The revolution will not be televised: Gil Scott-Heron ist eine Schlüsselfigur der Schwarzen Musik. 1970 legt er den Grundstein für ein Genre, das später Hip-Hop heißen wird. Eine Würdigung an dem Tag, an dem er seinen 75. Geburtstag gefeiert hätte.
von Björn Springorum
Hip-Hop wurde in den dreckigen Straßen von New York City geboren. 1973, im Sommer, die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Weit weniger bekannt ist hingegen die Schlüsselrolle, die dieser Mann in der Entwicklung des Genres hin zur politisch bewussten Musik spielt: Gilbert Scott-Heron, genannt Gil, ist fast im Alleingang dafür verantwortlich, dass Hip-Hop in den Achtzigern zur Waffe wurde, zum Katalysator, zum Soundtrack für den Kampf gegen Rassismus, Unterdrückung, soziale Ungerechtigkeit und Polizeigewalt. Gewusst hat er das damals natürlich noch nicht.
Geboren wird er am 1. April 1949 im windigen Chicago. Seine Mutter eine Opernsängerin, sein Vater der erste Schwarze Fußballer, der bei Celtic Glasgow spielt. Mit zwölf kommt Heron in New York City an, es ist der Beginn der Sechziger, und in immer mehr Coffee Houses und Bars halten die Beatpoeten ihre Spoken-Word-Performances, ihre Vorträge.
Ab auf die Privatschule
Gil Scott-Heron entdeckt früh seine Leidenschaft zu Literatur und Musik. Erst besucht er die DeWitt Clinton High School in der Bronx, wechselt aber bald darauf auf die private und reichlich renommierte Privatschule The Fieldston School. Nicht, weil seine Eltern sich das leisten können; sondern weil sein Englischlehrer so beeindruckt von seinen Texten ist. An der Schule hat er es nicht leicht, er wird ausgegrenzt, findet keinen Anschluss. All das bekräftigt ihn nur mehr in seiner fast schon trotzigen Entschlossenheit, Missstände in seinen Texten anzusprechen. Sie werden seine gesamte künstlerische Laufbahn bestimmen.
Die letzte Ära der Poesie
An der Lincoln University kommt der Übergang in sein Dasein als Künstler. Gemeinsam mit Brian Jackson gründet er die Band Black & Blues. Später nimmt er sich ein Jahr Auszeit von der Uni, um zwei Romane zu schreiben. Dort lernt er nach einem Auftritt auch The Last Poets kennen, eine Schwarze Künstlervereinigung, die mit ihren Texten und Ansichten auch Bands wie Public Enemy maßgeblich beeinflussen wird. Die teilweise radikalen Ansichten prägen auch Heron. So gehen The Last Poets beispielsweise davon aus, dass ihre die letzte Ära sein wird, in der es noch Poesie geben wird, bevor Waffengewalt die gesamte Welt in Brutalität und Chaos stürzt. Ganz recht hatten sie damit nicht, ganz unrecht aber eben auch nicht.
Gewaltige Stimme
Er veröffentlicht Romane, er unterrichtet kreatives Schreiben in Washington D.C., immer wieder bringt er mit wechselnden Musiker*innen Jazzplatten raus. „Er war kein großer Sänger, aber mit dieser Stimme wäre es auch dynamisch gewesen, wenn er geflüstert hätte. Es war eine Stimme, wie man sie für Shakespeare brauchen würde“, so sagte sein Bassist Ron Carter mal. Seine Musik tänzelt zwischen Soul, Jazz und Funk, sein Gesang ist eher eine Performance, hat viel von dem, was man später als Sprechgesang bezeichnen wird. Viele nennen ihn deswegen den Godfather Of Rap, den Gründervater des Genres, den Schwarzen Dylan. „Es ist ein großer Unterschied, ob man Worte über eine Musik legt oder ob man diese Worte in die Musik einfließen lässt“, sagte er in den Neunzigern mal über Hip-Hop. „Es gibt nicht viel Humor. Es wird viel Slang und Umgangssprache verwendet, und man kann nicht wirklich in die Person hineinsehen. Stattdessen bekommt man nur eine Menge Posen zu sehen.“
Pionier des Rap
Insbesondere in den Siebzigern reflektiert seine Musik die Turbulenzen, die Ungewissheit und den zunehmenden Pessimismus dieser Zeit. Soul und Jazz treffen auf mündlich tradierte Poesie, die sowohl im Blues als auch später im Hip-Hop eine tragende Rolle spielen wird. Scott-Heron schafft es irgendwie, abwechselnd wütend, trotzig und bedauernd zu klingen, während seine Texte eine außerordentliche satirische Schärfe besitzen, die ihn vom militanten Soul von Zeitgenossen wie Marvin Gaye und Curtis Mayfield abhebt.
Den größten Beitrag zur Entwicklung des Rap leistet er 1971 mit seiner Performance The Revolution Will Not Be Televised, eine flammende Brandrede über den sträflichen Umgang der Massenmedien mit Schwarzer Kultur. „The revolution will not be right back after a message about a white tornado, white lightning or white people“, so sagt er darin. Später werden es Public Enemy bei Intros zu ihren Konzerten nutzen. „Wir tun, was wir tun, weil es dich gab“; so sagte Chuck D zu seinem Tod.
2011 stirbt Scott-Heron im Alter von 62 Jahren. 2021 wird er posthum in die Rock And Roll Hall of Fame aufgenommen.
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