Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.1.1969.
von Timon Menge und Christof Leim
Kinder der Neunziger dürften sich ein Leben ohne Dave Grohl kaum vorstellen können. Mit Kurt Cobain und Nirvana führt er die Grunge-Bewegung an, mit den Foo Fighters stellt er sein eigenes Rock-Imperium auf die Beine. Immer wieder unternimmt der Tausendsassa Ausflüge in fremde musikalische Gefilde und macht mit herzerwärmenden Aktionen von sich reden. Am 14. Januar 1969 kommt der Wunsch-Schwiegersohn des Rock’n’Roll in Ohio zur Welt.
Hört hier in die besten Songs der Foo Fighters rein:
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Kindheit
Grohl wächst als Sohn der Lehrerin Virginia Jean und des Journalisten James Harper auf. Im Alter von zwölf Jahren nimmt er zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand, hat vom Musikunterricht jedoch schnell genug und bringt sich das Spielen stattdessen auf eigene Faust bei. Ein Jahr später legt seine Cousine Tracy den entscheidenden Grundstein für seine musikalischen Vorlieben, indem sie ihn mit Punk in Berührung bringt. Bereits während der High School spielt Grohl in zahlreichen Gruppen wie Mission Impossible und macht sich ein weiteres Instrument, das Schlagzeug, gefügig. Als einen seiner Haupteinflüsse nennt er Led Zeppelin-Trommler John Bonham.
Scream
Seine erste größere Band findet Grohl mit 17. So spielt er bei Scream aus Washington, D.C. vor, als deren Schlagzeuger seinen Posten räumt. Um für den Job in Betracht gezogen zu werden, gibt Grohl an, bereits 20 Jahre alt zu sein. Der junge Trommler erhält zu seiner eigenen Überraschung den Zuschlag und steigt ein. Eine schwerwiegende Entscheidung, denn sie bedeutet den Schulabbruch des jungen Musikers. Mit der Gruppe veröffentlicht Grohl einige Livealben und die Studioplatten No More Censorship (1988) und Fumble (1993, aufgenommen 1989). Für den Song Gods Look Down übernimmt er das Gesangsmikro. Während seiner Zeit mit Scream entwickelt der Schlagzeuger eine Leidenschaft für die Melvins und freundet sich mit der Band an. Als Scream 1990 die Westküste entlang touren, bringt Melvins-Mastermind Buzz Osborne, ein großer Scream-Fan, zwei seiner Freunde mit zu einer Show: Kurt Cobain und Krist Novoselic.
Nirvana
Einige Monate später lösen sich Scream auf. Grohl steht ohne Job da und fragt Buzz Osborne um Rat. Der wiederum erzählt ihm, dass eine junge Band namens Nirvana gerade auf Drummer-Suche ist. Osborne gibt seinem Kumpel ein paar Telefonnummern, und wenig später steigt Grohl in die Gruppe ein, die sich in den folgenden Jahren zur größten Grunge-Band aller Zeiten entwickeln soll. Er trommelt auf der zweiten Platte, dem legendären Nevermind (1991), doch in das Songwriting lässt sich Kurt Cobain nur bedingt reinreden. Das ändert sich auch auf dem Nachfolger In Utero (1993) nicht. Zwar steuern Grohl und Bassist Novoselic vereinzelt Ideen bei, doch bei den meisten Songs ist Cobain als alleiniger Autor vermerkt. Mit seinem Tod am 5. April 1994 endet auch die Nirvana-Geschichte.
Foo Fighters
Grohl weiß zunächst nicht, was jetzt passieren soll. Er nimmt ein Demo mit 15 Songs auf, für das er fast alle Spuren selbst einspielt. Er überlegt sogar, ob er zukünftig als Session-Trommler für andere Bands arbeiten soll. So spielt er in der US-amerikanischen Fernsehsendung Saturday Night Live mit Tom Petty & The Heartbreakers. Petty fragt ihn anschließend, ob er der Gruppe beitreten möchte, gibt ihm dann allerdings den Tipp, sich auf die Foo Fighters zu konzentrieren. Ein guter Ratschlag, wie wir heute wissen. Auch als Ersatz für Pearl Jam-Schlagzeuger Dave Abbruzzese ist Grohl im Gespräch, den Zuschlag erhält Jack Irons, der gerade die Red Hot Chili Peppers verlassen hat. Grohl entscheidet sich für eine eigene Karriere, möchte aber nicht solo durchstarten und stellt eine Band zusammen. Einen Plattenvertrag mit Capitol Records kann er schnell eintüten. Statt ein Debüt aufzunehmen, lässt er sein Demo professionell abmischen. Es erscheint 1995 als erstes Album der Foo Fighters.
Während der nächsten Dekaden baut Grohl seine Band zu einer der größten Alternative Rock-Gruppen aller Zeiten auf. Der Durchbruch erfolgt 1997 mit The Colour And The Shape, aus dem die Hits Everlong, My Hero und Monkey Wrench hervorgehen. Im Jahr 2000 nehmen die Foo Fighters eine Coverversion des Pink Floyd-Stücks Have A Cigar auf — gemeinsam mit Queen-Gitarrenlegende Brian May. Es kommt zu weiteren Kooperationen. Zum Beispiel steuert May Gitarrenparts zum Foo Fighters-Song Tired Of You bei. Mit One By One (2002), In Your Honor (2005), Echoes, Silence, Patience & Grace (2007), Wasting Light (2011), Sonic Highways (2014) und Concrete And Gold (2017) veröffentlichen die Foo Fighters in den Jahren danach kein einziges Album, das nicht mindestens Platz drei der US-Charts erreicht.
Am 20. Mai 2015 treten die Foo Fighters in der allerletzten Folge der Late Show with David Letterman auf. Die Band spielt den Song Everlong, Lettermans Lieblingslied. Ein weiteres, durchaus einzigartiges Karriere-Glanzlicht gelingt Dave Grohl im November 2002, als er sich selbst von Platz eins der Billboard Modern Rock-Hitliste verdrängt. Führte bis dato You Know You’re Right von Nirvana, belegt nun All My Life von den Foo Fighters die Pole Position. Man könnte sagen: Grohl entthront sich selbst.
Ein Thron kommt auch 2015 ins Spiel, als er während einer Show in Schweden von der Bühne fällt und sich das Bein bricht. Grohl verschwindet kurz, spielt das Konzert aber trotz großer Schmerzen zu Ende. Zwar müssen die Foo Fighters die restliche Europatour absagen, doch damit die US-Termine nicht das gleiche Schicksal erfahren, sorgt Grohl für eine Lösung: Er lässt sich einen Thron entwerfen, auf den er sich während der Konzerte setzen kann. Dieser kommt erstmals am 4. Juli 2015 zum Einsatz. Auf der Videoleinwand laufen dazu Bilder von Grohls Sturz und von Röntgenaufnahmen seines Beinbruchs. Doch nicht nur das: Am 1. April 2016 schreibt der Thron ein weiteres Mal Rockgeschichte. Als sich Axl Rose von Guns N’ Roses eine ähnliche Verletzung zuzieht, verleiht Dave Grohl seine bescheidene Sitzgelegenheit und wird so indirekt Teil der ersten Tour von Axl Rose, Slash und Duff McKagan seit fast 20 Jahren.
Weitere Projekte
Überhaupt: Wo Rock’n’Roll draufsteht, mischt Dave Grohl mit. Ein besonderes Denkmal setzt er sich mit Probot, einem All-Star-Metal-Projekt, für das er über Jahre hinweg Stars wie Lemmy Kilmister von Motörhead, Cronos von Venom, King Diamond, Scott Weinrich von The Obsessed oder Max Cavalera von Sepultura verpflichtet und ihnen Songs auf den Leib schneidert, die sie genauso gut selbst hätten schreiben können. Das gleichnamige Album erscheint 2004 und verschafft Dave Grohl eine Menge Respekt, auch über die eigene Fangemeinde hinaus.
Weitere Kooperationspartner des musikalischen Multitalents: Tenacious D, Queens Of The Stone Age, Nine Inch Nails, Garbage, Juliette And The Licks, David Bowie, Paul McCartney, The Prodigy und Ghost, um nur einige wenige zu nennen. Sogar in der Muppet-Show tritt Grohl auf und leistet sich ein Schlagzeugduell mit dem „Tier“.
Im Juli 2009 erfährt die Öffentlichkeit, dass Grohl, Desert-Rock-Legende Josh Homme und Led Zeppelin-Bassist John Paul Jones ein gemeinsames Projekt namens Them Crooked Vultures gegründet haben. Das Debüt der Gruppe erscheint im folgenden November. Innerhalb kürzester Zeit stürmt das Trio die Billboard-Charts und sahnt sogar einen Grammy ab. In späteren Interviews erzählen die Musiker immer wieder, dass ein zweites Album in Planung sei, doch ein Nachfolger bleibt bis heute außer Sicht.
Zu einem besonders denkwürdigen Abend kommt es im Oktober 2018, als Krist Novoselic, Gitarrist Pat Smear und Dave Grohl im Rahmen des von Grohl und den Foo Fighters kuratierten Cal Jam-Festivals einige Nirvana-Songs spielen. Zwar kommt es bereits 2014 zu einer Reunion, als Nirvana in die Rock And Roll Hall Of Fame eingeführt werden, doch der Gig vier Jahre später dürfte vor allem den vor Ort anwesenden Fans Freudentränen in die Augen getrieben haben. Da Kurt Cobain aus offensichtlichen Gründen nicht dabei sein kann, singen John MacCaulay von Deer Ticks und Joan Jett.
Mensch und Musiker
1994 heiratet Grohl die Fotografin Jennifer Youngblood, 1997 wird die Ehe geschieden. 2003 folgt Ehe Nummer zwei, diesmal mit Jordyn Blum. Das Paar hat drei Kinder. Experten schätzen Grohls Vermögen auf 260 Millionen US-Dollar, womit er der drittreichste Drummer der Welt wäre, gleich nach Ringo Starr und Phil Collins. Auch sein soziales Engagement dürfte im direkten Vergleich für einen der ersten Plätze taugen. So spricht er sich regelmäßig gegen Drogenmissbrauch aus und tritt für die Rechte homo- und transsexueller Menschen ein. Als zwei australische Minenarbeiter im Jahr 2006 in Beaconsfield verunglücken, lädt er sie nach deren Rettung zu einer Foo Fighters-Show ein. Einer der beiden nimmt das Angebot an, und Grohl bereitet anlässlich des Besuchs den Song Ballad Of The Beaconsfield Miners vor. 2007 erscheint das Stück auf Echoes, Silence, Patience & Grace.
Obwohl er bis heute keine einzige Note lesen kann, gehört Dave Grohl zu den bedeutendsten Rockmusikern der vergangenen Dekaden. Nicht nur, dass er mit Nirvana maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Grunge und der Rockmusik im Allgemeinen nimmt; mit den Foo Fighters legt er auch eine Zweitkarriere hin, deren steilen Verlauf er wohl selbst nicht vorhersehen konnte. Hoffen wir, dass er uns noch lange erhalten bleibt und auch in den kommenden Jahrzehnten nichts von seiner scheinbar endlosen Kreativität einbüßt. Herzlichen Glückwunsch!