Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.10.2004.
von Timon Menge und Christof Leim
Bands wie T. Rex, Nirvana und U2 verdanken ihm eine Menge. Immer wieder kramt er als DJ im tiefsten Untergrund und fördert dabei echte Schätze zu Tage. Was John Peel für den Fortschritt der Rockmusik geleistet hat, lässt sich gar nicht so einfach in Worte fassen. Wir versuchen es anlässlich seines Todestags am 25. Oktober trotzdem.
Hier könnt ihr euch mehr als 26 Stunden Peel Sessions anhören:
Zur Welt kommt John Peel als John Robert Parker Ravenscroft am 30. August 1939 in Heswall bei Liverpool. Er wächst ganz in der Nähe auf, und zwar in Burton, wo er mit dem späteren Monty-Python-Mitglied Michael Palin zur Schule geht. Schon früh hängt er stundenlang am Radioempfänger und sammelt leidenschaftlich Schallplatten. In einem späteren Interview gibt er zu Protokoll, dass er schon als Junge mit dem Gedanken spielte, eine eigene Radiosendung zu moderieren, „damit er die Musik spielen kann, die er selbst gerne hört und die auch andere hören sollten“.
Im Alter von 21 Jahren zieht es den Briten in die USA, wo er in einer Baumwollfabrik und als Versicherungsmakler arbeitet. Seinen ersten Job beim Radio tritt er bei WRR (AM) in Dallas an, wo er die zweite Stunde der Montagabendsendung Kat’s Karavan moderieren darf — zunächst unbezahlt. Als die „Beatlemania“ auch die Vereinigten Staaten überfällt, wechselt er zum Sender KLIF, wo er aufgrund seiner Liverpooler Herkunft die Position des offiziellen Beatles-Korrespondenten einnimmt. Später heuert er bei KOMA in Oklahoma City und bei KMEN in Kalifornien an.
Zurück nach England
Im Frühjahr 1967 zieht es Peel in seine britische Heimat zurück, wo er für den Piratensender Radio London arbeitet. Dort nimmt er zum ersten Mal den Namen John Peel an und spielt Musik aus dem Untergrund, die sonst keiner spielt, ob Blues, Folk oder Psychedelic Rock. Das musikalische Programm spickt er mit persönlichen Anekdoten und Geschichten. Außerdem bezieht er seine Zuhörerschaft ein, die ihm fleißig Briefe, Gedichte und Platten schickt. Nach der Schließung des Senders schreibt Peel eine Kolumne für die International Times und wechselt zu einem Arbeitgeber, der ihn jahrzehntelang beschäftigen soll: BBC Radio 1.
„Ich war einer der ersten bei Radio 1“, erzählt er später. „Das lag meiner Meinung nach vor allem daran, dass sie keine Ahnung davon hatten, was sie tun. Sie haben sich einfach die Moderatoren von den Piratenschiffen geschnappt, weil es sonst niemanden gab.“ Ganze acht Jahre lang moderiert er die Sendung Top Gear, wo er genreübergreifend die Musik spielt, über die er selbst stolpert. Das Format Night Ride, das aus unterschiedlichsten Musikstilen, Lesungen und Interviews besteht, hält sich nur 18 Monate lang, obwohl es Peel am meisten Spaß bereitet.
Stillstand? Nein, danke.
Überhaupt gerät er gerne mal mit seinen Vorgesetzten aneinander, weil er Bands in den Fokus rückt, die sonst nirgendwo laufen, wie 1976 die Ramones. „Ich habe fünf oder sechs Song vom Debütalbum in meiner Sendung gespielt und bekam sofort Post von den Zuhörern, dass ich sowas bitte nie wieder auflegen soll. Wann immer das passiert, schlage ich genau den anderen Weg ein, also habe ich mehr davon gespielt, und es war großartig! Das war ein klassischer Richtungswechsel. Innerhalb eines Monats hatte sich das Alter meiner Zuhörer im Schnitt um zehn Jahre verringert, und ich hatte es mit ganz anderen sozialen Milieus zu tun. Das fand ich super.“
Besondere Berühmtheit genießen die legendären Peel Sessions, die um die 4.000 Mal stattfinden. Das Prinzip: Bands spielen im BBC Studio innerhalb kürzester Zeit und ohne aufwändige Produktion einige Songs ein, die anschließend nicht nur in der Sendung gespielt, sondern teilweise auch als Tonträger veröffentlicht werden. Die erste Session findet am 21. September 1967 mit Tomorrow statt, schon in der zweiten Woche kann Peel Pink Floyd gewinnen. Die letzte Session findet am 10. November 2004 mit seiner deutschen Lieblingsband F.S.K. statt.
Peel selbst ist zu jener Zeit bereits tot. Nur 15 Tage zuvor erliegt er während eines Urlaubs in Peru im Alter von 65 Jahren einem Herzinfarkt und hinterlässt seine zweite Ehefrau Sheila sowie vier Kinder. Sein Einfluss auf die Entwicklung der Krachmusik kann bis heute kaum gemessen werden. So verhilft er zahlreichen Bands zu ihren nächsten Schritten, ob Marc Bolan, David Bowie, U2, Nirvana, The White Stripes, The Clash oder den Sex Pistols. Ob es noch einmal einen DJ wie ihn geben wird, darf stark angezweifelt werden, umso mehr fehlt er. Rest in peace, John!