Evolution, Transformation, Revolution: Diese und ähnliche Schlagworte mussten den ersten Hörer*innen des Debütalbums Fresh Cream der neu formierten Band Cream auf der Zunge gelegen haben, als sie die Nadel zum ersten Mal auf die Vinylrillen aufsetzen ließen. Und im Takt der kreisenden Platte drehte sich die Musikwelt innerhalb von 41 Minuten ein Stück weiter.
Hier könnt ihr Fresh Cream hören:
Im Sommer 1966 also treffen drei Musiker aufeinander, die so etwas wie die erste Supergroup formieren. Eric Clapton ist durch seine Zeit bei den Yardbirds und John Mayall & The Bluesbreakers zu so etwas wie Englands Gitarrengott avanciert, strebt aber nun nach neuen musikalischen Inspirationen. Ginger Baker, schon in den 1960er Jahren ein gefeierter Drummer, spielte damals für Graham Bond Organisation, hatte aber eigenen Angaben zufolge genug von den Drogenexzessen des Sängers. Die beiden lernten sich auf einem Konzert der Bluesbreakers kennen. Als Baker Clapton nach dem Konzert mit seinem schicken neuen Rover nach Hause fuhr, imponierten Clapton vor allem das Auto und Bakers Fahrstil. So erzählte er es selbst.
Ein bisschen mehr als ein geiler Schlitten muss es gewesen sein, jedenfalls fragte Baker Clapton, ob er in seiner noch namenlosen Band mitspielen wolle. Und er wollte, allerdings unter der Bedingung, dass die beiden auch noch Jack Bruce anheuerten, ein fabelhafter Bassist und Sänger, mit dem Clapton einige Male zusammen gespielt hatte und der ein unterbeschäftigtes und unterfordertes Dasein in Manfred Manns immer poppiger werdender Band fristete. Baker soll so überrascht von Claptons Vorschlag gewesen sein, dass er seinen Rover beinahe in den Wald steuerte. Aber ein musikalischer Urknall geschieht eben nicht ohne Bumms. So kommen im Sommer 1966 also drei Musiker zusammen, die sich über ihren Einfluss, den sie auf die Musikwelt haben sollten, kaum ganz klar gewesen sein konnten. Statt sich jedoch an ihren eigenen Spiegelbildern zu erfreuen, gingen sie ins Studio und nahmen ein Album auf.
Noch bis zu den Haarspitzen im Blues verwurzelt, entstand Fresh Cream, das für die Entwicklung von Hardrock, Bluesrock und Heavy Metal wegweisend sein sollte. Noch nicht alles ist so ganz ausgereift, manches Potential kann sich nicht in Gänze entfalten, auch wenn die guten Ideen überall durchscheinen. Aber so ist das mit Pionierarbeiten.
Altes und Neues
Etwa die Hälfte der Songs auf Fresh Cream sind Eigenkreationen, die andere Hälfte innovativ arrangierte Bluesklassiker, versehen mit Tributen und Anspielungen auf große Legenden wie Robert Johnson (Four Until Late), Skip James (I’m So Glad) oder Willie Dixon (Spoonful). Hervorzuheben sind auf jeden Fall die rhythmischen Ambitionen und die Vielseitigkeit von N’.S.U. Versehen mit sehr kurzen Strophen und sehr kurzem Refrain prägt den treibenden Song ein ständiger Wechsel, im Grunde ein weiterentwickeltes Call&Response-System.
Driving in my car, smoking my cigar, The only time I’m happy’s when I play my guitar. Singing in my yacht, what a lot I got, Happiness is something that just cannot be bought. I’ve been in and I’m out, I’ve been up and down, I don’t want to go until I’ve been all around. What’s it all about, anyone in doubt, I don’t want to go until I’ve found it all out.
Der von Clapton und Bruce gesungene Refrain besteht nur aus einem langgezogenen “Aaaaaaahhhh”, was ein wenig kehlig klingt. Aber geschenkt, der Rest ist großartig. Und das Solo, das Clapton zur Hälfte zum Besten gibt: formidable.
Der Opener I Feel Free ist mit Sunshine Of Your Love der wohl erfolgreichste Song von Cream. Er beginnt mit Klatschen und Schnipsen und einem genussvollen Summen von Bruce und klingt ganz nach Gospel. Dann wird es aber sehr rockig, wobei Bruce seinen schwärmenden Tonfall beibehält und nur in den Strophen in einen rockigeren Sprechgesang wechselt. Der Song hat gleichermaßen Pop-Appeal und dreht die Bluesrock-Uhr eine Runde weiter.
Unmöglich, beim Hören nicht an hippe Jungs mit hochgekrempelten Hosenbeinen inmitten des englischen Blues Booms zu denken, die lässig in einen Wagen mit offenem Verdeck springen. Oder an elegante Girls, denen beim Tanzen die glatte Fönfrisur ganz und gar durcheinanderwirbelt.
Sleepy Time Time kommt dagegen getragen daher, ganz Blues, ganz Call & Response. Bruces Stimme wechselt sich in der Melodieführung mit Claptons Gitarre ab. Nur schläfrig wird man hier ganz und gar nicht. Eher möchte man sich noch einen Whiskey eingießen.
Wie es dazu kam, dass heute nicht mehr allzu viel über Fresh Cream geredet wird? Nun es ist das Schicksal jener, deren Folgealben jeweils immer noch besser und besser werden. Wer ein Album wie Disraeli Gears (1967) veröffentlicht, muss sich ja wirklich nicht wundern. Allen, die sich für musikalische Evolutionen – ach was – Revolutionen interessieren, sei Fresh Cream als Geburtsstunde nicht nur einer Supergroup, sondern neuer Musikstile empfohlen: als Quellenforschung sozusagen.
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