Exakt 50 Jahre nach dem Black-Sabbath-Debüt legt Ozzy seine zwölfte Soloscheibe Ordinary Man vor. Es ist nicht die Neuerfindung des Rades, aber das ist okay, denn: Er hat es schließlich erfunden.
von Björn Springorum
Das letzte Album?
Eines muss uns allen klar sein: Was wir hier vor uns haben, wird höchstwahrscheinlich die letzte neu aufgenommene Musik sein, die wir jemals von Ozzy bekommen werden. Dieser Umstand allein macht eine unparteiische Wertung von Ordinary Man fast unmöglich. Hier haben wir ihn noch mal, den Prince of Darkness, den Sänger der ersten und wichtigsten Heavy-Metal-Band überhaupt. Wir gingen mit ihm durch die Hölle, erduldeten ihn bei den Osbournes, feierten sein Solowerk in der Hoffnung, dass er irgendwann doch wieder hinter dem Mikrofon von Black Sabbath auftauchen würde. Mit oder ohne Fledermäuse.
Das bekamen wir. Ozzy sang wieder bei Sabbath, war mit Ausnahme von Bill Ward wieder in Originalbesetzung auf Tour und lieferte mit 13 sogar ein Album, das weit mehr war als ein Schwanengesang. Und jetzt? Erscheint Ordinary Man fast schon als Randerscheinung von all diesen Hiobsbotschaften, die uns aus dem Lager des Prinzen der Dunkelheit erreichen. Parkinson, abgesagte Tourneen, Äußerungen über seinen eigenen Tod… das hier ist nicht einfach nur ein weiteres Ozzy-Soloalbum. Es ist ein Schlussstrich unter 50 infame Jahre.
Zustände wie vor 50 Jahren
Die Frage stellt sich von selbst: Wer wäre man dann, dieses Album nach herkömmlichen Gesichtspunkten zu bewerten? Ein herzloser Grobian, nichts weiter! Aber natürlich darf man sich auch nichts vormachen: Das zwölfte Soloalbum von Ozzy ist nicht ohne Schwächen, ohne Hänger und Tiefen. Das waren die meisten seiner Alleingänge nicht, weshalb man getrost sagen kann: Wer Ozzy liebt und wer Ozzy kennt, der wird mit Ordinary Man mehr bekommen als er sich wahrscheinlich gedacht hat. Dass er allein den Opener Straight To Hell mit den wohlbekannten Worten Alright now! beginnt, dürfte Sabbath-Fans schon genügen, um erfüllt zu sterben.
Und eines muss klar sein: Auch wenn Ozzy im Titeltrack Ordinary Man mit Elton John im Duett auftritt, ist das hier immer noch ein Rock-Album, ein Ozzy-Album, randvoll mit den Insignien, die er vor einem halben Jahrhundert erfand und seither kultiviert. Manches davon lässt sich sogar direkt auf die längst Legende gewordene erste Sabbath-Platte referenzieren, die natürlich nicht ganz zufällig vor exakt 50 Jahren erschien. „Wir schnitten im Studio alles auf die Schnelle mit, was ich so seit der ersten Black-Sabbath-Scheibe nicht mehr getan habe“, sagt Ozzy selbst. Klar ist das medienwirksam. Aber einer wie er hat keinen Grund, uns einen Bären aufzubinden.
Wer hat‘s erfunden?
Aber, wie klingt sie denn dann, die Musik? Gut, muss man sagen. Klar ist das Duett mit Elton John voller Pathos. Aber hat er es nicht verdient? Rhetorische Frage, hat er natürlich. Goodbye fängt mit demselben Beat an wie einst Ironman, gefühlt jeder zweite Song setzt sich mit seinem eigenen Ableben auseinander. Nie versinkt er dabei in Selbstmitleid, stets begegnet er dem Sensenmann mit einer Mischung aus Ironie und Ignoranz. Das ist Rock‘n‘Roll, mehr muss man dazu nicht sagen. Einzelne Songs hervorzuheben oder zu beurteilen, wird da natürlich herzlich müßig. Muss man es doch tun, merkt man: Es sitzt alles, es passt alles, es ist einfach ein Ozzy-Album. Und ein bisschen mehr: Er hat Duff McKagan am Bass und Slash an der Gitarre, Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) am Schlagzeug. Produzieren ließ sich der Fürst der Finsternis von Andrew Watt, der unter anderem Post Malone verantwortete, zu dem Ozzy unlängst ja auch einen guten Draht aufgebaut hat.
Dennoch, und das ist das größte Pfund, möchte sich Ozzy nicht um jeden Preis verjüngen. Er macht sein Ding, und das sind nun mal unheilschwangere Hard-Rock-Songs mit Pathos, Bombast und seiner Stimme, die in jedem anderen Kontext niemals als legendär durchgegangen wäre. Einerseits bedient er als die Marke Ozzy, andererseits macht er, was er will und mit wem er will. Deswegen sitzt auch nicht jeder Song, deswegen wird auch Ordinary Man die Regeln dieser Musik nicht mehr verändern. Aber das ist okay. Er hat sie schließlich aufgestellt.