Mumford & Sons klingen auf ihrem zweiten Album Babel eher nach dem Wilden Westen als nach London. Vielleicht werden sie 2012 deswegen über Nacht zur größten Folk-Rock-Band der Welt. Das gefällt natürlich mal wieder nicht allen.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch Babel von Mumford & Sons anhören:
Um die Jahre 2007, 2008 tut sich was im hippen West London. Zwischen Theatern, Cafés und Craft-Beer-Pubs formt sich eine neue Riege an Folk-Bands, die einen Hauch von Greenwich Village durch die Straßen der englischen Metropole treibt. Wo damals Bob Dylan und andere in den Kaffeehäusern für ein Revival des klassischen Folk-Solisten sorgen, sind es jetzt Mumford & Sons, die Britpop und Garage-Rock hinter sich lassen und Fuzz gegen Folk tauschen: Banjo, Mandoline oder Resonatorgitarre ergänzen das klassische Rock-Instrumentarium und erschaffen einen bewusst altmodischen, nostalgischen Sound.
Banjo statt E-Gitarre
Da passt natürlich auch ein Name wie Mumford & Sons, der wie ein traditionelles Familienunternehmen klingt. Keine Ahnung, vielleicht sind sie ja Klavierhersteller. Oder Schumacher. Marcus Mumford, Ted Dwane, Ben Lovett und Winston Marshall wehren sich zwar mit Händen und Füßen gegen diese angebliche neue Szene; auffällig ist es eben schon, dass in den Pubs westlich der City Of London immer öfter mehrstimmiger Gesang, melancholisch gezupftes Banjo und akzentuierende Perkussion erklingen. „Wenn, dann ist es eine Gemeinschaft, keine Szene“, so sagt Mumford 2010 in einem Interview dazu. „Nichts daran ist exklusiv.“ Ist ja gut.
Ohne Album in der Tasche spielen sie 2008 eine ausgedehnte UK-Tour und im Sommer sogar auf dem Glastonbury. Kein schlechter Start, zusätzlich angeheizt von einer Australientour als Backing-Band für Laura Marling. Und jetzt kommt’s: Weil sie so gar keinen Bock auf Interaktion mit ihrem Publikum hat, müssen Mumford und die Sons ran. Und können schnell für einen kleinen Hype sorgen.
Zwischen London, Paris und Nashville
Der Lohn: Schon das Debüt Sigh No More wird eine kleine Sensation, verkauft sich sehr gut, bekommt einen Brit Award und sorgt für zahllose Konzerte auf mehreren Kontinenten. Für Mumford & Sons ist das unglaublicherweise erst der Anfang. Seit 2010 spielt die Band Songs der zweiten Platte live, verfeinert sie, macht sie sich zu eigen, schreibt immer wieder neues Material. Das tut den Songs gut: Sie gönnen sich reichlich Studiozeit zwischen London, Paris und Nashville und veröffentlichen am 21. September 2012 endlich ihr zweites Album Babel.
Der Coup geht auf: Die bewusst lange Wartezeit und der schonungslose Tourplan haben mittlerweile einen Buzz kreiert, der fühlbar ist in der Luft. Vor zehn Jahren entlädt sich alles auf einen Schlag: Babel wird zum Triumphzug, springt sofort an die Spitze der britischen und US-amerikanischen Charts. In Großbritannien verkauft sich 2012 kein Album schneller, in den USA ist es das erfolgreichste Debüt des Jahres. Bis zum Jahresende sind weltweit mehr als eine Million Kopien von Babel über die Ladentheke gegangen.
Zu unpolitisch?
Mumford & Sons stechen fünf Jahre nach Bandgründung in ein Wespennest. Ihr sehnsüchtiger, bittersüßer Folk-Rock trifft einen Nerv, von dem viele vorher nicht mal wussten, dass sie ihn haben. Folk ist plötzlich chic und hip, läuft im Radio. I Will Wait, die erste Single, wird zum Song für Hochzeiten, Paartanzabende und erste Dates.
Sehr früh regt sich aber auch Kritik am heimeligen Lagerfeuersound der Engländer. Fehlende Tiefe und Songwriter-Stangenware sagen die einen, die anderen vermissen den politischen Unterton der Folk-Bewegung und beschreiben Mumford & Sons als „nicht mehr als nette Männer mit Mandolinen“. Kann man vielleicht verstehen; man kann sich aber natürlich auch fragen, warum die Band das nicht einfach sein darf. Also, nett sein, Mandolinen spielen und eher romantisierend als politisierend sein. Es muss ja nicht alles immer gleich Laurel Canyon sein.
Die breite Masse liegt den Londonern natürlich dennoch zu Füßen: Ihre 2013-er Welttour wird zum vielfach gepriesenen Durchmarsch, 2013 spielen sie wieder auf dem Glastonbury. Fünf Jahre nach ihrem Debüt. Nur eben diesmal als Headliner.
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