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Review: „Look Up“ ist Ringo Starrs beste Platte seit 55 Jahren

Ringo macht jetzt Country: Für sein 21. Studioalbum huldigt der frühere Beatles-Drummer dem Sound des Südens – und begeistert mit sentimentalen, relaxten Songs für den nächsten Saloonbesuch.

Eigentlich wollte Ringo Starr ja gar keine Alben mehr veröffentlichen. Nach What’s My Name (2019) verkündete er, sich künftig auf EPs oder andere Formate zu konzentrieren. Bislang untermauern ganze fünf EPs dieses Vorhaben, aber 2025 ist da plötzlich doch wieder ein neues Studioalbum. Und auch noch eine Country-Platte!

Moment mal, Ringo Starr und Country? Findige Expert:innen seiner extensiven Diskografie wissen natürlich, dass schon seine grandiose zweite Soloplatte Beaucoups Of Blues 1970 in Nashville entstand und dem Country huldigte. 55 Jahre später gibt es jetzt also die Rückbesinnung auf eine lebenslange Leidenschaft.

Cowboyhut statt Pilzkopf

Kann man machen. Vor allem, wenn die Geschichte hinter dem Album so schön ist. Aber das ist sie bei Althippie Ringo ja eigentlich immer. Also: 2022 trifft Ringo Starr in Los Angeles nach unzähligen Jahren wieder auf seinen alten Kumpel T Bone Burnett. Burnett ist US-amerikanischer Musikveteran, der unter anderem in Bob Dylans Band spielte. Er ist aber eben auch Produzent. Er und Starr hecken den Plan aus, ein Country-Album zu schreiben. Burnett steuert einige Songs bei, an manchen feilen sie zusammen, aufgenommen wird das ganze in Los Angeles bei ihm zuhause und natürlich in Nashville.

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Das Ergebnis ist ein wunderbar charmantes, dezent nostalgisches, durchaus seichtes, aber nie kitschiges Album voller Roots-Flavour und Country-Spirit. Sir Richard Starkey tauscht den Pilzkopf gegen den Cowboyhut und singt sentimental und so berührend wie vielleicht noch nie vom Ende der Straße, von der Liebe, diesem irrwitzigen Leben und der Musik.

Seine Stimme passt so gut wie nie

Wie beinahe alle seine Solowerke, zeichnet sich auch Look Up durch diese Echtheit, dieses Gefühl der Authentizität aus, das außer ihm kein anderer Beatle solo rüberbringen konnte. Ringos Stimme hat ja eh diese angeborene Traurigkeit, und die passt nun mal ideal zu diesem Genre, in dem man bevorzugt über die Weite des Landes, den fernen Horizont, den Highway und das Diner an selbigem singt.

Look Up ist nicht Ringos erstes Rodeo, aber doch fühlt sich sein 21. Studioalbum anders an als alles, was er bisher gemacht hat. Es ist eine klare Hommage an das Genre, das er liebt, aber erfreulicherweise ohne altmodisch zu klingen. Im Gegenteil: Das Album ist zeitgemäß und frisch, getragen von lässig-bittersüßen Melodien, twangy Gitarren und dem unverkennbaren Einfluss seiner geliebten Sister Rosetta Tharpe, Erfinderin des Rock’n’Roll und eines der größten Vorbilder der Beatles.

So gut wie seit Jahrzehnten nicht

Never Let Me Go, You Want Some, Breathless oder Time Of My Hands zählen zu den Highlights dieses Elf-Song-Albums, das den 84-Jährigen in seltener Hochform zeigt. Es scheint, dass diesmal einfach alles gepasst hat. Die Zeit, die Songs, das Team, der Spirit. Selbst sein Schlagzeugspiel, jahrzehntelang massiv unterschätzt, klingt so verspielt, vergnügt und verjüngt wie lange nicht. Wie macht der Kerl das nur?

Bringen wir es also mal auf den Punkt: Unterstützt von so etwas wie einer Nashville-Allstar-Riege aus Billy Strings, Molly Tuttle, Larkin Poe, Lucius und Alison Krauss, gelingt Starr mit Look Up nicht weniger als sein bestes Album seit besagtem Beaucoups Of Blues, das gerade 55 Jahre alt ist. Und das ist eine bemerkenswerte, eigentlich sogar spektakuläre Leistung.

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