Wir schauen auf ein Phänomen, dass es so wohl nur im japanischen und vor allem im koreanischen Pop gibt: Bands mit über 20 Mitgliedern. Die südkoreanische Girlgroup tripleS sticht dabei besonders hervor: Sie besteht aus 24 Mitgliedern, die über ein Dutzend Sub-Units bilden und sogar ihre Fans entscheiden lassen, wer mit wem zusammen singt.
Schon das Promobild zum im Mai veröffentlichten Album <ASSEMBLE25> von tripleS sieht eher aus wie ein Klassenfoto. Kein Wunder, immerhin sind in dieser Girlgroup stolze 24 Idols versammelt. Namentlich sind das (bitte tief Luft holen): Kim YooYeon, Mayu, Xinyu, Kim NaKyoung, Park SoHyun, Seo DaHyun, Nien, Yoon SeoYeon, JiYeon, Kotone, Kim ChaeYeon, Gong YuBin, Lee JiWoo, Kaede, Park ShiOn, Sullin, Lynn, Jeong , Kim ChaeWon, Jeong HaYeon, Kim SooMin, Kwak YeonJi, JooBin und SeoAh.
Wer den Konkurrenzkampf im K-Pop kennt und ein bisschen was über die Ausbildung der Idols weiß, fragt sich vielleicht, warum zum Henker man denn so viele hochtalentierte junge Frauen in eine Band stecken sollte. Für siebenköpfige Bands wie BTS oder neunköpfige wie Twice ist es ja manchmal schon schwer genug, wirklich alle Idols mit ihren Talenten kurz strahlen zu lassen. Und auch wenn K-Pop-Songs ganz gerne mal die Richtung wechseln, bleibt es dennoch schwer, zum Beispiel sieben Rapperinnen und neun Sängerinnen in einem Song unterzubringen.
Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Bands ein wenig anders funktionieren. tripleS, oder auch die 25-köpfige Boygroup NCT, treten zwar manchmal auch mit der kompletten Gang an, teilen sich aber sonst auf verschiedene Sub-Units auf. Was wiederum ein Konzept ist, das auch die meisten K-Pop-Bands im kleineren Stil fahren. tripleS stechen aber auch aus diesem Konzept hervor: Bei ihnen haben die aktiven Fans sogar die Chance, zu bestimmen, welche Idols zusammen ins Studio oder auf die Bühne gehen.
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Aber der Reihe nach: Ausgedacht hat sich das alles die südkoreanische Produktionsfirma Modhaus (wie diese Produktionsfirmen funktionieren haben wir in diesem Artikel erklärt), die tripleS offiziell im Februar 2022 ankündigte. Unter den Idols, die ab Mai 2022 über mehrere Monate lang nach und nach verkündet wurden, sind viele, die schon in diversen Kinder-TV-Serien mitspielten oder als Trainees bei anderen Produktionsfirmen ausgebildet wurden. Modhaus erklärte, tripleS werden die erste „fan-participating girl group“ der Welt, was übrigens schon im Bandnamen angelegt ist. Die drei S stehen nämlich für „social“ (für Social Media und so), „sonyo“ (koreanisch für Mädchen) und Seoul (die Homebase der Band).
Um diese Fan-Teilhabe technisch zu ermöglichen, kam im August 2022 die App „Cosmo“ in die App-Stores. Fans, offiziell WAVs genannt, können dort digitale Fotokarten erwerben („Objekts“ genannt), die ihnen wiederum eine Voting-Stimme bei diversen künstlerischen und personellen Entscheidungen geben. tripleS veranstalten in ihrer App nämlich tatsächlich Votings über die Zusammenstellung neuer Sub-Units oder über die Auswahl jener Songs, die auf einer EP oder einem Album zu finden sein werden.
Das Debüt-Mini-Album mit allen Members heißt ASSEMBLE und kam am 13. Februar 2023. Seitdem gab es in jedem Jahr ein Mini-Album oder Album dieser Reihe. Aber tripleS begannen schnell damit, sich in diverse Sub-Units aufzufächern, die wiederum nach und nach die bandeigene „Dimension“ bevölkern werden. Acid Angel from Asia und +(KR)ystal Eyes waren die ersten. Es folgten EVOlution und LOVElution sowie ACID EYES oder später Aria, NXT, Glow, Visionary Vison und Hatchi. Einige dieser Sub-Units geben bestimmte Talent- oder Stil-Paramater vor: Ari ist zum Beispiel eine reine Balladen-Untergruppe, Hatchi performen auf Japanisch.
Das alles klingt so runtergeschrieben fürchterlich technisch und theoretisch. Leben bekommt dieses Konzept aber, wenn man sich die meist wirklich gut gemachten Songs der Band und der Units anhört. Oder wenn man tripleS und den einzelnen Idols auf den Socials folgt. Wenn man ihre Fan-Talks schaut. Wenn sie am Ende nicht nur 24 koreanische Namen sind, sondern 24 individuelle Idols mit unterschiedlichen Talenten, Backgrounds, Charakteren und Styles. Treten sie zusammen auf, haben sie wiederum einen Punch, den man eben nur hinbekommt, wenn man eine ganze K-Pop-Mannschaft- oder -Abschlussklasse auf die Bühne oder in ein Video bringt.
In einem Interview mit dem britischen NME erklärte HyeRin im März letzten Jahres: „Alle 24 von uns haben einen starken Charakter. Wir bringen alle unsere eigene Farbe, so dass es immer ein anderes, einzigartiges Gemälde ergibt, wenn wir Untergruppen bilden.“ YeonJi sagt im gleichen Interview: „Von dem Tag an, als wir alle zusammen als 24-köpfige Band debütierten, stachen wir hervor.“ Viele potenzielle Fans seien anfangs verwirrt oder ungläubig wegen dieser schieren Menge an Idols, aber sie glaube fest daran, dass tripleS zusammen einen wahnsinnig starken Eindruck hinterlassen. „Die Leute wollen wissen, was es mit dieser 24-Member-Group auf sich hat. Und sie wollen wissen, wie es wirkt, wenn wir alle zusammen auftreten.“ Die Band und ihr Team spielt sogar manchmal mit dem Thema – so gibt es im Netz einen Clip, in dem dem einer der intelligentesten Menschen Koreas versucht, sich die Namen aller Member zu merken.
Die Zahlen geben ihn schon mal in Teilen Recht: Zwar teilt die Firma Modhaus nicht, wie viele User die „Cosmo“-App aktiv nutzen, aber die erfolgreichsten tripleS-Songs haben bei Spotify schon mal um die 50 Millionen Streams – was im K-Pop noch lange nicht die Premier League ist, aber im Vergleich zu vielen anderen Pop-Acts schon amtlich. Außerdem spielen einige Sub-Units bereits einige Touren, während andere neue Lieder, Konzepte, Zusammenstellungen präsentieren. Geht das in dem Tempo weiter, können tripleS schon bald geschlossen auf Klassenfahrt, pardon Welttournee gehen und allein mit ihrer Band ein ganzes Tagesfestival schmeißen.