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Foto: Hulton Archive/Getty Images

„Reign In Blood“: Slayer und ihr Meisterstück

Gesellenstücke gibt es viele, Meisterstücke nicht. Wir müssen wohl nicht darüber reden, zu welcher Kategorie Reign In Blood von Slayer gehört. Musikalische Kompromisse? Fehlanzeige. Ungezügelte Brutalität? Oh ja. Wir haben uns den Thrash-Metal-Meilenstein einmal genauer angeschaut.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Reign In Blood von Slayer anhören:

Seit Menschen Gedenken, stellt sich die Metal-Community vor allem eine Frage: Master Of Puppets von Metallica oder Reign In Blood von Slayer? Das ist natürlich Quatsch, denn beide Alben haben ihren festen Platz in der Musikgeschichte. Dennoch: Warum gilt Reign In Blood eigentlich als Meilenstein? Was sagen Slayer selbst zu ihrem großen Wurf? Und was hat ein Hip-Hop-Label mit der Platte zu tun? Eine Würdigung.

Reign In Blood: Kompromisslose Härte

Anfang der Achtziger verdeutlichen Slayer mit ihren ersten beiden Alben Show No Mercy (1983) und Hell Awaits (1985) vor allem eins: Bedingungslose Härte ist Trumpf. Wo andere Thrash-Metal-Legenden wie Anthrax und Metallica gelegentlich ein wenig abbremsen, geben Tom Araya, Kerry King und Co. ohne Kompromisse Vollgas. Den Höhepunkt ihrer jungen Karriere erreicht die Band aber erst 1986 mit ihrem dritten Werk: Reign In Blood.

Zu jener Zeit hat der Thrash Metal den Untergrund längst erobert und kommt auch langsam im Mainstream an. Metal-Blade-Records-Chef Brian Slagel merkt, dass er an seine Grenzen stößt und Slayer nicht viel weiter bringen kann. Er nimmt Verhandlungen mit größeren, besser aufgestellten Plattenlabels auf, damit Slayer die Veröffentlichung zuteil wird, die sie verdienen.

Slayer meets Rick Rubin

Den Zuschlag erhält am Ende Def Jam Recordings von Russell Simmons und Rauschebart-Rekordproduzent Rick Rubin. Eigentlich widmet sich die Plattenschmiede zu jener Zeit Künstler*innen wie Run-DMC und LL Cool J, doch Rubin wittert eine neue Herausforderung und überredet Slayer, an Bord zu kommen — nicht zuletzt mit dem Versprechen, dass er das nächste Album der Bay-Area-Thrasher höchstpersönlich produzieren wird. Slayer schlagen ein und damit steht einer erneuten Grenzüberschreitung nichts mehr im Wege.

„Wir wollten alles hinter uns lassen, was wir und alle anderen bereits veröffentlicht hatten“, verrät Slayer-Gitarrist Kerry King 1997 im Interview mit Musikjournalist Jon Wiederhorn von Loudwire. „Als hätten wir sagen wollen: ‚Oh, ihr findet das schon heavy? Na, dann hört euch mal das hier an.’ Wenn ich an einem Song arbeite, denke ich oft daran, wie unser Publikum ausrastet, wenn es ihn live hört.“

Nazi-Deutschland statt Blumensträuße

Das Ergebnis dieser Herangehensweise sind Klassiker wie Piece By Piece, Jesus Saves und Epidemic. Der inzwischen verstorbene Rhythmusgitarrist Jeff Hanneman steuert Stücke wie Angel Of Death, Postmortem und den Quasi-Titeltrack Raining Blood bei. Thematisch halten sich Slayer kein bisschen zurück: Nicht nur die Kirche bekommt ihr Fett weg, sondern es geht auf Reign In Blood auch um Nazi-Deutschland, Mord, biologische Kriegsführung und Okkultes.

„Wir waren immer die bösen Jungs“, verrät King in einem Interview. „Wir schreiben über all die Dinge, über die sonst niemand schreiben will. Wir haben uns schon vor einigen Jahren den Stempel des Bösen verpasst. Das macht mir nichts aus. Das ist besser, als über Blumensträuße zu singen.“ Klar, über Blumensträuße singen Slayer nur, wenn der Teufel persönlich sie in Brand gesteckt hat.

Thrash Metal im Blutregen

Genau das unterscheidet Slayer von den anderen "Big 4"-Bands: Wo Metallica und Megadeth auf kompositorische Finesse setzen und Anthrax eher in Bermuda-Shorts moshen, legen Slayer ein Feuer in deinem Gehörgang und lassen das Blut von der Decke deines Wohnzimmers regnen. Nun, zumindest von ihrer eigenen Decke, denn als die Araya, King und Co. 2004 unter dem Motto „Still Reigning“ um die Welt touren und ihr wohl legendärstes Album in voller Länge spielen, regnet es tatsächlich Kunstblut auf die Bühnenbretter.

Es gibt nicht viele Metal-Platten, bei denen sich fast alle einig sind, doch Reign In Blood von Slayer gehört zweifelsohne zu diesem erhabenen Kreis. Bis heute kommt kaum eine Metal-Sammlung ohne diesen Meilenstein aus und das Album hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es überhaupt Metal-Sammlungen gibt. Inzwischen haben sich Slayer zur Ruhe gesetzt, doch Reign In Blood bleibt uns zum Glück erhalten.

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