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Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Zeitsprung: Ab 23.4.1975 werden 500 Pink-Floyd-Fans verhaftet.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 23.4.1975.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Ärger mit der Polizei wegen Spaßzigaretten gibt es im Los Angeles der Siebziger schon mal häufiger. Dass es zwangsweise auch Berührungspunkte mit der Musikszene gibt? Logisch. Am 23. April 1975 und den folgenden Tagen werden dann aber über 500 Pink-Floyd-Fans verhaftet. Wer steckt dahinter? Schauen wir uns den Beginn der staatsgewaltigen Aktion einmal genauer an.

Hört hier in Wish You Were Here rein, an dem Pink Floyd im April 1975 gerade arbeiteten: 

1975 konnte man mit fünf Terminen in der gleichen Halle noch Verwunderung hervorrufen. So machen das jedenfalls Pink Floyd, als sie für Ende April eine Arbeitswoche voller Konzerte in Los Angeles ankündigen. Dass sich die Shows mehr oder weniger von allein ausverkaufen, darf man auf die enorm kreative Phase der Briten zurückführen: Zwei Jahre zuvor gab’s den Hammer Dark Side Of The Moon, das nächste Album Wish You Were Here steht quasi schon in den Startlöchern. Darauf verarbeitet die Band den problematischen Ausstieg/Rauswurf von Syd Barrett. Also, guter Stoff.

Apropos Stoff: Jemand, der sich damit so gar nicht anfreunden kann, ist Polizeichef Edward M. Davis. Der bezeichnet sich selbst als „gemeinsten Polizeichef in der Geschichte der Vereinigten Staaten“, was einiges heißen will, und geht vehement gegen Drogendelikte in der Rockszene vor. Als er hört, dass die Briten für fünf Termine in die Stadt kommen, sieht er auf allen Kanälen rot und wappnet sich und sein Team für das schlimmstmögliche Szenario: kiffende Fans.

Der gemeinste Polizeichef der Geschichte

Seit Davis nämlich ab Ende der Sechziger das Polizei-Zepter schwingt, nimmt man in L.A. laut dem Rolling Stone bei Konzerten „Tausende“ Fans fest. Andere Zeitungen unterstellen dem Initiator dieser Maßnahmen gar, das Stattfinden von Rock-Events in der Stadt zu untergraben. Probleme zwischen der Musikszene und der Polizei stellen im Amerika dieser Zeit wahrlich keine Seltenheit dar. Ob Janis Joplin, die sich 1969 mit der Polizei anlegt, oder Aerosmith, die drei Jahre nach dem Pink Floyd-Vorfall eigens ihre Fans aus dem Polizeigewahrsam befreien: Sie alle bekommen den langen Arm des Gesetzes zu spüren.

So hört man in der Stadt der Engel schon Wochen vor den Shows Gerüchte, dass Davis und Konsorten an Pink-Floyd-Fans ein Exempel statuieren wollen. Und am 23. April, der ersten Nacht der Residenz, geht’s los: Polizeibeamte in Zivil und Uniform durchwandern das Publikum; 88 Anwesende nimmt man fest. Am darauffolgenden Abend trifft es deutlich mehr. Einer der Promoter erinnert sich: „Sie haben die Kids regelrecht aus der Menge gezogen. Nie habe ich eine so aggressive Herangehensweise gesehen.“

Über 500 Verhaftungen

Das Ende vom Gastspiel: 511 verhaftete Floyd-Fans. Und nicht nur wegen „Haschgift“: Wer beim Pinkeln im Park erwischt wurde, darf sich eine Anzeige wegen „sexueller Perversion“ gefallen lassen. Der kalifornischen Öffentlichkeit erscheint das dann doch recht harsch, es regnet Beschwerden. Davis schmeißt, vor die nächsthöheren Autoritäten gebeten, mit Begriffen wie „Heulsusen“ und Schlimmerem um sich, was letztlich so schlecht ankommt, dass er danach kleinere Brötchen backen muss. 

Der Vorfall hat so zumindest etwas Gutes: Der Kurs der örtlichen Polizei fällt nach den Pink-Floyd-Konzerten deutlich weicher aus. Als Elton John im selben Jahr für seine legendären Shows das Dodgers-Stadion füllt, finden kaum Verhaftungen statt. Davis darf zwei Jahre später gar abdanken. Heute juckt der Konsum von Marihuana in Kalifornien niemand mehr: Seit 2016 ist die Droge dort legal.