Als Chester Bennington, Sänger von Linkin Park, mit nur 41 Jahren am 20. Juli 2017 Suizid beging, verfiel die Musikwelt in eine Schockstarre. Die Reaktionen waren ein Wechselbad der Gefühle von Trauer, weil plötzlich die ausgelassene, witzige, treibende Kraft hinter der Band fehlte, bis hin zu Fassungslosigkeit, weil niemand es geschafft hatte, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten.
Hört hier in Erinnerung an Chester die größten Hits von Linkin Park:
Vorneweg muss man sagen, dass Chester nie einen Hehl aus seinen psychischen Problemen machte. Mehr noch, waren sie immer ein Teil seines künstlerischen Schaffens, wie die Band in ihrem Nachruf auf ihren Frontmann schrieb: „We’re trying to remind ourselves that the demons who took you away from us were always part of the deal. After all, it was the way you sang about those demons that made everyone fall in love with you in the first place. You fearlessly put them on display, and in doing so, brought us together and taught us to be more human. You had the biggest heart, and managed to wear it on your sleeve.“
Stimmgewalt & Witz
Jetzt haben Linkin Park auf ihrer Facebook-Seite die Folge Carpool Karaoke veröffentlicht, die nur sechs Tage vor Chesters Tod aufgenommen worden ist. Bei dem Format sitzen Prominente in einem Auto und schmettern zusammen Radiohits. Wir sehen den amerikanischen Comedian Ken Jeong (bekannt aus der Sitcom Community), sowie Rapper Mike Shinoda, DJ Joe Hahn und Chester Bennington am Steuer. Sie singen OutKasts Hey Ya! und Red Hot Chili Peppers’ Under The Bridge, sowie ihre eigenen Hits Numb und In The End. Bei Chesters leidenschaftlicher Stimmgewalt wird einem nicht nur bewusst, was für einen großartigen Künstler die Rockwelt verloren hat. Vor allem ist es Chesters Lachen, Witz und Fröhlichkeit, die nun – nach seinem Suizid – nicht nur Fans, sondern allen Zuschauer*innen ein paar bittersüße Tränen ins Auge schießen lassen.
Nötige Sensibilisierung
Traurigerweise zeigen öffentliche Suizidfälle immer wieder, wie viel Aufklärungsbedarf in dieser Hinsicht noch besteht. Selbstgefällige Stimmen behaupten, man hätte ihm doch helfen können, er hätte sich nicht so anstellen dürfen; kritisieren das nähere Umfeld des Opfers, wie in Chesters Fall seine Frau Talinda. Diese hat bereits am 16. September ein Video auf Twitter geteilt, um mit gängigen Vorurteilen gegenüber Depressiven aufzuräumen. Darin sieht man den Sänger nur 36 Stunden vor seinem Tod ausgelassen mit seiner Familie lachen und Quatsch machen. Die Message: Depressionen kann man nicht sehen, sie sind keine Laune und keine vorübergehende Traurigkeit. Sie sind ein ständiger Kampf mit den eigenen Dämonen, die einem alle Kraft rauben, eine innere Leere, die einen verschlingt – obwohl nach Außen hin alles in bester Ordnung scheint. Und letzten Endes weiß nur der*die Betroffene selbst, wie es in seinem*ihrem Kopf aussieht.
Chester so in den beiden Videos zu sehen, ist ein wichtiger Beitrag dazu, eine öffentliche Sensibilität für das Thema Depressionen zu entwickeln, sie besser zu verstehen und endlich als das anzunehmen, was sie sind: eine Krankheit, die genauso tückisch ablaufen und tragisch enden kann wie jede andere auch. Nur dann werden Betroffene keine Hemmungen haben, sich professionelle Hilfe zu holen. Und nur dann lernen wir, die winzig kleinen Andeutungen und Zeichen zu lesen, die uns verraten, dass eine*r unserer Liebsten leidet, und wie wir ihnen helfen können.
Depressiv? Hier bekommst du Hilfe: Wenn du selbst depressiv bist oder Selbstmordgedanken hast, kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de.) Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du Hilfe von Berater*innen, die dir Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.