Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.7.1962.
von Christof Leim und Tom Küppers
Natürlich hat Bob Dylan im Laufe seines Lebens etliche Klassiker der modernen Folk- und Rock-Musik geschrieben. Don't Think Twice, It's All Right, Knockin' On Heaven's Door, All Along The Watchtower – diese Liste lässt sich noch fortsetzen. Doch das am 9. Juli 1962 aufgenommene Blowin’ In The Wind zählt zu den größten und wichtigsten Leistungen des Nobelpreisträgers.
Aus den Protesten unter anderem gegen den Vietnamkrieg entwickelt sich die „Counterculture“ der Sechziger. Credit: Lyndon B. Johnson LibraryVietnam, Kuba-Krise, Bürgerrechte, der Kalte Krieg: So heißen nur einige der Themen, die die US-amerikanische Politik zu Beginn der Sechziger dominieren. Gerade die jüngeren Generationen suchen nach Möglichkeiten, ihren Protest, ihre Wut und ihre Sorge bezüglich das herrschenden gesellschaftlichen Klimas auszudrücken. Inspiriert von den Schriften Jack Kerouacs, insbesondere dessen Bestseller Unterwegs, sowie von Folk-Sängern wie Pete Seeger oder Woody Guthrie entsteht eine Gegenkultur zum bürgerlichen Establishment, welche die Dekade in verschiedener Weise prägen wird.
In New York trifft sich diese Szene bevorzugt in den Bars und Cafés des Viertels Greenwich Village, mittendrin ein knapp zwanzigjähriger junger Folkbarde namens Robert Allen Zimmermann, der sich Bob Dylan nennt. So heißt auch sein Debüt, das er im März 1962 veröffentlicht. Es besteht überwiegend aus Coverversionen und neu arrangierten Traditionals der Marke House Of The Rising Sun, nur zwei Stücke aus eigener Feder finden sich darauf (Song To Woody und Talkin’ New York).
Dylan findet seine Stimme
Bereits auf dem zweiten Album The Freewheelin' Bob Dylan (1963) verschiebt sich dieses Verhältnis deutlich zugunsten der Eigenkompositionen. Dylans Vertrauen in seine musikalischen und lyrischen Fähigkeiten ist deutlich gewachsen, er schreibt wie ein Besessener. Dabei entsteht auch Blowin’ In The Wind, das Bob im April 1962 im Gerde's Folk City in Greenwich Village in einer verkürzten Variante uraufführt. Noch existieren lediglich zwei Strophen, die dritte folgt ein paar Tage später. Als er am 9. Juli 1962 die Columbia Recording Studios in New York betritt, stehen Arrangement und Text dann komplett.
Auf seinem zweitem Album findet Bob Dylan seine Stimme als Songwriter. „Blowin’ In The Wind“ eröffnet die Platte.In seinem Lied stellt Bob Dylan rhetorische Fragen über Freiheit, Krieg und Frieden, zu denen lediglich der Wind die Antwort weiß. Schon poetisch, oder? Der Journalist Mick Gold hat den Refrain „the answer my friend is blowin’ in the wind“ als „unergründlich zweideutig“ interpretiert: „Entweder ist die Antwort so offensichtlich, dass sie dir ins Gesicht springt, oder sie ist eben so ungreifbar wie der Wind.“ Innerhalb kürzester Zeit wird das Lied zu einer Hymne der amerikanischen Bürgerbewegung, besonders in der afroamerikanischen Kunst- und Musikszene zeigt man sich schwer beeindruckt davon, wie ein junger weißer Mann die Probleme und Sorgen „ihrer“ Jugend in so treffende Worte fassen kann. Knapp vierzig Jahre später singen man auf Demos gegen den Irak-Krieg auf der ganzen Welt wieder diese Zeilen, später bringen manche diesen Song sogar mit der Black Lives Matter-Bewegung in Zusammenhang. Nur logisch, dass Dylan bei seinem ersten Auftritt im US-TV genau dieses Lied spielt.
Weltweite Nachahmung
Das Album The Freewheelin' Bob Dylan mit Blowin’ In The Wind an erster Stelle erscheint fast ein Jahr nach der Aufnahme, am 27. Mai 1963, und erreicht Platz 22 in den USA. Als Single wird die Nummer im August 1963 nachgelegt. Nicht nur Dylan verzeichnet damit Erfolge: Alleine die Aufnahme von Peter, Paul And Mary verkauft sich über eine Million mal. Ebenfalls empfehlenswert sind die Versionen von Sam Cooke, Stevie Wonder, Joan Baez und Dolly Parton. Und natürlich gibt es auch deutsche Interpretationen unter dem originellen Titel Die Antwort weiß ganz allein der Wind, beispielsweise von Marlene Dietrich, komplett mit Schifferklavier und leichtem Seefahrtssfeeling.
Zwei Versionen der „Blowin’ In The Wind“-SingleAusgerechnet Pete Seeger, eines von Dylans Vorbildern, identifiziert Blowin’ In The Wind schließlich als „geklaut“. Die Melodie sei vom afroamerikanischen Spiritual No More Auction Block entliehen, verkündet er seinerzeit, was Dylan erst 1978 zugibt. Urteilt selbst:
Nickeligkeiten unter Folkbarden
Seeger nimmt Dylans Song allerdings nicht nur in sein eigenes Repertoire auf, er zieht den jungen Liedermacher sogar noch durch den Kakao mit Zeilen wie „How many books can one man own, before he has learned to read?“ oder „How many meanings can he give to a phrase, before from his lexicon he's freed?“ Dass Bob sich daran erinnert, als ihm 2016 der Nobelpreis für Literatur verliehen wird, möchten wir bezweifeln…
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