Der Tod ist fest mit dem Wesen der Foo Fighters verbunden. Deswegen kommt auch das große Trauerwerk But Here We Are nicht ohne eine ordentliche Dosis Memento Mori aus. Am Ende siegt auf dieser großen amerikanischen Rock-Platte aber das Leben. Wie immer bei Dave Grohl.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr But Here We Are hören:
Ohne den Suizid von Kurt Cobain gäbe es die Foo Fighters gar nicht. Hätte Dave Grohl kein Ventil für seine Trauer gebraucht, für die Implosion von Nirvana, seines Lebens und seiner bisherigen Karriere. Von der puren Rock’n’Roll-Katharsis des Debüts Foo Fighters, geschrieben und eingespielt von Grohl allein, bis zum zehnten Album Medicine At Midnight, von 1995 bis 2021, schien es nichts zu geben, was diese Band aufhält.
Die letzte große Rockband der USA
Die Foo Fighters waren eher eine Bruderschaft als eine Rock-Truppe, ein verschworener Haufen enger Freunde, die das Schicksal zusammengeführt hat und die entgegen aller persönlichen Erwartungen aus nichts Gold gemacht haben. Superstars, immer auf dem Teppich geblieben, immer gut gelaunt, immer gewillt, eine Kavalkade von drei Stunden ungefilterter Rock-Power hinzulegen. Spätestens seit dem Ende von Tom Petty und den Heartbreakers waren sie die letzte große Rock-Band der Vereinigten Staaten, der Dinosaurier aus Stadionzeiten, der länger dabei war als das Internet.
Dann kam der 25. März 2022. Und Dave Grohls Welt wurde einmal mehr schwarz. 28 Jahre nach dem Selbstmord von Kurt Cobain stirbt Taylor Hawkins an einer Medikamentenüberdosis (https://www.udiscover-music.de/popkultur/die-unvergesslichsten-momente-von-taylor-hawkins). Wieder verliert Dave Grohl einen seiner besten Freunde. Und wieder lässt er sich von der Musik retten. Dass But Here We Are gerade mal ein gutes Jahr nach Hawkins’ Tod (und dem Tod von Grohls Mutter Virginia) erscheint, ist kein Zufall. Dass es dieselbe viszerale, intime, fiebrige Energie hat wie das 1995er Debüt, auch nicht.
Grohl spielt die Drums als Tribut ein
Geschichte wiederholt sich. Bei den Foo Fighters sieht man das auf besonders gruselige Weise. Damals ein junger Dave Grohl, fast noch grün hinter den Ohren und immer noch überrumpelt vom unfassbaren, vom destruktiven Erfolg Nirvanas, heute ein gestandener Rockstar, erfahren, versiert. Im Grunde aber eben immer noch derselbe Typ, der um einen engen Freund trauert. Wie 1995, spielt Grohl wieder die Drums ein, ein Akt des Abschieds, der Heilung, ein Tribut an Hawkins, einen ganz großen hinter dem Kit.
Produziert von Greg Kurstin und der Band selbst, ist But Here We Are ein Album, das die Dualität von Leben und Tod schmerzhaft genau auf den Punkt bringt. Der Tod tanzt mit, immer und überall. Es ist für die Foos eben nur kein Grund, ihn über das Leben triumphieren zu lassen. Deswegen klingt ihre erste so schroff, hart und verzerrt wie zuletzt ihre Werke in den Neunzigern; doch zugleich liegt in den Arrangements, in den Melodien und auch in Grohls Gesang ein Silberstreif, ein ahnungsvolles Raunen, das sagen wird: Vielleicht ist morgen auch noch ein Tag. Nutzen wir ihn. Wut gibt es eine Menge auf dem Album, Frustration und Bockigkeit auch. Aber eben auch Akzeptanz, Ruhe und Stärke. But Here We Are ist wie eine Tour de force durch die verschiedenen Trauerphasen – mit ihrer besten Ensembleleistung seit Wasting Light.
Klares Highlight ist The Teacher
Die Vorabsingles Rescued, Another You und Show Me How (gesungen mit Grohls Tochter Violet) machten vorab klar, dass die Foo Fighters weiterhin der großen amerikanischen Stadion-Rock-Tradition folgen; insbesondere Stücke wie The Teacher, ein zehnminütiges, formwandelndes, chimärisches, mal düsteres, mal psychedelisches und mal hoffnungsvolles Stück Rock-Musikgeschichte, stehen aber für Momente, die es vor 2022 so wahrscheinlich nicht gegeben hätte. Der Titelsong zum Beispiel berstet vor Intensität und bringt Grohl gesanglich an seine Grenzen, während Hearing Voices von monochromen The-Cure-Gitarren und feiner Melancholie durchzogen ist.
Das Album, das sie nie machen wollten
Das Trauma, die Wunden, die Desorientierung und die pure Fassungslosigkeit sind Dauergast auf But Here We Are. Grohl und die Foo Fighters verwandeln sie aber als Waffen, als Mittel zum Zweck, um sich selbst aus dem Tal der Tränen zu ziehen. Sie kommen nah dran an eine neue Bestmarke – ausgerechnet mit einem Album, das sie nie machen wollten. Das ist schmerzlich, aber eben irgendwie auch heilsam. Und am Ende typisch Foo Fighters. Das sagt auch schon der Albumtitel. But Here We Are, und doch sind wir hier. Es ergibt keinen Sinn, wer lebt und wer nicht, wer überlebt. Doch alle die, die noch hier sind, müssen weitermachen. Und wenn auch nur für die, die nicht mehr hier sind. Dazu passt Rest, ein dräuendes Akustikstück wie zu besten Nirvana-Zeiten, mit einem Dave Grohl von seiner verletzlichsten Seite. Spätestens da bleibt kein Auge trocken. Und wenn doch, dann sollte sich diese Person ernsthafte Gedanken machen.
Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!