Featured Image

Zeitsprung: Am 17.7.1992 starten Metallica und Guns N’ Roses eine gemeinsame Tour.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 17.7.1992."

von Christof Leim

1992 gibt es im harten Rock keine größeren Bands als Metallica und Guns N’ Roses. Deshalb war es ein ziemlicher Knaller, als im Mai 1992 Lars Ulrich und Slash bei einer ziemlich versoffen wirkenden Pressekonferenz in Los Angeles eine gemeinsame Tour durch Nordamerika verkünden. Das Motto lautet: „They said it would never happen“, also: „Alle haben gesagt, das würde niemals passieren“. Guns N’ Roses sind da gerade unterwegs für ihre Use Your Illusion-Scheiben, Metallica feiern den Megaerfolg des schwarzen Albums. Also freut sich die Welt der Krachmusik auf ein großes Spektakel – und das werden die gemeinsamen Konzerte durchaus. Allerdings aus unerwarteten Gründen…


Photo by Ke.Mazur/WireImage Irgendwas ist immer

Am 17. Juli 1992 geht es in Washington, D.C. los. Guns N’ Roses spielen auf der Tour als Headliner, Metallica davor – angesichts der notorischen Zuspätkommerei von Axl Rose eine clevere Entscheidung. Faith No More machen den Opener; ursprünglich wollte Axl zwar Nirvana dabei haben, aber Kurt Cobain hat – selber schuld – abgesagt. Die meisten der 25 Konzerte sind ausverkauft, pro Abend erscheinen 35- bis 70.000 Fans. Die zu erwartenden Einnahmen liegen bei einer Dreiviertelmillion Dollar. Pro Abend. Doch natürlich läuft nicht alles glatt.

Einmal kotzt Axl bei You Could Be Mine auf die Bühne (21. Juli in Pontiac, Michigan), entschuldigt sich artig und startet den Song nochmal. Mehrmals hat er an den folgenden Tagen Probleme mit der Stimme, aber dafür kann er womöglich nichts, weil die Band zu der Zeit viel zu viele Konzerte spielt. Ein Doktor verordnet ihm während einer Pause am 30. Juli in New York City deshalb Auftrittsverbot für eine Woche, weswegen drei Gigs verschoben werden müssen.

Im kanadischen Montreal am 8. August 1992 knallt es dann, und zwar zweifach: Bei einer Pyro-Explosion im Intro zu Fade To Black steht James Hetfield an der falschen Stelle und zieht sich Verbrennungen zweiten und dritten Grades auf der linken Seite seines Körpers, an beiden Armen und der linken Hand zu.


Eskalation

Während er ins Krankenhaus gebracht wird, müssen seine Kollegen der Menge mitteilen, dass die Show damit gelaufen ist. Guns N’ Roses könnten nun mit ein paar kleinen Heldentaten den Abend retten. Doch daraus wird nichts: Sie lassen sie Menge ewig lange warten, Unruhe macht sich breit. Als das Set endlich läuft, bricht Axl mittendrin ab, weil seine Stimmbänder nicht mitspielen und der Sound nicht funktioniert. Für beides kann er nichts, mindestens zweites muss er aber aushalten. Dass er das nicht tut und (angeblich in Absprache mit seinen Mitmusikern) das Konzert beendet, hat Konsequenzen: Die Fans drehen durch und starten eine hirnlose Randale in den Straßen von Montreal. Szenen davon sind in der Metallica-Dokumentation A Year And A Half In The Life Of Metallica von 1992 und natürlich in allen Nachrichten zu sehen.


Glücklicherweise hat es James Hetfield nicht so schlimm erwischt, wie es hätte sein können. Sechs Termine werden verschoben, einer muss ausfallen, dann stößt der Mann wieder zum Tross. Allerdings muss er dicke Bandagen tragen und kann zwar singen, aber nicht Gitarre spielen. Zum zweiten Mal in seiner Karriere übernimmt John Marshall (früher Metallica-Roadie, mittlerweile Gitarrist bei Metal Church) seinen Posten, genau wie auf der Tour zu Master Of Puppets sechs Jahre zuvor. Damals hatte Hetfield sich den Arm beim Skateboarden gebrochen.

Hoher Besuch

Faith No More verlassen am 21. September die Rundreise, Body Count übernehmen, bis schließlich zum Abschluss Motörhead für drei Abende hinzustoßen. Natürlich tauchen jede Menge Kumpels hinter und auf der Bühne auf: Shannon Hoon von Blind Melon singt in Indianapolis bei Guns N’ Roses Don’t Cry mit, Jim Martin von Faith No More zockt in Irving, Texas mit seinen Homies Metallica das Misfits-Cover Last Caress.

Nach 26 Konzerten, die sich über zweieinhalb Monate verteilen, endet die Sause am 6. Oktober in Seattle. Trotz allem Chaos wird die Tour zu einem gewaltigen finanziellen Erfolg – zumindest für Metallica. Laut der Autobiografie von Slash gehen 80 Prozent der Einnahmen von Guns N’ Roses für megaextravagante Aftershow-Partys und vor allem für saftige Strafzahlungen drauf, weil Axl ständig mit mehreren Stunden Verspätung auf die Bühne geht. Backstage verstehen sich die meisten der Rockstar-Reisegefährten prächtig, allerdings macht sich Hetfield gerne mal über die Garderobenausstattung von „Axl Pose“ lustig.

Guns N’ Roses touren anschließend noch neun weitere Monate, Metallica hängen ebenfalls noch ein halbes Jahr dran. Beide Bands sind danach – Grunge hin oder her – die Größten. Guns N’ Roses fallen jedoch in der Folgezeit mehr oder minder auseinander, Metallica machen eine stilistische Metamorphose durch, die nicht jedem Fan gefällt, aber die Band durch die Neunziger bringt. Weitere gemeinsame Konzerte gibt es in den nächsten Dekaden nicht.