Das Jahr 1976 hat gerade begonnen und schon geht es rund: In Stuttgart wird der Prozess gegen die Rote Armee Fraktion eröffnet, das Amt des Secretary of State wird in Amerika zum ersten Mal von einem African-American – Clifford Alexander Jr. – bekleidet, Jack Nicholson bekommt seinen ersten Oscar für “Einer flog über das Kuckucksnest” und Genesis müssen einen harten Brocken schlucken: Ihr Sänger Peter Gabriel hat sie verlassen. Was macht eine verlassene Band ohne ihren Frontmann? Nun, ähnlich einer zerbrochenen Liebesbeziehung müssen verschiedene Trauerphasen durchlebt werden. Das Nicht-Wahrhaben-Wollen (“Peter überlegt sich das noch mal”), die blanke Wut (“Peter wird das noch bereuen”), Trauer und nostalgisches Schwelgen (“Wir werden nie einen neuen Peter finden”; “Weißt du noch, wie der Peter im Batman-Kostüm…?”) und schließlich die Phase der Adaption. In diesem Zustand also setzen sich die verbleibenden Bandmitglieder Tony Banks, Steve Hackett, Mike Rutherford und Phil Collins zusammen und schreiben neue Songs. Sie wollen vor allem sich beweisen, dass sie vielleicht der Kopf der Band, aber nicht ihre Kreativität verlassen hat. Sie wollen zeigen: Genesis gibt es noch.
Einen neuen Sänger versuchen sie – ganz auf der Höhe der Social Media Strategie von 1976 – im Melody Maker zu finden. Man suche einen "singer for a Genesis-type group”, heißt es da nur geheimnisvoll. Rund 400 Antworten mit Demo-Tapes sollen Collins und Co. erhalten haben. Aber der Richtige ist nicht dabei. So geht man ohne Sänger ins Studio, nimmt die Songs in Instrumentalversion auf – Gitarrist Hackett schlägt sogar vor, aus Genesis eine Instrumentalband zu machen – und hofft auf ein Wunder.
Der Rest ist bekannt: Banks, Hackett und Rutherford überreden ihren widerwilligen Schlagzeuger zu singen. Collins will erst nicht und ergibt sich dann in sein Schicksal. Das Album A Trick of the Trail ist das Erste, auf dem Collins die Leadvocals übernimmt und er tut das, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Ab da spielt Collins höchstens noch das zweite Schlagzeug.
Das Trick-Album bewegt sich musikalisch auf dem letzten Grenzposten des Progressive Rock, die Richtung ist aber schon klar: es wird klassisch rockiger und poppiger, die Songstrukturen werden einfacher und eingängiger. Gleichzeitig setzen die Vier ihren Kollegen von Led Zeppelin mit Squonk ein rund 6-minütiges Denkmal. Der Song ist einer der besten des Albums und handelt von einem amerikanischen Fabeltier, dem Squonk, das in den Wäldern Pennsylvanias haust und sich aus Gram über sein unansehnliches Äußeres vor anderen Lebewesen versteckt: “Like father like son / Not flesh nor fish nor bone / A red rag hangs from an open mouth. / Alive at both ends but a little dead in the middle / A-tumbling and a-bumbling he will go.”
Entangled ist ein anderer Geniewurf auf dem Album, das ein großer Erfolg war – in der Musikpresse genauso wie bei Genesisfans. Der Song soll von einem Gemälde der brasilianischen Künstlerin Kim Poor inspiriert sein und handelt von einer psychoanalytischen Auseinandersetzung mit Träumen, Schlafen und Krankheit. A Trick of the Trail war das siebte und bis dato erfolgreichste Album von Genesis. Getreu ihrem Namen ist den vier verbleibenden Musikern eine Neuschöpfung gelungen. Wetten, dass Peter sich nachher geärgert hat!?