Die Geschichte, die nie ihr Ende fand: American Recordings legt Johnny Cashs "Unearthed" mit großer Vinyl-Box neu auf!
platten16.11.17
Einer der wenigen noch wahren, berührenden, ja schier herzzerreißenden Legenden in der heutigen Moderne ist vielleicht die von Johnny Cash und Rick Rubin. Dass Cash zu den wohl bedeutendsten Musikschaffenden des 20. Jahrhunderts gehört, ist ja nicht unbedingt ein Geheimtipp. Klassiker wie I Walk The Line werden uns wohl noch bis in die Ewigkeit begleiten – was, versteht mich nicht falsch, auch gut so ist! Abgesehen von den Songwriting-Künsten des Country Giganten hat sich jedoch auch seine Arbeit mit Rick Rubin ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Falls jemand im Publikum gerade auch dem Schlauch steht: Rick Rubin ist ein Musikproduzent mit einem sehr elaborierten Bart, der grundsätzlich jede Produktion in Gold und Platin verwandelt. Also Rick Rubin. Nicht der Bart. Aber wieder zurück zu diesem denkwürdigen Zusammenkommen der beiden metaphorischen Schwergewichte.
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Denn genau diese Arbeit, eine Serie von Alben in roher, stripped-down Soundästhetik zu produzieren, sorgte für eine tragische Ironie. Den Künstler Johnny Cash haben diese Alben wiederbelebt und als gleißenden Country-Stern wieder auf die Titelseiten der Musikwelt gebracht. Nicht zuletzt durch einige sehr Chart-taugliche und für Cash in der heutigen Zeit entsprechend ungewöhnliche Cover-Songs. Der Mensch Johnny Cash durfte das Grande Finale dieses letzten Akts seiner Karriere jedoch nicht mehr miterleben. Und genau dort beginnt die Geschichte von Unearthed.
Dabei handelt es sich um eine ganze Serie von Platten, größtenteils bestückt mit bis dato unveröffentlichtem Material, die von Rubins Label American Recordings zur Feier der fast zehnjährigen Zusammenarbeit des Herren in Schwarz und des Herren mit Bart veröffentlicht werden sollte.
Heute, gut 14 Jahre nachdem Unearthed am 3. November 2003 zwei Monate nach dem Tod von Johnny Cash das Licht der Plattenregale erblickte, lässt American Recordings die Legende wieder aufleben: Zum ersten Mal wurden die Platten auf Vinyl neu zusammengestellt und die beachtlichen 79 Songs von Unearthed auf neun, je 180 Gramm schweren Scheiben aus schwarzem Gold aufgeteilt. Für einen solchen Anlass braucht es natürlich auch das passende Äußere, sodass – ganz im Sinne der Cash-schen Farbgebung – die Unearthed-Box in schwarz eingebundenem Stoff zwei Bücher in Vinyl-Cover Abmessung enthält. Im ersten Buch werden die neun Langspielplatten an sich verstaut, während das zweite Buch eine Serie an Fotos, Liner-Notes der Journalistin Sylvie Simmons, sowie Cashs und Rubins Kommentare zu jedem Song der Unearthed-Veröffentlichung enthält. Fotografien von Recording-Sessions und einige der letzten Lichtbild-Aufnahmen von Johnny Cash, die jemals gemacht worden sind, machen aus diesem Booklet der Extraklasse ein sehr amtliches und bildgewaltiges Coffee-Table-Book, in dem selbst die eingefleischten Cash Fans über die langen, dunklen Wintertage noch einiges zu entdecken haben werden.
Johnny Cash
Die Tragik in der Unearthed-Geschichte ist, dass Cash die finalen Mixe der Aufnahmen, die bereits auf dem Weg zu seinem Zuhause nördlich von Nashville waren, nie zu hören bekam. Also auf gewisse Art und Weise eine für immer unvollendete Geschichte, die ein meilenweites Spektrum von Rockabilly, Cover-Versionen von Klassikern und auch tiefempfundenen Gospel umspannt. Ein atemberaubender Rundumschlag durch Cashs musikalisches Erbe, das auf Unearthed in fünf Abschnitte aufgeteilt wurde.
Who’s Gonna Cry, das erste Kapitel, spiegelt die wohl purste Version von Johnny Cash wider und umfasst akustische Solo-Aufnahmen, die verschiedenste Klassiker aus seinem weitreichenden Katalog wieder auferstehen lassen. Im zweiten Kapitel, Trouble In Mind, sind Gast-Stars wie Tom Petty and the Heartbreakers, Carl Perkins, Mitglieder der Red Hot Chili Peppers und sogar Cashs Frau und langjährige Duett-Partnerin June Carter Cash zu hören. In Redemption Songs teilen sich ähnlich große Namen wie Nick Cave, Joe Strummer oder Fiona Apple mit Johnny Cash das Mikrofon, bevor Unearthed dann nach My Mother’s Hymn Book, in dem Cashs Affinität zu Gospel-Musik zum Besten kommt, in Best Of Cash On American seinen grandiosen Abschluss findet und als kräftigen Schlusspunkt Cashs wirklich nicht zu verachtende Vielseitigkeit zusammenfasst. Neben dem Cover von Soundgardens Rusty Cage ist hier – wie das Goodbye, das er nie richtig sagen konnte – Cashs mitreißende Version des Nine Inch Nails Songs Hurt zu finden. Goodbye, Johnny Cash, let’s walk the line.