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Titelfoto: Paul Natkin/WireImage/Getty Images

Outlaw-Country vs. Nashville-Country: Kunst gegen Kommerz?

Wer sich intensiver mit Country beschäftigt, bemerkt schnell einen Antagonismus: Outlaw-Country gegen Nashville-Country. Kunst auf der einen Seite, Kommerz auf der anderen. Doch stimmt das? Wir haben uns die beiden Strömungen ein wenig näher angeschaut — und festgestellt, dass sie gar nicht ohne einander können.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Wanted! The Outlaws anhören:

Country gehört zu den ursprünglichsten Musikrichtungen überhaupt. Die Grundlage für das Genre bilden traditionelle Stile wie Blues, Spirituals, Folk und allerhand weitere Einflüsse. Als Tonaufnahmen Mitte der Zwanziger massentauglich werden, profitiert der Country davon und erspielt sich als eine der ersten Musikrichtungen seinen Platz in der Popmusik. Die damaligen Stars: Jimmie Rodgers, Vernon Dalhart, die Carter Family und spätere Größen wie Hank Williams. Die Musikrichtung floriert, bildet Subgenres und schon bald kann man mit Plattenverkäufen richtig Geld verdienen. Das bemerkt man vor allem in einer Stadt: Nashville.

Fließband-Country

Die Umwälzungen beginnen Mitte der Fünfziger. Plattenboss, Produzent und Musiker Chet Atkins sowie die Produzenten Steve Sholes, Owen Bradley, Bob Ferguson und der Toningenieur Bill Porter begeben sich auf die Suche nach der „Country-Formel“, mit der man das Genre noch massentauglicher gestalten kann. Die Lösung: Sie streichen traditionelle Instrumente wie Geigen aus dem Programm und ersetzen sie durch Elemente der Popmusik, wie zum Beispiel Streicher oder Hintergrundsänger*innen. Außerdem setzen die Erfinder des „Nashville-Sound“ auf eine kommerziellere Produktion und Popmusikstrukturen. In letzter Konsequenz stellen sie mit dem „Nashville A-Team“, sogar eine Band zusammen, die alle Wünsche der Plattenproduzenten schnell umsetzen kann. Die Hitschmiede Nashville ist geboren.

Das klingt nach Fließbandarbeit und irgendwie stimmt das auch. Schlimmer noch: Nashville gibt in der Musikproduktion der späten Fünfziger und frühen Sechziger den Ton an und wer auf traditionelleren Pfaden wandelt, hat angesichts der schieren Macht der Plattenfirmen schlechte Chancen. Das passt den beiden Künstlern Willie Nelson und Waylon Jennings absolut nicht in den Kram und die Zwei treten die Outlaw-Bewegung los, um das Glasdach in Nashville zu durchbrechen. Mitte der Sechziger ebnen Künstler wie Johnny Cash der Outlaw-Szene zwar den Weg in die Country-Hauptstadt, doch Nelson und Jennings möchten mehr als das.

Vom Widerstand in den Mainstream

Die zwei Sänger treten für ihre kreative Freiheit ein und erkämpfen sich das Recht, sich den Produzenten und die Studiomusiker*innen selbst auszusuchen. „Vor der Outlaw-Bewegung saßen viele Künstler sozusagen auf dem Beifahrersitz“, erzählt Michael Gray, Co-Kurator der Ausstellung Outlaws & Armadillos: Country’s Roaring ‘70s, im Interview mit The Boot. „Der Produzent und das Plattenlabel haben die Songs ausgesucht und trafen die Entscheidung, welche Musiker bei den Aufnahmen dabei sein sollten, welcher Produzent mitarbeitet, in welchem Studio aufgenommen wird … Die Outlaws hatten den Mut, nicht nur Stars zu sein, sondern tief in sich zu gehen und der Welt ihre Kunst zu präsentieren.“

Wie so oft, landet allerdings auch diese Gegenströmung auf lange Sicht im Mainstream. Eine der Zäsuren ist der Sampler Wanted! The Outlaws von RCA Records mit Waylon Jennings, Willie Nelson, Jessi Colter und Tompall Glaser. Ironischerweise handelt es sich bei der Compilation um das erste Country-Album aller Zeiten, das sich mehr als eine Million Mal verkauft und mit Platin veredelt wird. Die groß angelegte Outlaw-Bewegung versandet, denn wer so viele Platten verkauft, kann in der öffentlichen Wahrnehmung kaum ein „Outlaw“ sein. Doch die beiden Welten waren sich sowieso immer schon ähnlicher als man auf den ersten Blick dachte.

Kunst trotz Kommerz

„Man begibt sich auf dünnes Eis, wenn man ausdiskutieren möchte, was authentisch ist und was nicht“, stellt Gray fest. „Jimmie Rodgers … hat sich selbst vermarktet. Hank Williams Sr. … Sie alle haben alles getan, um Platten zu verkaufen. Man kann seine künstlerische Integrität bewahren und trotzdem kommerziell erfolgreich sein … Niemand sagt, dass man sich für das eine oder das andere entscheiden muss.“ Gray lässt dabei zwar außen vor, dass Künstler wie Willie Nelson und Waylon Jennings diesen Zustand erst wieder herstellen mussten, doch heutzutage können die Outlaws und die Produzenten in Nashville das Geld in der Country-Szene besser gemeinsam verdienen.

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