Im 2014 Forest Hills Drive wuchs J. Cole auf, zog aus, um den großen Erfolg zu finden, und lernte, was am Ende wirklich glücklich macht. Das alles verpackte er vor zehn Jahren in ein hochpersönliches Konzeptalbum.
2024 war J. Cole wieder einer der am heißesten diskutierten Rapper des Jahres – allerdings nur teilweise wegen der Musik, die er releaste – hauptsächlich durch Kendrick Lamars Diss-Verse an ihn auf Like That von Future und Metro Boomin. Cole lieferte einen Disstrack nach, zog ihn bald wieder zurück und distanzierte sich vom Beef. Wahrscheinlich schlauer, wenn man sieht, wie sehr Drake im Laufe des Beefs (berechtigterweise) auf die Mütze bekommen hat. Zehn Jahre vorher sah das noch etwas anders aus: J. Cole gab in Note To Self Shoutouts an Lamar und Drake und sagte, wie froh er sei, sie Freunde nennen zu können und gemeinsam den Hip-Hop zu verändern. Sein dazugehöriges Album 2014 Forest Hills Drive ist allerdings auch Grund genug, Cole im Jahr 2014 als ihnen absolut ebenbürtig anzusehen.
Eine Geschichte des Wachstums
Also zurück zu 2014, wie es schon im Albumtitel steht. Allerdings ist das keine Jahreszahl, sondern eine Hausnummer: 2014 Forest Hills Drive ist die Adresse des Hauses in Fayetteville, North Carolina, in dem J. Cole aufwuchs. Circa sieben Jahre lebte er hier im Haus seiner Mutter, bis er mit achtzehn Jahren auszog. Dieser Titel gibt schon eine Vorahnung, wie persönlich und reflektierend das Album ist.
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Warum die Adresse als Titel? Weil das Haus in dieser ganzen Zeit die Konstante war, die sein Aufwachsen mitbeobachtete. „Das ist das Haus, in dem ich anfing zu rappen. Ich bekam meinen ersten Sampler, machte meine ersten Beats, schrieb meinen ersten Song, erste Freundinnen, erste Crushes, kam ins Basketball-Team, bekam meine ersten Jobs, lernte Autofahren. All diese Erinnerungen an meine Jugend fanden in diesem Haus statt“, erzählte Cole in einem Interview mit NPR. Complex gab er gar eine Tour des Hauses:
Denn 2014 Forest Hills Drive ist ein Konzeptalbum, das chronologisch J. Coles Lebensgeschichte erzählt, von seiner Kindheit bis zum Ankommen in der Musikwelt. Klingt ja fast wie good kid, m.A.A.d city von Kendrick Lamar, das erst zwei Jahre zuvor erschien! Allerdings geht Lamar in seinem Album eher auf das Aus-der-Hood-Herausschaffen und die inneren Konflikte beim Aufwachsen im kriminellen Umfeld ein; es endet an dem Punkt, an dem der Rapper die ersten Musikerfolge feiert. Bei J. Cole geht es vor allem um den persönlichen Reifeprozess von den ersten Träumen bis zur Realisierung, dass nur die große Karriere zu verfolgen auch nicht glücklich macht. Schon in der Mitte des Albums kommt er in Hollywood an, verliert sich im oberflächlichen Lifestyle und lernt schlussendlich, dass die echte Liebe zu anderen Menschen das Ziel seines Lebens sein sollte.
Protagonist und Produzent
So eine große Message könnte schnell kitschig wirken. Zum Glück beweist sich J. Cole hier aber als großartiger Storyteller, der uns nachempfinden lässt, was in ihm vorging und wie eine Erfahrung zur anderen führte. Dabei kommt er ganz ohne Features aus – schließlich geht es um sein Leben, auf hochpersönliche Weise erzählt: Wet Dreamz etwa rekapituliert detailliert seine ersten sexuellen Erfahrungen und wurde trotz dieses intimen Themas doch einer seiner größten Hits. Es soll möglichst nahbar sein, der Rapper selbst sieht das Album wie einen Film. Daher veröffentlichte er auch keine Singles vor dem Album-Release – es soll als ein komplettes Werk konsumiert werden.
Dass 2014 Forest Hills Drive dennoch riesige Hits wie No Role Modelz hervorbrachte, liegt an Coles Ohr für Melodien. Nicht nur die Hook, auch die verschiedenen Flows in dem Song sind Ohrwürmer. So überzeugt das Album nicht nur durch seine Texte, sondern auch sein Songwriting. Die meisten der Beats wurden von Cole selbst produziert und haben oft einen Old-School-Vibe. Chöre, Streicher, smoother Bass und Samples – von D’Angelo über Vogelgeräusche als Hi-Hat bis zur japanischen Folk-Band Hi-Fi Set – tragen eine Wärme in sich, die die nostalgische Ader des Albums unterstreichen.
Die wichtigen Dinge im Leben
Das Haus seiner Mutter war der Ankerpunkt in seinem Leben, denn hier lebte seine Familie, die ihn liebt. Und das ist schließlich die Moral des Albums: Erfolg und Geld können temporär glücklich machen, aber Liebe ist das, was zählt und bleibt. Im Trailer zum Album reflektiert Cole: „Ich habe realisiert: Ich habe noch viele Träume und will noch weiter gehen, aber ich möchte es nicht, wenn mich das um mein glückliches Leben oder meinen Verstand bringt; wenn ich dadurch jemand werden muss, der den Bezug zu den realen Dingen verloren hat: die Menschen, die dich lieben und die du liebst. […] Ich hatte lange Scheuklappen auf und habe mich konzentriert auf: Karriere, Karriere, Karriere. Aber was währenddessen darunter litt, war die Beziehung zu meiner Mutter, zu meinem Bruder, zu meiner Freundin. […] Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich denke: Ich will ein besserer Sohn sein.“
Ein Beweis dafür: Irgendwann musste seine Mutter aus dem Forest Hills Drive ausziehen, nachdem ihr damaliger Mann sie verließ, ohne wie abgemacht die Hypothek zu bezahlen. Das Haus wurde zwangsversteigert. 2014 kaufte Cole es zurück.