Am 23. Juli jährt sich der Todestag von Amy Winehouse. In ihrer viel zu kurzen Karriere kollaborierte die Jahrhundertkünstlerin zwar nur mit wenigen Kolleg*innen; die kreativen Auswüchse fielen dafür umso beeindruckender aus. Ob Musik oder Mode, ob Inspiration oder Zusammenarbeit: Schauen wir uns die nennenswertesten Ergebnisse an.
von Victoria Schaffrath
Hört zur Einstimmung in den Soundtrack zur Dokumentation Amy rein, der einiges an Schätzen bereithält:
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Nas: Gegensätze ziehen sich an
Amy und Nas teilen weit mehr als den Geburtstag am 14. September: Auf ihrem Album Back To Black singt sie über den ominösen Mr. Jones, wohl eine direkte Anspielung auf den Rapper, der mit bürgerlichem Namen Nasir Jones heißt. 2005 besucht sie scheinbar eines seiner Konzerte und erklärt später ihre Liebe für dessen Musik mit einem Satz unvergesslicher Zeilen: „What kind of fuckery is this / You made me miss the Slick Rick gig“.
Schon auf Amys Debütalbum Frank bildet ein Sample von Nas’ Made You Look, die Grundlage für ihre dritte Single In My Bed. Beide teilen Erfahrungen mit Alkoholabhängigkeit und ringen mit ihrem Bekanntheitsgrad – das Duo freundet sich an, schafft es zu Lebzeiten jedoch nur, ein einziges Wochenende miteinander zu verbringen. Auf ein und demselben Song hört man sie deswegen erst nach Amys Ableben: Mit Cherry Wine und Like Smoke veröffentlicht Nas 2012 zwei Songs, auf denen sich die Verbündeten perfekt ergänzen; 2019 folgt Find My Love.
Mark Ronson: Der Beat-Schrauber mit Trend-Gespür
Der infektiöse Beat, der modernisierte Vintage-Sound, die völlige Machtübernahme sämtlicher Musikmedien: Im Winter 2006/2007 stürmt Rehab erstmals die weltweiten Charts, das Album Back To Black bricht sämtliche Rekorde. Ein knappes Jahr später kommt Valerie, und spätestens da wippt jede Bevölkerungsschicht wie hypnotisiert mit dem Bein. Mark Ronson nimmt die fantastische, aber auch komplexe Grundlage von Winehouses Musik und verpasst ihr einen wegweisenden und zugänglichen Neuanstrich. Dem Ergebnis entkommt in den Nullerjahren niemand.
Wer Mick Jones von Foreigner seinen Stiefvater und Sean Lennon seinen Kindheitsfreund nennen kann, muss quasi „etwas mit Musik“ machen. Ronson erspielt sich in New York zunächst mit seinen Hip Hop- und Funk-DJ-Sets einen Namen, soll später mit Jack White, Kanye West und Bruno Mars arbeiten. Mit Winehouse erreicht er jedoch unwirkliche Erfolge; die beiden gelten als eines der Traumduos der Musikgeschichte. Der gefeierte Produzent bleibt jedoch bescheiden: „Nicht ich habe Amy zu einer Karriere verholfen, sondern sie mir.“
The Ronettes: Stil-Klau oder Inspiration?
Aus ihrer Liebe für die Girl-Groups der Sechziger macht Amy nie einen Hehl. Von der musikalischen Ebene dieser Verehrung kann man sich bereits auf Frank, viel stärker jedoch auf Back To Black überzeugen. Natürlich lässt sich auch die oft-parodierte Beehive-Frisur der Sängerin auf die Mode dieser verstrichenen Ära zurückführen, und selbst die Bühnenshows von Winehouse und Co. erwecken den Flair vergangener Tage wieder zum Leben.
Die Gruppe The Ronettes und Frontfrau Ronnie Spector haben es Amy dabei besonders stark angetan. Der Kleopatra-ähnliche Lidstrich lässt sich zum Beispiel bei Auftritten zu deren Hit Be My Baby gut erkennen, genau wie die auftoupierten Haare. Inspiration für ihre Tattoos, die abgewetzten Ballettschuhe und andere Stil-Elemente holt sich Winehouse aber auch an anderer Stelle, wie Journalist Joe Levy nach ihrem Tod anmerkt: „So, wie ihre beste Musik sich an Samples bediente, war auch ihr persönlicher Stil eine wissentliche Collage.“
via GIPHYTony Bennet: Ritterschlag von der alten Garde
Mit Jazz-Gigant Tony Bennett nimmt die Tears Dry On Their Own-Sängerin die letzten Gesangsspuren ihres Lebens auf. Seit Jahren drängt die Öffentlichkeit auf neues Material, vor allem die Presse spekuliert immer wieder, ihr Lebenswandel sei zu zerstörerisch und die kreative Flamme der Winehouse deshalb erloschen. Im März 2011 absolviert sie die Aufnahmen mit Bennett, im Juni bestätigt ein Auftritt in Belgrad die schlimmen Befürchtungen um ihren Zustand. Am 23. Juli geht die Nachricht ihres Ablebens um die Welt.
Dass Bennett ihr in einer Zeit, in der alle an ihren Fähigkeiten zweifeln, die Hand reicht, dürfte das Projekt zu einem Highlight in Amys Karriere gemacht haben. Als Body & Soul wenige Monate nach Amys Tod erscheint, munkelt die Kritik zwar, der Song spiele eher in die Karten des Genre-Veterans. Der Jazz-Standard zählte jedoch zu Amys Lieblingsliedern und fungiert so als würdiges Denkmal ihrer Fähigkeiten. Bennett, der immerhin seit schlanken 75 Jahren die Musikwelt unsicher macht, lobt bis heute: „Sie hatte die Leichtigkeit einer Ella Fitzgerald, einer Billie Holiday.“
Jools Holland & Paul Weller: Ist da noch jemand auf der Bühne?
Ende 2006 wächst die Amy Winehouse-Welle unaufhaltsam. Klar, dass die ungewöhnliche Performerin, deren Tanzstil gern Häme auf sich zieht, auch im britischen TV Omnipräsenz zeigt. Bei einer Silvestershow entfaltet sie dann ihre volle Strahlkraft: Gemeinsam mit Moderator Jools Holland, dessen Studioband und keinem geringeren als dem „Modfather“ Paul Weller covert sie Marvin Gayes Heard It Through The Grapevine – und bringt sämtliche Kritiker*innen zum Schweigen.
Wie die junge Frau da selbstbewusst und beinahe desinteressiert ins Mikro lamentiert, das ohnehin kurze Kleid noch weiter rafft und sämtliche Blicke auf sich zieht, gleicht sie einer Naturgewalt. Die Kollegen Weller und Holland verblassen daneben schlicht. In den wenigen Jahren ihres Schaffens macht Winehouse sträflich oft durch suboptimale Auftritte von sich Reden, doch es gibt sie: Diese Momente, in denen man sie ansieht und merkt, dass man da eine große Künstlerin bestaunen darf. Danke, Amy.
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