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Cantaloop: Us3 und die Story des geklauten Samples

"Diddi-diddi-bop, funky, funky": 1993 brachten Us3 mit "Cantaloop (Flip Fantasia)" den Jazz-Rap in die Top-10. Es war der Höhepunkt einer musikalischen Ära. Die Liaison war anfangs illegal, doch Jazz und Hip Hop waren füreinander bestimmt.     London, zum Beginn der 1990er-Jahre: Nach dem so genannten "Summer of Love" und dem Siegeszug von Acid House vibriert die britische Hauptstadt. Unter dem Namen Acid Jazz hat sich eine junge, unorthodoxe Jazzszene gebildet. In Camden bringt der DJ Gilles Peterson die neuen Jazztänzer zur Raserei. Gleichzeitig orientiert man sich "am neuen Jazz", der frischen improvisierten Musik der Afro-Amerikaner, dem Hip Hop. 1991 nimmt der Londoner Produzent Geoff Wilkinson den angejazzten Rap-Track "The Band Played The Boogie" auf. Er erscheint exklusiv für DJs beim aufstrebenden Indie-Label Ninja Tunes, läuft schließlich auf dem damaligen Piratensender KISS-FM. Ein Mitarbeiter des altehrwürdigen Jazz-Labels Blue Note Records hört ihn dort, erkennt darauf ein ungeklärtes Sample aus einer alten Blue-Note-Scheibe. Wilkinson wird zu einem Treffen im Londoner Büro der EMI zitiert. "Als erstes habe ich bei Ninja Tunes angerufen und gefragt: `ähem, Leute, habt ihr das Sample geklärt?´“, erzählte Wilkinson später dem Musikmagazin Spin, “und sie drucksten herum: `hmm, nein, aber geh´ hin und schau mal, was sie wollen´.“ Wilkinson kommt mit Blue Note ins Gespräch und schlägt vor: "Wenn ihr mich an euren Back-Katalog ranlasst, mache ich daraus die ultimative Fusion aus Jazz und Hip Hop." Das Treffen wird die Geburtsstunde der bahnbrechenden britischen Jazz-Rap-Band Us3. Zu diesem Zeitpunkt hat das Phänomen Jazz und Hip Hop schon Kreise in der amerikanischen Indie-Szene gezogen. Der Mix beider Genres ist ja auch völlig logisch, sie sind ein perfektes Match. Mit dem Song "Heebie Jeebies" nahm der Jazztrompeter Louis Armstrong bereits 1925 einen "Rap-Track" auf. In den 1970ern legten Gil Scott Heron und The Last Poets Sprechgesang über jazzige Backing-Tracks. Die Improvisation im Jazz hat ihr Pendant im Freestyle-Rap, und die artistischen Tanzeinlagen des Lindy-Hops der 1930er wurden zum Breakdance. Ein eigenständiges Genre wurde der Jazz-Hip-Hop zum Ende der 1980er – als Antwort auf den ungleich düsteren aber populäreren Gangsta-Rap. Jazz-Rap-Vorreiter waren die Band Stetsasonic mit "Talkin´All That Jazz" und Gang Starr mit "Jazz Thing", das im Soundtrack des Films "Mo´ Better Blues" von Spike Lee läuft. Mehr Wellen schlug Jazz-Rap im Umfeld des New Yorker Hip Hop-Kollektivs Native Tongues (A Tribe Called Quest, De La Soul, Jungle Brothers). Im März 1992 gehen Us3 für ihr Blue-Note-Projekt ins Studio und spielen "Cantaloop" ein. Der Titel baut auf "Cantaloupe Island" auf, ein funky Piano-Stück, das der Jazz-Titan Herbie Hancock 1964, vor 50 Jahren, auf seinem Album "Empyrean Islands" unterbrachte, ein absoluter Klassiker der Soul-Jazz-Ära. Direkt vor Us3 hatten Eric B. & Rakim den Titel "Oliloqui Valley" daraus gesamplet. Bestechend wird "Cantaloop" durch den eloquenten New Yorker Rapper Rahsaan Kelly ("Er hatte diesen Native Tongues-Klang in der Stimme, der damals so hip war.") und den damals 17-jährigen Londoner Trompeter Gerard Presencer, Jungstar in der Londoner Acid-Jazz-Szene, mit Credits auf Platten von Jamiroquai, Corduroy und den Brand New Heavies. Geoff Wilkinson Geoff Wilkinson Us3 Cantaloop Bis zum internationalen Durchbruch von "Cantaloop" vergehen beinahe zwei Jahre. In den USA werden die Single und Us3s dazu gehörendes Debütalbum "Hand On The Torch" immer wieder zurückgestellt. Wilkinson rauft sich die Haare, als Gurus "Jazzmatazz"-Album vorher erscheint. Das in Schwarz-Weiß gedrehte Video von „Cantaloop“ gefällt MTV nicht und wird in L.A. neu gedreht – ohne Wilkinson – dafür mit ein paar Tänzerinnen vom Strip-Club um die Ecke der Capitol-Studios und mit zwei betagten Jazzmusikern aus dem Bilderbuch. "Als ich es sah, rief ich Bruce Lundvall {Geschäftsführer von Blue Note} an und schrie ins Telefon", sagte Wilkinson dem Spin-Magazin. Us3 wollen aufräumen mit dem alten Image des Jazz als Musik für Rauschebärte und Nostalgiker, wollen der Musik einen frischen Wind geben (der hierzulande im Hamburger Mojo-Club, in der Braunschweiger Jazzkantine und im Delicious Doughnuts von Jazzanova wehte), und nicht in ihrem eigenen Video zwei Jazz-Heinis in Anzug und Hut sehen. Möglicherweise wäre "Cantaloop" aber auf anderem Wege nicht so groß geworden. Womöglich ebnete "Jazzmatazz, Vol. 1" den Weg, vielleicht holte das Video die Leute ab. Ende gut, alles gut: "Hand On The Torch" wurde das erste Platin-Album in der Geschichte des Blue Note-Labels (den Erfolg sollte allein Norah Jones wiederholen). "Cantaloop" lief in verschiedenen Filmen und wurde Titelmelodie der deutschen TV-Show "Willemsens Woche". Us3 hatten ihren großen Moment – unmöglich daran anzuknüpfen. Wie gehen Us3 in die Musikgeschichte ein? Zwanzig Jahre später, 2013, war Herbie Hancock Preisträger der prestigeträchtigen Kennedy-Center-Honours. Auf der Gala in Washington trat Snoop Dogg auf, mit einer wortgetreuen Performance von “Cantaloop“, bejubelt von Präsident Obama, dem Promi-Publikum und von Hancock selbst, der sich bei seinen Konzerten den Spaß erlaubt, "Cantaloupe Island" als einen Titel von Us3 anzusagen. Es begann mit einem geklauten Sample und endet mit der Vereinnahmung durch den Jazz-Gott, so schließt sich der Kreis!   Cover Artwork des Us3 Albums "Hand On The Torch" mit dem Song Cantaloop Us 3 Cover Artwork Cantaloop  

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