Alles nochmal von vorn: Eigentlich steckten Snow Patrol bereits mitten in den Aufnahmen zu einem Album – als sie merkten, dass sie nochmal von vorne anfangen müssen. Es hat sich gelohnt, wie das neue Album The Forest Is The Path zeigt.
Wir haben mit Frontmann Gary Lightbody gesprochen, wie es war als plötzlich alles Sinn machte und wie von alleine lief.
Gary, du meintest, beim Treffen mit deinem Produzenten Fraser T. Smith hätten sich die „Planeten zusammengefunden“. Kannst du ein bisschen genauer erklären, wie wichtig dieses Treffen für das Album war und wie es dazu kam?
Fraser ist wirklich einer der freundlichsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Er ist warmherzig, voller Freude und einfach ein wunderbarer Mensch. An unserem ersten gemeinsamen Tag haben wir direkt den ersten Song für das Album geschrieben. Vorher hatte ich ihn nie getroffen, ich kannte ihn nur vom Hörensagen und wusste, dass er mit einigen großartigen Künstler:innen gearbeitet hatte. Ursprünglich waren nur zwei Tage im Studio geplant, weil wir danach mit jemand anderem arbeiten wollten. Wir hatten beschlossen, diesmal nicht mit Jacknife Lee zusammenzuarbeiten, einfach, weil wir etwas Neues ausprobieren wollten. Jacknife ist ein Genie, aber wir wollten diesmal einfach etwas anderes. Das hat leider nicht funktioniert.
Warum nicht?
Wir haben fünf Monate gebraucht, um die Aufnahmen zu machen, und am Ende war es nicht das, was wir wollten. Das war natürlich ziemlich frustrierend. Nach einer Pause wurde mir dann vorgeschlagen, wieder mit Fraser zu arbeiten, und ich war sofort dafür. Wir gingen also Ende letzten Jahres für ein paar Tage ins Studio, und Johnny und Nathan mochten Fraser genauso sehr wie ich. Im Januar haben wir dann mit ihm weitergemacht, und ein Album, das uns vorher fünf Monate gekostet hatte, war mit ihm in fünf Wochen fertig. Das zeigt einfach, wie unglaublich er ist.
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Fünf Monate an etwas zu arbeiten und dann nochmal neu anzufangen, stelle ich mir schwer vor. Wie schafft man es, sich mental darauf einzulassen? Wann hast du gemerkt, dass ihr wirklich von vorne anfangen müsst?
Einige der Songs, die Johnny und ich geschrieben hatten, waren schon recht weit fortgeschritten. Ich weiß nicht genau, wie viele davon es letztlich aufs Album geschafft haben, aber wir hatten etwa acht oder neun Songs, die Johnny auf ein sehr gutes Niveau gebracht hatte. Johnny ist einer der besten Produzenten der Welt, aber er wollte dieses Album nicht selbst produzieren, weil er sich mehr auf seine Rolle in der Band konzentrieren wollte. Wir hatten also schon ziemlich ausgearbeitete Versionen, mit denen wir anfangen konnten.
Beim ersten Versuch sind wir einfach vom Kurs abgekommen, und es wurde nicht das, was wir uns vorgestellt hatten. Als wir dann mit Fraser arbeiteten, mussten wir glücklicherweise nicht komplett bei Null anfangen, was den Neustart deutlich erleichtert hat. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schwierig es gewesen wäre, wenn wir ganz von vorne hätten beginnen müssen.
Als Band, die so lange besteht und einen so unverwechselbaren Sound hat, welche Rolle spielt der Produzent im Studio? Ist er wie ein zusätzliches Bandmitglied oder eher jemand, der sich nur um die Technik kümmert? Was ist für euch die ideale Rolle eines Produzenten?
Ehrlich gesagt wussten wir das vorher selbst nicht genau. Wir haben so lange mit Jacknife zusammengearbeitet, dass wir nie wirklich darüber nachgedacht hatten, was wir von einem neuen Produzenten erwarten. Diesmal wollten wir uns nicht zu sehr einschränken, denn wenn du etwas Neues schaffen willst, weißt du oft nicht genau, was das sein soll. Wenn du schon genau weißt, was du willst, kannst du es einfach selbst machen, und Johnny hätte sicherlich das Können dafür. Aber wir wollten eine neue Perspektive, und das erfordert, dass man dem Produzenten Raum gibt, seine eigenen Ideen einzubringen.
Fraser hat uns sofort verstanden. Er wusste genau, wann er sich einmischen musste und wann er uns einfach machen lassen sollte. Wir drei – Johnny, Nathan und ich – haben eine sehr enge Beziehung, wir sind wie Brüder. Fraser hat uns sofort gespürt und genau gewusst, wann er zurücktreten musste, um diesen Raum nicht zu stören. Das war wirklich beeindruckend.
Ich habe gehört, dass der erste Song für dieses Album ziemlich schnell entstanden ist. Stimmt das?
Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt, als ich sagte, es sei leicht gewesen. Johnny und ich waren in einem kleinen Haus in Somerset, das er gebucht hatte. Wir saßen am ersten Tag mit einem leeren Blatt Papier da. Manchmal baust du Räume voller Instrumente auf, schaffst die besten Voraussetzungen, und trotzdem passiert nichts. Musik lässt sich nicht auf Knopfdruck schreiben. Aber an diesem Tag haben wir ein paar Akkorde ausprobiert, und sehr schnell hatten wir einen Song. Normalerweise nehme ich die Melodie mit und schreibe die Texte woanders, aber Johnny meinte, ich sollte die Texte gleich am selben Tag schreiben – und das habe ich dann gemacht. So ist es bei jedem Song dieses Albums gelaufen. Das ist in den letzten 30 Jahren noch nie vorgekommen.
Das ist das erste Album, das ihr als Trio aufgenommen habt. Wie war das für dich?
Natürlich war es sehr traurig, dass Jonny Quinn und Paul Wilson die Band verlassen haben. Nach so vielen Jahren war das wirklich schwer. Aber wir haben schnell gemerkt, dass wir drei weitermachen wollen. Es hat uns sogar noch enger zusammengeschweißt. Es gab natürlich die Frage, ob wir weitermachen sollten, aber die Antwort kam schnell: Ja, wir machen weiter. Wir werden den Rest später herausfinden – Schlagzeug, Bass und all das.
Es wäre respektlos gewesen, sofort über Ersatz für zwei Leute nachzudenken, die zusammen 50 Jahre in der Band waren. Wir wollten uns erst mal nur auf uns drei konzentrieren und das Bandgefühl stärken. Dieses Album hat uns wirklich noch enger verbunden. Es gab vielleicht ein bisschen Angst, dass das "Rezept" der Band kaputt sein könnte, aber wir haben schnell gemerkt, dass es auf das Herzblut ankommt, das man in die Musik steckt.
Wie ausgereift sind die Songideen, wenn ihr ins Studio geht? Entsteht vieles noch im Studio oder ist schon viel vorbereitet?
Einige Songs, wie Never Really Tire und This Is The Sound Of Your Voice, hatte Johnny bereits weitgehend produziert. Bei diesen Songs ging es mehr darum, all die Elemente zusammenzubringen, die bereits da waren. Bei anderen, die ich zu Hause produziert hatte, gab es noch mehr zu tun. Es hängt also wirklich vom Song ab. Normalerweise haben wir einen Ausgangspunkt, und von dort bauen wir weiter auf. Aber es war wirklich magisch, Johnny oder Nathan im Studio zuzusehen, jedes Mal, wenn sie ein Instrument in die Hand genommen haben. Es war eine besondere Atmosphäre im Studio, und es war das erste Mal, dass wir drei wirklich jeden Tag gemeinsam da waren und alles miterlebt haben, was die anderen aufgenommen haben.
Du hast gesagt, eines der Themen dieses Albums ist die Liebe aus der Distanz der Zeit. Kannst du das näher erläutern?
Für mich ist das zentrale Thema des Albums mehr die Zeit als die Liebe. Zeit verhält sich nicht immer linear, besonders in Momenten der Liebe, des Herzschmerzes, der Freude oder des Kummers. Die Art und Weise, wie wir Zeit empfinden, verändert sich in diesen Gefühlszuständen. Vieles auf dem Album klingt, als würde ich aus der Perspektive meines 30- oder 35-jährigen Ichs sprechen, auch wenn ich jetzt 48 bin. Die Zeilen sind oft aus einer früheren Version von mir selbst entstanden.
Wie sieht dein Schreibprozess aus? Hast du eine feste Methode oder variiert das?
Es variiert. Ich hatte in der Vergangenheit oft Schreibblockaden. Aber diesmal hatte ich bereits viele Texte geschrieben, bevor wir überhaupt mit der Musik begonnen haben. Normalerweise schreibe ich die Melodien zuerst und dann die Texte, aber diesmal hatte ich schon viele Zeilen fertig, bevor wir ins Studio gegangen sind. Das hat mir den Druck genommen und den Schreibprozess erleichtert.
Du hast vorhin erwähnt, dass du, wenn du eine Schreibblockade hast, einfach weitermachst. Kannst du erklären, wie dieser Prozess aussieht?
Bei Fallen Empires hatte ich meine erste Schreibblockade. Einige befreundete Musiker gaben mir den Rat, einfach weiterzuschreiben, selbst wenn es Unsinn ist. Irgendwann fängt es an, Sinn zu ergeben. Es ist, als würde man das Gift herausziehen. Also habe ich weitergeschrieben, Seite um Seite, und irgendwann begannen die Texte zu fließen. Bei diesem Album habe ich diesen Prozess im Vorfeld durchlaufen und war dadurch bereit, als die Musik kam.
Hörst du dir manchmal deine alten Alben an? Wenn ja, wie fühlt sich das an? Siehst du die Kämpfe, die du damals hattest, oder bist du stolz auf das, was ihr erreicht habt?
Letztes Jahr haben wir uns Final Straw noch einmal angehört, weil es das 20. Jubiläum war. Das war eine interessante Reise in die Vergangenheit. Manchmal wünscht man sich, man könnte etwas noch einmal machen, aber ich bin sehr stolz auf alles, was wir geschaffen haben. Sogar auf die ersten beiden Alben, die anfangs nicht viel verkauft haben. Sie bedeuten mir sehr viel. Aber die ehrliche Antwort ist, dass ich mir unsere alten Alben nicht oft anhöre.