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Zeitsprung: Am 28.10.1978 erscheint der Film „Kiss Meets The Phantom Of The Park“.

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.10.1978.

von Christof Leim

1978 genießen Kiss Superstar-Status in den USA. Die Platten laufen bestens, die Konzerte sind voll, das Merchandise spült Millionen in die Kasse. Im September erst haben alle vier Musiker am gleichen Tag Soloalben veröffentlicht, doch Manager Bill Aucoin verfolgt eine größere Vision für das ikonische Image der Gruppe. Die Charaktere der vier Schminkemonster tauchen zunächst in Comics auf, doch alles soll noch gigantischer werden: Kein Wunder also, das Kiss einen Film drehen wollen. Wenn man schon wie Superhelden aussieht, kann man auch gleich welche spielen. Das Ergebnis heißt Kiss Meets The Phantom Of The Park – und gilt heutzutage als trashiger Kult. Höchstens.



Natürlich denken Aucoin und die Band in den größten Dimensionen: Eine Mischung aus Hard Day’s Night und Star Wars soll der Kiss-Streifen werden. Herauskommt allerdings ein Fantasy-Action-Superhelden-Filmchen mit bisschen Musik, hanebüchenem Skript und „interessanten“ schauspielerischen Darstellungen. Die Handlung in Kürze: Kiss müssen mit ihren Superkräften einen kalifornischen Vergnügungspark vor einem verrückten Wissenschaftler retten, der mit bösen Robotern sein Unwesen treibt. Und am Ende gibt’s ein großes Konzert. Damit das gelingt, spuckt der „Demon“ Feuer, schießt das „Starchild“ Laser aus den Augen, während der „Spaceman“ die Macht der Teleportation nutzt und der „Catman“ ordentlich hoch springen kann. 1a-Comic-Futter.



Der Dreh beginnt im Mai 1978 im Magic Mountain Park in Kalifornien sowie in den Hollywood Hills. Viel Zeit steht dafür nicht zur Verfügung, denn Kiss legen in Sachen Touren und Albumveröffentlichungen nach wie vor ein beeindruckendes Tempo hin. Das Skript wird zwischenzeitlich mehrfach umgeschrieben, was die Aufnahmen nicht vereinfacht. Alle vier Rockstars erhalten Anfängerkurse in Schauspielerei, zudem verbringen die Autoren Zeit mit jedem einzelnen, um sich in den Charakter und die Person hinter dem Make-up „reinzufühlen“.



Weil Ace Frehley gerade seine exzentrische Phase auslebt und meistens nur „Ack!“ sagt, bekommt auch seine Filmfigur anfangs kaum Dialoge. Nicht nur das missfällt dem partygeneigten Gitarristen: Weil er für die Dreharbeiten ständig früh aufstehen muss, dann aber in voller Maskerade stundenlang zu warten hat, überwirft sich Ace mehr als einmal mit dem Regisseur und verschwindet vom Set. Deshalb wird er gelegentlich durch sein Stunt Double ersetzt. Dumm nur, dass der Mann eine andere Statur und dunkle Haut hat. An manchen Stellen sieht man das sogar.



Peter Criss, der zu dieser Zeit auch gerne feiert, ergeht es nicht viel besser: Seine Dialoge spricht der Schauspieler Michael Bell ein, angeblich weil der Drummer alle Termine zur Nachvertonung sausen lässt (was er aber später abstreitet). Es gibt auch Gerüchte, Criss’ dicker Brooklyn-Akzent eigne sich nicht für einen Hollywood-Streifen. Seine echte Stimme hört man nur in der Akustikversion von Beth.



Paul Stanley und Gene Simmons zeigen anscheinend als einzige die richtige Arbeitseinstellung, aber es wird klar, dass sie andere Dinge besser können. Fairerweise gibt man ihnen auch nicht das beste Material…



Natürlich kommt die Musik nicht zu kurz: Kiss spielen am 19. Mai 1978 vor 8000 Leuten ein Konzert im Park, das für den Film mitgeschnitten wird. (Für die Trivia-Freaks: Dabei ertönt auch Rip And Destroy, eine alternative Version zu Hotter Than Hell mit anderem Text.) Im Streifen selber hören wir Rock And Roll All Night, Beth und New York Groove zur Untermalung einer Kampfszene.



Bevor Kiss Meets The Phantom Of The Park am 28. Oktober 1978 in den USA im Fernsehen ausgestrahlt wird, besuchen Kiss mit ihrem Management und Freunden eine Privatvorführung. Sie sind nicht begeistert. Man kann es ein bisschen verstehen, denn so richtig cool kommen sie nicht rüber. Deshalb darf in den nächsten Jahren niemand in ihrem Umkreis den Film auch nur erwähnen.


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1979 kommt das Werk sogar in die Kinos, zum Teil unter anderen Namen wie Attack Of The Phantoms oder Kiss Phantoms, dafür mit zusätzlichen Szenen. Hierzulande heißt das gute Stück Kiss – Von Phantomen gejagt. Die deutsche Synchronisation klingt... sonderbar und sei zum Amüsement ausdrücklich empfohlen.



Kommerziell geht nicht viel, der große Blockbuster-Erfolg bleibt aus. Es sollte nicht die einzige Gelegenheit sein, zu der Kiss damals die Spur verlieren; kurz darauf folgen Dynasty, Unmasked und Music From (The Elder), aber die Geschichten erzählen wir ein andermal.


Kiss selbst reagieren über die folgenden Jahrzehnte mit einer Mischung aus Abscheu und Amüsement. Heutzutage kommt die Welt allerdings nicht umhin, den Film als Kultklassiker zu bezeichnen. Kiss-Fans müssen das Ding jedenfalls gesehen haben. Auch wenn’s manchmal ein bisschen wehtut.