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Foto: Frazer Harrison/Getty Images

Rock-Justiz: Die absurdesten Gerichtsverfahren der Musikwelt

Die Welt des Musikbusiness ist eine merkwürdige Welt, in der es statt Milch und Honig komplexe Persönlichkeiten und Verdienstmöglichkeiten im Überfluss gibt. Kein Wunder also, dass es vor Streitigkeiten und Gerichtsverfahren nur so wimmelt. Wir schauen uns die wahnwitzigsten Forderungen und spektakulärsten Fälle an.

von Victoria Schaffrath

John Fogerty vs. Fantasy Records

Als John Fogerty nach kurzem, aber produktivem Erfolg 1972 bei Creedence Clearwater Revival aussteigt, gilt es, auch die geschäftlichen Beziehungen zu lösen. Gerade dieser Aspekt erscheint Fogerty dringlich, empfindet er doch die Deals mit der Plattenfirma Fantasy Records als enorm nachteilig für die Band. Fantasy hängt hingegen sehr an den Kaliforniern und entlässt Fogerty nur unter einer Bedingung: Er muss die Rechte an den eigenen Songs vollständig an Fantasy und deren Inhaber Saul Zaentz überschreiben.

Den Schalk im Nacken: Ein Pressebild von Fogerty aus den Achtzigern. Credit: Victoria Pearson.

Doch Fogerty wäre nicht Fogerty, wenn er seinem Unmut nicht Luft machen müsste. Zum einen bringt er es fertig, 15 Jahre lang keinen einzigen Song zu spielen, der Zaentz potenziell die Taschen füllt. Auf seinem 1985 veröffentlichten Soloalbum Centerfield finden sich dann gleich zwei Songs, die man durchaus als offenen Affront gegen den Label-Chef werten darf, nämlich Zanz Kant Danz und Mr. Greed. Da geht dieser das erste Mal vor Gericht und tritt aus der Verhandlung als Sieger hervor, Fogerty muss ersteren Titel umbenennen. Den Vogel schießt Zaentz jedoch ab, als er Fogerty des Plagiats beschuldigt – und zwar an seinem eigenen Song. Die Solo-Nummer The Old Man Down The Road klinge wie der „CCR“-Song Run Through The Jungle, nur eben mit neuem Text. Fogerty überzeugt eine Jury vom Gegenteil, indem er beide Songs im Gerichtssaal auf der Gitarre spielt.

Als Fogerty sich übrigens die Anwaltskosten zurückholen will und auf Stein beißt, klagt er zurück und schafft es schließlich bis vor den obersten amerikanischen Gerichtshof. Ob die Zeit alle Wunden heilt oder Fogerty lediglich die Chance auf einen letzten Seitenhieb wittert: Als Zaentz 2004 seine Anteile am Label verkauft, unterschreibt der Musiker erneut bei Fantasy.

Tony Iommi vs. Ozzy Osbourne

Dass Tony Iommi und Ozzy Osbourne sich schon zu Schulzeiten nicht besonders gut verstehen, legt vielleicht nicht die beste Basis für eine langfristige Zusammenarbeit bei Black Sabbath. Als der „Prince of Darkness“ seinerzeit unter dem Pseudonym „Ozzy Zig“ nach einer Band sucht und Iommi mit Bill Ward auftaucht, um den möglichen Sänger unter die Lupe zu nehmen, dreht sich der Gitarrist auf dem Absatz um: Mit derselben „Pestilenz“, die er aus Jugendtagen kennt, will er keinesfalls in einer Band spielen.

So verwundert es eigentlich nicht, dass die Streitigkeiten seit Osbournes Sabbath-Rausschmiss 1979 gleich mehrfach ihren Weg vor Gericht finden. Ein besonderes Schmankerl: Ein Verfahren um die Nutzung des Bandnamens Black Sabbath 2009. Laut Osbournes Anwälten nutzen Iommi, Ward und Geezer Butler diesen nämlich ziemlich monopolistisch, dabei stünden dem Fledermaus-Fan 50 Prozent der Erträge zu, unter anderem aus Merchandising-Umsätzen. Der Grund? Erst durch Osbournes markante Stimme sei Sabbath der langanhaltende Erfolg gelungen. Iommi und Konsorten sehen das natürlich anders. Nach einigem Hin und Her einigt man sich außergerichtlich, kurz darauf starten gar die Pläne für die Reunion. Doch bei der 2017 abgeschlossenen Abschiedstour herrscht wieder böses Blut: beide Parteien lassen später verlauten, die Zusammenarbeit nicht gerade als Spaziergang zu empfinden. Ob das nächste Sabbath-Treffen wohl wieder vor Gericht stattfindet?

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Roger Waters vs. Pink Floyd

1985 bleibt von Pink Floyd nur noch ein Flickenteppich aus Streitigkeiten zwischen Roger Waters und David Gilmour übrig. Kreativ geht zwischen den beiden nichts mehr und als Songwriter findet Waters, er habe durchaus das Recht, die Gruppe aufzulösen. Damit sie aus dem Management-Vertrag kommen, tritt er den Bandnamen formell an Gilmour und Nick Mason ab, ganz in dem Glauben, die Gruppe sei ohnehin Geschichte. Gilmour und Mason lachen sich ins Fäustchen und machen natürlich als Pink Floyd weiter, während Waters sich entrüstet an seinen Anwalt wendet.

Man kann sich jedoch einigen: Im Austausch gegen den Bandnamen bekommt Waters die Urheberrechte für das Konzept zu The Wall. So richtig glücklich dürfte das den Komponisten nicht gemacht haben, denn 1987 kommt A Momentary Lapse Of Reason von Pink Floyd raus. Die Comeback-Platte schafft den kommerziellen Erfolg, die dazugehörige Tour zeigt deutlich mehr Zugkraft als das zeitgleich veröffentlichte Solomaterial von Waters. Erst 2005 begraben sie das Kriegsbeil für eine Show bei Live 8. Da kommt Waters scheinbar zur Besinnung: „Ich bereue meinen Anteil an dieser Negativität.“

Axl Rose vs. Slash & Duff McKagan

Auch wenn es bei Guns ’N Roses nie ein offizielles Aus gibt, bleibt ab Mitte der 90er von der Originalbesetzung lediglich Axl Rose übrig, der sich nicht gerade die Finger nach öffentlichen Auftritten leckt. Die offizielle Version seitens Slash lautet ganz PR-freundlich, man konnte schlicht nicht mehr auf Augenhöhe arbeiten, was die Direktion der Band anging. Dem dürfte Rose zustimmen, schafft er es doch vor deren Austritt noch recht schlitzohrig, Slash und Duff McKagan um ihre Verlagsrechte zu bringen. Böse Stimmen behaupten gar, Rose habe sich dabei den leicht angesäuselten Zustand der beiden zunutze gemacht.

2004 klagen Duff und Slash deswegen das erste Mal. Sie finden, Axl dürfe ruhig den ein oder anderen Film-Deal für „GNR“-Songs annehmen und so die Konten aller Beteiligten nähren. 2005 flattern bei Duff und Slash dann plötzliche gar keine Schecks mehr in den Briefkasten und es geht wieder vor Gericht. Das Geld fließt bald wieder, doch die Verlagsrechte liegen weiterhin bei Rose. McKagan und Slash rocken derweil bei Velvet Revolver. Nach viel Verwirrung um das Album Chinese Democracy und Lineup-Wechseln wie am Fließband findet die Originalbesetzung von Guns ’N Roses 2016 doch wieder zueinander. Es folgen Touren und Sammler-Kollektionen, die zumindest finanziell das Vergangene wieder gutmachen dürften.

Courtney Love vs. Dave Grohl & Krist Novoselic

Der selbstgewählte Tod Kurt Cobains wühlt 1994 die Rock-Welt auf. Seine Witwe Courtney Love befindet sich seitdem beinahe durchgängig vor Gericht, mal als Klägerin, mal als Angeklagte. Meist geht es dabei um irgendwelche Hinterlassenschaften des Nirvana-Sängers. So auch kurze Zeit nach dessen Tod, als Love mit Cobains ehemaligen Bandkollegen Dave Grohl und Krist Novoselic kooperieren soll, was unveröffentlichte Aufnahmen der Gruppe betrifft.

Genauer möchten Grohl und Novoselic die letzte gemeinsame Single You Know You’re Right in die Regale bringen. Love kann sich nicht unbedingt mit der Idee anfreunden, blockiert jahrelang die Veröffentlichung und behauptet gar, ein Vertrag zwischen ihr und den beiden Grunge-Rockern sei nichtig, da sie zum Zeitpunkt der Unterzeichnung high gewesen sei. Das eigentliche Problem: Love fürchtet, das Erbe Nirvanas werde verscherbelt und Grohl und Novoselic erhielten zu viel Lorbeeren für die Kunst, die hauptsächlich Cobain geschaffen habe. Man einigt sich schließlich außergerichtlich, der Song erscheint 2004.

Doch schlimmer geht’s immer: Wieder und wieder schießt Love öffentlich oder vor Gericht besonders gegen Grohl und kritisiert dessen Anspruch auf Nirvana-Tantiemen. Zeitweise behauptet sie gar, er habe ihrer und Cobains gemeinsamer Tochter Frances Bean Avancen gemacht. Wir geben zu bedenken, dass ebendiese Tochter sich 2018 gemeinsam mit ihrem Ex-Mann gezwungen sieht, Love wegen versuchtem Mord und Hausfriedensbruch zu verklagen. Fragt sich also, ob es wirklich eine posthum veröffentlichte Single ist, die dem Erbe Cobains schadet.

The Verve vs. Rolling Stones

Als 1997 erstmals Bittersweet Symphony durch die Radios plärrt, ahnt die Zuhörerschaft schnell, dass es sich um einen Hit handelt. Die Verursacher The Verve treffen mit dem Klassik-Sample zu Beginn des Lieds einen Nerv, aber auch einen Urheberrechtsanspruch: Die Geigen stammen nämlich aus einer Orchester-Version des Rolling Stones-Hits The Last Time. Die Briten waren zwar so klug, die Verwendung absegnen zu lassen, nutzen aber letztlich ein längeres Segment als ursprünglich besprochen. Mick Jagger und Keith Richards lassen das nicht auf sich sitzen. Sie überzeugen das zuständige Gericht ohne Probleme von ihrem Anspruch, sodass die gesamten Tantiemen in Zukunft bei den Rock-Veteranen landen.


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Für die Musiker rund um Richard Ashcroft ein herber Schlag, landen sie mit der bittersüßen Symphonie doch ihren größten Hit. Noch im November 2018 lässt der Leadsänger verlauten: „Ich hole mir diese Kohle!“ Sein Wunsch wird schneller wahr, als man glauben mag: Denn im Mai 2019 lässt Ashcroft via Pressemeldung eine unerwartete Wendung verlauten. Mit sofortiger Wirkung treten die Stones ihren Anspruch ab, in Zukunft gilt Ashcroft wieder als Songwriter. Für ihn vor allem in fußballerischer Hinsicht ein Erfolg: „Sie lassen den Song immer laufen, bevor England spielt. Jetzt kann ich endlich den Moment genießen.“

Noel Gallagher vs. Liam Gallagher

Bei Oasis gibt es Zeit ihrer Existenz ebenso viele Hits wie brüderliche Streitigkeiten. Ob Liam, der Noel während der ersten US-Tour eins mit dem Tamburin verpasst. Oder Noel, der öffentlich seine Mutter bemitleidet, weil sie seinen Bruder großziehen musste: Als sich bei den pöbelnden Briten 2009 der Deckel schließt, überrascht es niemanden, dass es zum Großteil an den Gallagher-Brüdern liegt.

Im 2011 folgenden Gerichtsverfahren geht es dann nicht etwa um Urheberrechte oder Tantiemen, sondern um üble Nachrede. Wen wundert’s? Sänger Liam verklagt seinen Bruder auf eine öffentliche Entschuldigung; Noels Behauptung, die Trennung der Band beruhe auf einem wegen Liams Trinkverhalten abgesagten Festivalauftritt, sei pure Fiktion. Die Entschuldigung kriegt er, wenn auch unter Vorbehalten. Die Klage zieht er letztlich zurück. Ruhe gibt’s danach jedoch nicht: Jüngst kündigt Liam eine Dokumentation über seine Solo-Karriere an, woraufhin Noel prompt mit dem Anwalt droht, sollte sein Bruder darin Oasis-Material singen. So richtig ernst nimmt man dieses Gallagher-typische Gepose nicht, aber wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann, dass im Musikgeschäft hinter jeder Ecke ein Gerichtsverfahren lauert.