Mit ihrem zehnten Studioalbum schaffen es die Deftones irgendwie, nostalgisch zu klingen und dennoch so gegenwärtig zu sein wie selten zuvor. private music ist ein Alt-Metal-Geniestreich voller Spannung, Emotion und purer Naturgewalt.
Viele wünschen sich die späten Neunziger zurück. Als die Welt irgendwie noch in Ordnung schien. Als wir nicht wussten, was KI wirklich ist, als das Internet noch wie eine kleine Sache schien und man auf PlayStations Tony Hawk zockte. Vielleicht ist es auch nur das übliche verklärte Weltbild von Menschen in einem gewissen Alter, das Sehnen nach einer vermeintlich unschuldigeren Zeit. War natürlich auch nicht alles rosig damals, wurde durch die Jahre aber eben weichgezeichnet.
Bekenntnis an den Sound der frühen Tage
Gedanken wie diese steigen immer wieder ganz automatisch an die Oberfläche, wenn Bands aus dieser Zeit mal wieder ein neues Album veröffentlichen. Ziemlich genau fünf Jahre haben sich die Deftones für ihr zehntes Album Zeit gelassen. private music erscheint nach Ohms, diesem Album, das vor der Pandemie geschrieben wurde. Als die Welt eine dezidiert andere war. Viel ist passiert. Global, in den USA, bei jedem einzelnen. Kaliforniens Alt-Rock-Meister reflektieren das auf eine Art und Weise, die wahrscheinlich die wenigsten von ihnen erwartet hätten: Mit einem eindeutigen Bekenntnis an den Sound ihrer frühen Tage. Die größte Stärke von private music ist aber eben, dass die Band dieselbe erschütternde Gewaltigkeit der ersten Releases mit ihrer Erfahrung und ihrem Alter kreuzt. Und dadurch nur noch größer klingt. Noch brachialer.
Ein Sound wie ein schwarzes Loch
Das hier ist ein Echo ihrer goldenen Tage, aber kein Aufguss. Es ist wie eine Muskelerinnerung, ein Traum, in dem man kurz zurückreist in eine andere Zeit. Gewaltige Riffs, dröhnende Drums und dieser durchdringende Gesang, der sich über das Chaos und den Lärm erhebt. Diese Mischung funktioniert schon in den Neunzigern, als Around The Fur den Nu Metal maßgeblich prägt. Sie ist über die Jahre einfach noch besser, wirkungsvoller geworden – und das vor allem, weil die Band diese Nostalgie, diese Rückbesinnung bewusst zulässt und mit einem unbedingten Vorwärtsdrang paart.
Während Ohms den Adrenaline-Produzenten Terry Date zurück an den Herd holte (ohne an das Album anknüpfen zu können), arbeiten sie diesmal mit Nick Raskulinecz zusammen – dem Mann hinter den ausladenden Diamond Eyes und Koi No Yokan. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen: der Sound ist wie ein schwarzes Loch, das dunkle Klaustrophobie und ausladende Klanglandschaften durchquert und sowohl in der Komposition als auch in der Umsetzung wunderschön ist.
Außerkörperliche Erfahrung
Der Sound der Platte etwa ist eine fast schon außerkörperliche Erfahrung. Er rumort, er dröhnt, er schwebt, er ist voller sphärischer Untertöne, aufflackernder Details. Er hat eine dichte, nächtliche Qualität, die alles einnimmt und schluckt. Faszinierend. Und beängstigend intensiv. Weil Nostalgie hier eben plötzlich so ganz und gar nicht mehr verklärt und romantisiert wirkt. Sondern bedrohlich und nah. Einzelne Stücke aus diesem Alt-Metal-Koloss hervorzuheben, ist daher auch fast unmöglich: Die Deftones entfalten eine Sogwirkung, wie sie es zuletzt in den frühen Zweitausendern getan haben. Nur mit noch schärferen Dynamiken und grandiosen Arrangements. Diese außerweltliche Séance endet dann äußerst passend mit dem ruhigen, aber zerrenden departing the body, was in seiner entkörperlichten Schönheit auch ein Titel für das ganze Album hätte sein können.
private music ist ein Album, das es seinen Hörer*innen nicht leicht macht. Aber belohnt. Mit brachialer Schönheit und verletzlicher Härte.