Wer als Künstler derzeit etwas auf sich hält, der macht politische Kunst. Trump, Brexit, erstarkende rechte Parteien, Klimawandel oder globale Flüchtlingsbewegungen: Krisen gibt es genug, thematisch ist also für jede und jeden was dabei.
Auch Frank Turner, den englischen Singer-Songwriter mit Punk-Vergangenheit, beschäftigt die politische Lage, wie er in einem gerade erschienenen Interview mit dem NME erzählt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sein im Mai erscheinendes Album Be More Kind von Kritik, Analyse und persönlichen Beobachtungen nur so strotzt.
Um die Wartezeit zu verkürzen, hört euch hier Frank Turners letztes Album Songbook an:
Dass sich Künstler politisch und gesellschaftskritisch äußern hat eine lange Tradition, birgt jedoch gewisse Risiken. Wer sich nicht in Plattitüden und leeren Parolen verlieren will, muss den Gegenstand seiner Kritik schon zu Genüge studiert haben.
Vom 36-jährigen Turner darf man sich einiges erhoffen. Die Songtitel seines neuen Albums haben es auf jeden Fall schon einmal in sich: 21th Century Survival Blues, Common Ground, Make America Great Again, Going Nowhere oder auch 1933 heißen sie, und versprechen eine düstere und bissig ironische Rede zur Lage der Nation(en).
Die erste Single 1933 wurde bereits entkoppelt und samt Video veröffentlicht. Darin lässt Turner nicht nur sein Talent als Songwriter inklusive rotzig-wütender Darbietung glänzen, sondern beweist auch sein Gespür für Gegenwartsanalysen.
Die Lyrics sind so gut, dass es sich lohnt, sie hier in Gänze zu lesen.
Kostprobe:
„If I was of the greatest generation I'd be pissed
Surveying the world that I built, slipping back into this
I'd be screaming at my grand kids: "We already did this"
Be suspicious of simple answers
That shit's for fascists and maybe teenagers
You can't fix the world if all you have is a hammer“
Und im Refrain heißt es:
„The world outside is burning with a brand new light
But it isn't one that makes me feel warm
Don't go mistaking your house burning down for the dawn“
Viele von Turners neuen Songs gehen akustische Wege und handeln, getreu dem Titel des Albums Be More Kind, von der Kraft, die von einem positiven Umgang der Menschen miteinander ausgeht.
Aber, schränkt Turner, der europäische Geschichte studiert hat, ein: Mehr Empathie sei nicht das Allheilmittel für die derzeitige Lage. „Es gibt nicht eine Antwort auf all die Probleme der Welt. Die Welt ist ein komplexer Ort und die Suche nach einfachen Antworten eine schlechte Idee. Ich misstraue Menschen, die vorgeben, einfache Antworten zu haben.“
Besonders die Debattenkultur in den sozialen Medien hält er für extrem gefährlich: „Ich habe das Gefühl, die Leute haben vergessen, dass es wichtig ist, immer auch die Argumente des Gegenübers nachvollziehen zu können.“
Eigentlich hatte Turner, der stets mit seiner Begleitband The Sleeping Souls auftritt, ein ganz anderes Album machen wollen. Ganz dem feministischen Zeitgeist entsprechend, wollte er ein Album für die vielen von der Geschichte vergessenen oder unterschätzten Frauen schreiben. Dass die Frauen (mal wieder) warten mussten, hat mit Trump und der Alt-Right-Bewegung zu tun, die ihre Ästhetik, Embleme und Parolen oftmals an Punk- und Hardcore-Kulturen anlehnt und behauptet, eine Alternative zum Mainstream zu sein.
Turner wusste, er musste eine Antwort auf diese Praktik von Rechten schreiben, sich linke und gesellschaftskritische Subkultur einzuverleiben. Und so laufen in 1933 persönliche und politische Ideen zusammen und werden zu einem zentralen Thema des Albums. Musikalisch und künstlerisch gesprochen hat die Auseinandersetzung mit Trump und Co. Frank Turner jedenfalls beflügelt und auf das kommende Album darf man gespannt sein.
Be More Kind erscheint am 18. Mai und Turner wird mit den Sleeping Souls auf Tour gehen. Ganze elf Konzerte sind im Oktober und November in Deutschland geplant.
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