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Foto: Mats Dylan

Pavelo & Schnell im Interview: „Es geht immer noch ein bisschen dreckiger“

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Pavelo & Schnell sind ein Beispiel dafür, wie ein Duo funktionieren sollte. Denn beide Mitglieder kommen aus sehr unterschiedlichen Backgrounds, kreieren zusammen aber etwas Einzigartiges. Wir trafen sie für ein Gespräch.

Pavelo Promillo ist als Produzent, DJ und Veranstalter schon länger in der Musikszene verankert, anfangs noch vor allem durchs Produzieren und Auflegen von Hip-Hop. Boris Schnell ist ausgebildeter Gitarrenbauer und eher Singer-Songwriter mit Einflüssen aus R&B, Indie und „Gitarrenmusik“. Auf einer Party lernten sie sich kennen und beschlossen, gemeinsame Sache zu machen.

Dass daraus eine Mischung sehr unterschiedlicher Sachen entstehen würde, war klar: „Genau darauf war ich auch aus. Das ist immer noch zentral in unserer Kreativität, die wir zusammen festzuhalten versuchen, dass es einfach Kompromisse über Kompromisse sind“, erklärt Boris Schnell. Pavelo erinnert sich: „Als wir uns das erste Mal im Studio getroffen haben, ohne uns wirklich persönlich zu kennen, war das erstmal random. Dann haben wir aber so zwei, drei Demos gemacht und ich habe gleich gemerkt: Krass, das fordert mich heraus und es ist voll spannend. Ich habe gemerkt, dass da irgendetwas schlummert.“

Größer als die Summe seiner Teile

Zusammenzuarbeiten war offensichtlich die richtige Idee, denn die Verschmelzung von Kontrasten ist das Spannende an der Musik von Pavelo & Schnell. Meist sind es technoide Beats, die gern mal etwas New-Wave-artig daherkommen, mit luftigen Indie-Gitarren darüber. Dazu kommt ein nachdenklicher Boris Schnell, der großartig formulierte Sätze mit simplen, catchy Melodien wiederholt.

In diesem Rahmen kann’s hier mal einen Punk-Song geben, da einen Trance-Track, dort einen Hip-Hop-Banger. Aber stets liegt der Fokus auf Atmosphäre, auf unterschiedlichen Sound-Texturen; und obwohl Wiederholung ein zentrales Element ist, kommen immer wieder Wendungen. „Zwei Sturköpfe versuchen, alles unterzubringen“, beschreibt es Pavelo. „Dann passieren Twists innerhalb von Tracks. Die Songs haben mehrere Ebenen und Passagen.“ Ein Sound, der unter den deutschen Indie-Newcomer:innen seinesgleichen sucht.

Der Entstehungsprozess dazu laufe immer wieder ganz unterschiedlich ab, meint Pavelo: „Ich mache viel Musik, schiebe ihm das meiste davon zu und er pickt sich dann vielleicht zehn Prozent davon raus. Gleichzeitig kommt er dann auch mit kleinen Songideen, Melodien oder einer Basslinie zu mir und ich spinne damit rum. Vieles wird auch wieder verworfen. Es tastet sich also immer so an, zwei Schritte vor, einen zurück.“

Musikalischer und thematischer Dreck

Pavelo & Schnell haben seit jeher einen Slogan: „Wo bleibt der Dreck im Pop?“ Spannende Frage, denn klassischer Pop sind Pavelo & Schnell nicht – meint auch Pavelo: „Für mich war das ehrlicherweise vor zweieinhalb Jahren noch so ein Unwort, als mir da gesagt wurde, ich mache Pop-Musik. Deswegen fand ich es interessant, damit zu spielen: Kann man Pop machen, aber dem einen Twist geben, dass ich mich nicht dafür schämen muss?“

Der Dreck ist also eine Freiheit, musikalische Experimente in den Rahmen der Pop-Musik miteinfließen zu lassen. Auch textlich findet er sich wieder: „Es geht auch thematisch um Dreck“, erklärt Schnell. „Klar gibt es Gangster-Rap, aber trotzdem ist da alles sehr poliert und es geht eigentlich darum, dass sich Leute mit materiellen Sachen schmücken. Ich finde, dass auch andere Themen dort stattfinden müssen, die der Lebensrealität vieler Menschen entsprechen. Nicht dieses aufpolierte ‚Guck, ich kann mir das und das leisten‘ – so viele Menschen können sich nur einen Bruchteil davon leisten.“

Pavelo führt den Gedanken weiter: „Du weißt: Das sind Millionäre, die übel viel Schotter machen. Die bringen dann aber Texte mit Straßenthemen, wovon sie sich in ihrer Lebensrealität schon lange wegentwickelt haben. Da ist vielleicht Dreck in der Musik, aber es ist trotzdem ein unsympathisches Beispiel.“ Schnell erwidert: „Es muss nicht immer alles stimmen, Überspitzung ist ja genauso ein Stilmittel. So schlimm, wie man es gerne mal darstellt, ist es ja nicht immer. Aber dann kommt es schon irgendwoher und das sind Dinge, die mich beschäftigen.“ Das Fazit, das die beiden scherzend ziehen: „Wir sind real!“

Ist die Atzen-Ära vorüber?

Ein Wort, das zu diesem Dreck passt und dem man im Kosmos von Pavelo & Schnell immer wieder begegnet, ist „Atzen“. Dieser Begriff sei aber ein zweischneidiges Schwert. Pavelo erzählt: „Es gab mal einen Artikel, der uns als ‚die atzige Version von Edwin Rosen‘ gebrandet hat. Darüber habe ich mich gefreut, weil ich das voll on point fand und Edwin Rosen schätze. Durch den Hip-Hop- und Rave-Background, den wir mitbringen, konnte ich mich damit sehr identifizieren und fand es witzig. Aber gleichzeitig weiß ich, dass der Atzen-Claim auch negativ konnotiert ist.“

Schnell erklärt, was Pavelo damit meint: „Klar nenne ich meine Freund:innen gerne Atzen, es ist ein nettes Label. Aber es gibt einen guten Grund, warum viele sagen: Atzen sind auch oft daneben und nerven und nehmen Raum anderer Leute ein. Das versuche ich in meinem Verhalten zu verhindern.“

„Ruhig mal den Staat ausnutzen“

Zwei Alben hat das Duo bisher draußen. Vor kurzem erschien die Single Dasselbelied, ein Song über Arbeitswahn und den gesellschaftlichen Druck, Geld verdienen zu müssen, wie Schnell erklärt: „Mir wurde schon öfter gesagt, ich sei faul. Sich durchs Leben durchzuschlängeln ist manchmal total easy. Dann kommt man aber dahin, wo man sich denkt: ‚Scheiße, wann komme ich endlich mal an?‘ Und natürlich auch die Thematik, dass es nicht so easy ist, mit der Musik Geld zu verdienen.“ Gerade ältere Generationen ächten junge Leute oft fürs Nicht-Arbeiten, auch wenn diese krank seien, meint Schnell. Dabei sei es wichtig, sich für seine (mentale) Gesundheit Pausen zu nehmen: „Man kann auch ruhig mal den Staat ausnutzen.“

Generell beschreibt Schnell seinen lyrischen Stil so: „Ein kleines Quäntchen Wut. Melancholie. Ich mag so Momentaufnahmen. Das sind meistens Ansätze, wo ich mir denke, das wäre ein cooler Moment, von dem eine Textidee ausgehen kann. Manchmal kommt man dann auf eine Zeile, die noch viel mehr kickt als das anfängliche Bild, das man hatte. Ich mag es auch, das vage zu halten. Ich finde es immer gut, wenn es noch eine Ebene gibt oder mir Leute dann sagen: ‚Geht es darum?‘ Und ich denke: ‚Krass, so habe ich das noch gar nicht gesehen!‘ Ich finde es nie schlecht, dass sich Leute die Sachen rauspicken, die sie berühren.“

Einflüsse zelebrieren

Dabei zitieren Pavelo & Schnell auch gern mal. Am Ende von Gang Vier etwa singt Boris Schnell auf einmal Careless Whisper von George Michael oder im Song Original singt er Can’t Stop von den Red Hot Chili Peppers. Diese Reinterpretationen führen durch den neuen musikalischen Kontext zu Momenten, in denen man denkt: „Hey, was ist das nochmal? Oh, wow.“ Auf die Frage hin, welche Rolle diese popkulturellen Referenzen spielen, antwortet Schnell: „Für mich ist es oft so ein Schirm. Bei Gang Vier lief der Song einfach im Radio. Bei Original habe ich so herumprobiert mit der Akkordprogression, da habe ich gemerkt, dass es genau die Akkordfolge von der Strophe von Can’t Stop ist. Es hat für mich einfach eine Brücke geschlagen, dass man am Ende nochmal dieses ganze Ding mit einem guten Zitat umarmt.“

Also auch eine Verneigung vor den Einflüssen, sagt Pavelo: „Ich finde nicht, dass man verheimlichen muss, wo man herkommt. Im neuen Track ist am Ende ein Sample von DJ Assault drin. Lustigerweise: Alle Tracks – Chili Peppers, George Michael, DJ Assault – die könnten unterschiedlicher kaum sein, aber irgendwie trifft es ja auch unsere Roots.“ Schnell bringt es auf den Punkt: „Es ist einfach Appreciation, nicht Appropriation.“

Welche Einflüsse kommen in der Zukunft auf uns zu? Konzentriert sich der Sound noch mehr in eine Richtung? Schnell stellt fest: „Die letzten Singles waren sehr energetisch und nicht mehr so Indie-lastig. Die Elemente sind noch drin, aber wir entwickeln uns auf jeden Fall weiter. Es geht immer noch ein bisschen dreckiger.“ Auf dass der Pop dreckig bleibe!

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