Reise auch genießen.
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Das gilt dann also auch für deine gigantische Welttournee, die Ende Oktober in Australien startet? Ab 2025 bist du damit viele Wochen in Europa, Großbritannien und den USA unterwegs…
Es ist schon crazy. Die letzten Jahre habe ich gefühlt nur auf der Straße verbracht. Ich habe so viele Shows gespielt, dass ich selbst irgendwann nicht mehr mitkam. Das Spannende war aber, wie unterschiedlich diese Shows alle waren: Ich habe riesige Headliner-Konzerte in Arenen gegeben, aber auch kleine intime Clubkonzerte. Dann war ich in den Staaten auch als Support-Act für die Band AJR unterwegs. Und das waren einige der gruseligsten Momente für mich, kann ich dir sagen.
Wieso?
Ich will ehrlich sein: Es ist ein wunderschönes Gefühl, vor deinen Fans zu spielen. Zu wissen, dass sie deinetwegen da sind, dass sie dich tragen, alle Lieder mitsingen. Aber bei dieser Tour war es eher so, dass mich so gut wie keiner kannte. Also spielte ich zuerst Waves, immerhin mein zweitbekanntester Song. Und niemand sang mit. Niemand! Da ging mir ganz schön die Muffe. Bei Be Alright wusste ich dann: Jetzt gilt es. Und immerhin hörte ich da ein paar vereinzelte Stimmen, aber mehr auch nicht. Insgesamt war das eine extrem lehrreiche, aber auch erdende Erfahrung. Man kann eben nicht immer voraussetzen, dass dich eh alle lieben. Man muss jeden Abend um jede einzelne Person im Saal kämpfen. Ich denke, das hat mich besser auf meine eigenen Shows vorbereitet.
Du warst mittlerweile auf der ganzen Welt zu Gast. Bist du denn gern unterwegs?
Ich liebe das Reisen, aber: Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, wenn ich auf Tour bin. Ich bin an so vielen Orten, aber meistens sehe ich nur die Halle, das Hotel und die Radiosender. Dennoch ist es ein unglaubliches Gefühl, meine Musik auf der ganzen Welt spielen zu dürfen und all diese verschiedenen Menschen kennenzulernen. Und das ganze Essen zu kosten, natürlich. Ich habe mit aber fest vorgenommen, einfach mal wieder nur zu reisen. Fremde Länder zu entdecken.
Das heißt, du kannst schon auch mal abschalten? Die letzten Jahre sah das nämlich nicht so aus…
Guter Punkt. (lacht) Und wo ich gerade so darüber nachdenke: Meine letzte Tournee endete auf Hawaii. Mir gefiel es so gut dort, dass ich spontan beschloss, noch ein paar Wochen zu bleiben, um Urlaub zu machen. Das Ende vom Lied war, dass ich irgendwann meine Produzenten und Kollaborateure einflog und wir einen gehörigen Teil von The Epilogue dort schrieben. Also ja, gute Frage, ob ich wirklich abschalten kann. Ich weiß nur so viel: Nach dieser nächsten Tour werde ich auf jeden Fall Urlaub machen. Wie auch immer der dann aussieht. (lacht)
Ist dir das Album leichtgefallen?
Das ist eine schwierige Frage. In gewisser Weise ja, weil ich mir weniger Druck gemacht habe. Nach dem Erfolg von Be Alright wollte ich natürlich unbedingt noch einen großen Hit, das gebe ich gern zu. Aber diese Dinge kann man nicht erzwingen. Die zweite Platte The Hardest Love war wirklich schwer für mich, vor allem, als sie dann nicht die Erfolge einfahren konnte, die alle erwarteten. Ich war überzeugt davon, dass meine Karriere zu Ende war. Und das war ein lähmendes Gefühl. Von all dem konnte ich mich zwar nicht gänzlich freimachen, denn jeder, der sagt, er will keinen großen Hit, lügt einfach; ich habe aber akzeptiert, dass diese einfach Dinge passieren. Oder eben nicht.
Klingst du deswegen wieder ein wenig natürlicher, geerdeter, folkiger als auf The Hardest Love?
Ich denke ja. Mit dieser Platte habe ich begonnen, wieder rauer und akustischer zu werden. Wieder mehr nach mir selbst zu klingen, schätze ich. Ich habe versucht, die Einfachheit meiner Anfangstage aufleben zu lassen, und habe mich auf das konzentriert, was das erste Album so besonders gemacht hat.
Was hat Be Alright denn konkret mit dir gemacht?
Die Frage ist eher: was hat der Song nicht gemacht? (lacht) Es gibt ganz klar ein Davor und ein Danach. Der Song hat alles verändert. Hat mir alles ermöglicht. Auf einmal kannten mich die Leute, auf einmal ging alles ganz schnell. Es ist so absurd, aber es sind eher die kleinen Dinge. Wenn ich davor in einen Raum kam, habe ich mir mein Wasser selbst aus dem Kühlschrank geholt. Danach gab es jemanden, der mir eins geholt hat. Ich weiß nicht warum, aber das hat sich eingebrannt bei mir.
Hattest du das Gefühl, dass dieser Song etwas Besonderes ist?
Weißt du, das ist das Spannende: Ja. Aber das hatte ich bei zig anderen Songs auch, die bei weitem nicht so erfolgreich waren. Die Leute da draußen bestimmen darüber, was ein Hit wird und was nicht. Und ich möchte immer betonen, dass ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort war: Von Ed Sheeran, Sam Smith oder Lewis Capaldi kam damals nichts Neues, also konnte ich in dieser Art von Musik eine Lücke füllen.
Seitdem hast du viele schöne Lieder geschrieben. Aber hoffst du insgeheim, einen solchen Erfolg wiederholen zu können?
So etwas ist heute fast unmöglich, denke ich. Damals waren wir vielleicht eine Handvoll Singer/Songwriter dieser Größenordnung. Heute sind es wahrscheinlich zehnmal so viele. Außerdem diktieren nicht mehr YouTube oder Spotify, was ein Hit wird, sondern TikTok. Wie ich anfangs sagte: Diese Entscheidung wurde uns aus den Händen genommen. Und das ist auf seltsame Weise befreiend, denn jetzt kann ich mich einfach wieder auf das konzentrieren, was wirklich zählt: die Musik.