Hier nehmen wir uns mal ein paar Minuten Zeit und prüfen gängige Klischees und Falschannahmen in der Musikwelt... Einfach, weil wir es können bzw. einfach, weil es so viel mehr Vorurteile gibt als alle Beatles, Rolling Stones und Queen-Singles zusammenaddiert (lies: sehr viele). Wir nehmen uns also ein Genre oder einen Künstler und schauen wie stichhaltig die gemeinhin als richtig wahrgenommenen Annahmen sind.
Den einen geht bei den Namen John Lennon und Yoko Ono der imaginäre Hut hoch, die anderen schließen verträumt die Augen und denken sich zurück in die Zeit der Siebzigerjahre, in denen die beiden als Powercouple die Welt verändern wollten. Kaum eine Liaison spaltet bis heute derart die Gemüter wie die zwischen dem Beatles-Viertel und der avantgardistischen Klangkünstlerin aus Japan, die ihr Leben zur Kunst machten und jeden daran teilhaben ließen, als an die Inszenierung via Social-Media-Kampagne nicht mal im Ansatz zu denken war.
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Klar, dass sich in den Jahren des Zusammenlebens bis zu Lennons Tod einiges an kuriosen Anekdoten über die beiden angesammelt hat – viel Unsinn, aber auch einige Wahrheiten. Wir haben ein paar von ihnen zusammengesammelt - von neu ausgerufenen Staatsformen bis zur radikalen Urschreitherapie.
1. Flitterwochen für den Weltfrieden
Ganz richtig. Während man 1969 anderorts auf die Straße ging, demonstrierten Yoko und John lieber in Hoteldoppelbetten gegen den Vietnamkrieg – und das gleich zwei Mal. Erst verweilten die beiden eine Woche im Hilton Hotel in Amsterdam, danach wurde im Fairmont The Queen Elizabeth im kanadischen Montreal liegend weiterprotestiert. Yoko und John nutzten den Hype um ihre vorausgegangene Hochzeit aus und luden zahlreiche Journalist*innen zu ihren Flitterwochen und dem ersten Bed-In ein. Der Name rührte dabei von einer Weiterentwicklungen des Sit-Ins, bei dem man aus Protestzwecken sitzend demonstrierte. Nach dem Nackedei-Cover des gemeinsamen Albums Two Virgins erwartete die Presse bei den Bed-Ins natürlich ähnlich Anrüchiges – aber stattdessen saßen und lagen Yoko und John eine ganze Woche lang einfach nur da, ließen ihre Haare wachsen und sprachen sich für den Weltfrieden aus. Für das zweite Bed-In luden die beiden unter anderem Timothy Leary, Tommy Smothers, Dick Gregory, Murray the K, Al Capp, Allen Ginsberg ein und sangen gemeinsam den Song Give Peace a Chance. Das dritte Bed-In scheiterte übrigens an einer Einreisegenehmigung für die Bahamas.
2. Neue Frau, neuer Sound?
Yoko Ono und John Lennon lernten sich in London kennen, wo Yoko auf einer Ausstellung ihre klangkünstlerischen Experimente präsentierte. Nach dem die beiden ein Paar wurden, gab Yoko im wahrsten Sinne des Wortes den Ton an. Schon auf dem White Album hörte man erste Einflüsse ihrer avantgardistischen Arbeitsweise: Revolution 9 war eine gut neunminütige Klangcollage, die sich aus dem Klappern von Pferdehufen, Babygeräuschen, aufbrandenden Applaus, prasselndes Lagerfeuer aber auch verfremdete Passagen von Beatles-Stücken wie While My Guitar Gently Weeps und Tomorrow Never Knows zusammensetzte. Eine musikalische Mischung mit der man viele Fans der Anfangstage vor den Kopf stieß. Danach veröffentlichten John Lennon und Yoko Ono einige Alben mit ähnlicher Stilistik, gründeten nach der Trennung der Beatles die Plastic Ono Band und verfolgten diesen Ansatz weiter – leider nur mit mäßigem Erfolg.
3. Der Urschrei!
1970 bekam John Lennon das Buch Der Urschrei von Arthur Janov in die Hände. Lennon war sofort von der Primärtherapie des Psychologen fasziniert, die davon ausgeht, frühkindliche Erlebnisse die Entwicklung des Menschen negativ beeinflussen können und dass durch Wiedererleben dieser Erfahrungen ihre negativen Auswirkungen verringert werden können.
John Lennon und Yoko Ono laden Janov auf ihr Anwesen in Tittenhurst Park nach Ascot ein, wo sie sich der wissenschaftlich nicht anerkannten Therapie unterziehen. Das Ergebnis war Lennons erstes Soloalbum Plastic Ono Band an dem neben Klaus Voormann, Billy Preston und Ringo Starr auch Phil Spector und vor allem Yoko Ono maßgeblich beteiligt waren und auf dem er seine Vergangenheit verarbeitet.
4. NUTOPIA
Nachdem bei ihm Drogen gefunden wurden, hatte John Lennon immer wieder Probleme mit seiner Aufenthaltsgenehmigung in den USA. Grund genug für John und Yoko, die Zeilen aus Lennons Song Imagine zum Leben zu erwecken und in eine Staatsform zu gießen. Am 1. April 1973 gründeten die beiden – kein Aprilscherz - kurzerhand die Mikronation NUTOPIA. Der Name? Ein Kofferwort aus „new“ und „utopia“, also einer neuen Utopie. Die Bevölkerung? Nicht genau bekannt. Die Nationalhymne? Vier lange Sekunden Stille, zu finden auf den Album Mind Games. Die Flagge? Blütenweiß und so populär, dass sie auch später noch bei Live-Auftritten von U2 mit deren Album War gehisst wurde. Wenig später nach der Gründung von NUTOPIA bekam John Lennon übrigens die Greencard, auf www.joinnutopia.com kann man dem Staat allerdings bis heute beitreten.
5. Yoko Ono = das Ende der Beatles?
Viele Fans sind bis heute der Meinung, Yoko Ono sei für das Ende einer der besten Bands der Welt verantwortlich. Angeblich habe sie John Lennon zunehmend in seiner künstlerischen Vision beeinflusst und somit auch die Beatles auseinandergetrieben. Befördert wurden die Gerüchte damals auch durch die Boulevardpresse, die sich nach Lennons Trennung von seiner Ehefrau auf dessen Seite schlug. Tatsächlich verriet Paul McCartney erst neulich in einem Interview mit dem Rolling Stone, dass er sich zu Beginn durchaus von Lennons neuer Muse bedroht gefühlt habe, da diese ihm nie von der Seite gewichen sei. Später wurde aus der anfänglichen Skepsis aber ein gutes Gefühl und mittlerweile eine echte Freundschaft. Für das Ende der Beatles sei Yoko Ono auf keinen Fall verantwortlich gewesen – vielmehr gab es unüberbrückbare Differenzen zwischen Paul und John, die sich auch in später aufgenommenen Songs und ganzen Alben der beiden niederschlugen. Hätten wir das also auch geklärt...