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Foto: David Redfern/Getty Images

Lieder des Widerstands: Die wichtigsten Protestsongs von Joan Baez

Sängerin, Kämpferin, Aktivistin: Joan Baez hat nicht nur Bob Dylan berühmt gemacht, sondern auch einigen der eindringlichsten Protestliedern aller Zeiten ihre definitive Gestalt verliehen. Eine Bestandsaufnahme im Zeichen des Widerstands.

von Björn Springorum

In unruhigen Zeiten zeigt die Musik ihr ganzes Potential. Die Menschen hören Lieder des Friedens, so oft wie dieser Tage liefen Give Peace A Chance von John Lennon und Yoko Ono oder Russians von Sting ewig nicht im Radio. Auch die Songs von Joan Baez spenden Trost. Die Ikone der Protestmusik hat sich zwar überwiegend an den Liedern ihrer Kolleg*innen bedient; oftmals wurden aber gerade ihre Versionen zu denen mit der größten Wirkung. Sechs Beispiele des musikalischen Widerstands.

1. We Shall Overcome (1963)

Ein Schlüsselmoment der Bürgerrechtsbewegung: Die Freiheitshymne hat Wurzeln, die bis ins Jahr 1901 zurückreichen, wird durch Lucille Simmons bei einem Streik gegen die Tabakindustrie Mitte der Vierziger berühmt und durch Pete Seeger endgültig zum geflügelten Protestsong. Im August 1963 singt die damals 22-jährige Folksängerin Joan Baez das Lied vor 300.000 Menschen am Lincoln Memorial während des March On Washington. Und vernäht das Lied endgültig mit den Hemden der Bürgerrechtsbewegung. Ihre größte Stärke liegt auch bei dieser Interpretation in einer überaus sanften Darlegung eines schweres Themas. In ihrer Stimme liegen Menschlichkeit und Trauer, doch in ihren Zeilen Wut, Durchhaltevermögen und große Kraft.

2. Where Are You Now, My Son?

Vielleicht das krasseste und bewegendste Stück Protestmusik, das jemals veröffentlicht wurde: 1972 reist Joan Baez nach Nord-Vietnam, um dort Musik aufzunehmen. Das über 20-minütige Epos Where Are You Now, My Son? entsteht im Dezember 1972 in Hanoi, während die US-Truppen Bomben auf ebenjene Stadt regnen lassen. Die Aufzeichnung des verstörenden Stückes mitten in diesem Horror wird mehrfach unterbrochen, als der Angriff beginnt – Sirenen inklusive. Markerschütternder und gespenstischer als hier wurde dieser sinnlose Krieg nie wieder eingefangen.

3. What Have They Done To The Rain (1962)

Ihre Attitüde in den frühen Sechzigern bringt Joan Baez am besten auf ihrem Livealbum Joan Baez In Concert, Part 1 auf den Punkt. Die Nummer What have They Done To The Rain kündigt sie 1962 mal so an: „Ich singe euch jetzt den sanftesten Protestsong aller Zeiten. Er protestiert nicht sanft, aber er klingt sanft.“ Und das tut er: Im selben Jahr geschrieben von Malvina Reynolds, um gegen Atomwaffentests zu protestieren, macht sich Baez den Song mit ihrer wehmütigen, durchdringenden Stimme zu eigen. Selten klang die Angst vor nuklearen Schäden so zerbrechlich und zugleich so aufrüttelnd. Und durchdringend. Auch im Lichte aktueller Ereignisse sorgen Zeilen wie Just a little boy standing in the rain – The gentle rain that falls for years – And the grass is gone, the boy disappears – And rain keeps falling like helpless tears für Beklemmung und Hilflosigkeit, aber auch für Trost.

4. Birmingham Sunday (1964)

1963 wird die African American 16th Street Baptist Church in Birmingham, Alabama von einem Bombenanschlag erschüttert, der vier junge Mädchen das Leben kostet. Der Song Birmingham Sunday nimmt direkt Bezug auf diese grauenvolle Tat und benennt die vier Opfer Addie Mae Collins, Denise McNair, Cynthia Wesley und Carol Robertson auch namentlich. Joan Baez macht aus dem Song ihres Schwagers und Greenwich-Village-Liedermachers Richard Fariña eine spärlich instrumentierte Fassung, die de niederschmetternden Text sogar noch mehr in den Vordergrund rückt: The falcon of death was a creature they knew, and the choirs kept singing of Freedom.

5. Saigon Bride (1967)

Joan Baez sang oft gegen den Vietnamkrieg an. Selten so pur und effektiv wie in Saigon Bride, einem Song, der die archetypische Geschichte des Soldaten erzählt, der seine Frau zurücklässt, um in den Krieg zu ziehen. Mit inhaltlichen Parallelen zu Blowin’ In The Wind schmiedet Baez einen Song um ein Gedicht, das ihr die Verfasserin Nina Duschek persönlich zugeschickt hatte. Es ist einer der eher raren Momente, in der Joan Baez selbst die Melodie zu fremden Worten schreibt – und allein deswegen ein besonderes Stück in ihrem Antikriegskanon.

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